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Das Trotzkopfalter

Der Ratgeber für Eltern von 2- bis 6-jährigen Kindern. Der richtige Umgang mit kindlichen Emotionen. Das Erziehungs-ABC mit Tipps und Strategien

AutorDoris Heueck-Mauß
VerlagHumboldt
Erscheinungsjahr2016
Reihehumboldt - Eltern & Kind 
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783869107103
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
'Ich will aber nicht!' Trotzanfälle stellen Sie als Eltern auf eine harte Geduldsprobe - und bringen Sie häufig an den Rand der Verzweiflung. Dieser leicht verständliche Ratgeber erklärt typische Trotzreaktionen und kindliche Aggressionen aus Sicht der Eltern und der Kinder. Er hilft allen Eltern, die Gefühle und Verhaltensweisen ihrer Kinder zu verstehen und gelassener damit umzugehen. Gelassen durch die Trotzphase!

Doris Heueck-Mauß ist Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin. Die Mutter zweier Kinder arbeitet seit 1985 in ihrer eigenen psychotherapeutischen Praxis in München.

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Leseprobe

Mit der Bezeichnung Trotz wird ein Entwicklungsschritt des Kleinkindes bezeichnet, nämlich seine Fähigkeit, sich als Individuum zu erleben und einen eigenen Willen zu haben. Seinen Willen kann zwar auch der Säugling ausdrücken; er lässt sich aber immer schnell ablenken.

Die emotionelle Welt der Zwei- bis Vierjährigen


In der Phase zwischen zwei und drei Jahren verändert sich das Selbstempfinden des Kindes. Das hängt mit seiner seelischen und motorischen Reifung zusammen. Das zweijährige Kind spricht nicht mehr von sich in der dritten Person, sondern es wird zunehmend die Wörtchen „ich“, „mich“, „mir“ oder „mein“ verwenden. Es kann sich jetzt im Spiegel oder auf einem Foto erkennen. Im zweiten Lebensjahr bekommt das Kind auch einen Begriff von seinem Körper: Es empfindet sich als groß oder klein, es entdeckt die anatomischen Unterschiede zwischen Junge und Mädchen. Es erlebt, dass es in seinen motorischen Handlungen immer sicherer wird und sich damit auch ein Stück unabhängiger von den Erwachsenen machen kann.

Das Wörtchen „alleine“ wird jetzt ganz wichtig.

Das Kind versucht immer mehr selbst zu machen und wehrt sich gegen die Anforderungen anderer. Der Trotz ist eine Möglichkeit, seine zunehmende Selbstständigkeit auszudrücken, denn oft fehlen ihm ja noch die sprachlichen Möglichkeiten. Dadurch kann es leicht zu Missverständnissen kommen: Das Kind fühlt sich nicht verstanden. Es löst die Enttäuschung und die Spannung, die durch das Missverständnis entstanden sind, mithilfe eines Wutanfalls. Dieser kann dann so heftig ausfallen, dass der Zusammenhang mit dem Anlass gar nicht mehr zu erkennen ist. Eltern stehen dann oft eher hilflos vor dem heftigen Gefühlsausbruch und wissen nicht, wie sie ihrem Kind da wieder heraushelfen können. Es hat ja noch nicht gelernt, mit widerstreitenden Bedürfnissen und Anforderungen oder mit Enttäuschungen und Misserfolgen umzugehen.

Immer wieder gibt es Anlässe, die Ihr Kind in eine Spannung oder einen Konflikt geraten lassen, wie die folgenden typischen Fallbeispiele verdeutlichen sollen.

Trotz als positiver Entwicklungsabschnitt


Die Trotzphase, oder besser gesagt die Phase der Willensund Ich-Entdeckung, ist eigentlich ein positiver Entwicklungsabschnitt, denn die Fähigkeit, wütend zu werden, enttäuscht zu sein und sich zu wehren macht deutlich, dass das Kind lernt, sich als Persönlichkeit zu empfinden. Diese Selbstwahrnehmung hat sich zwar auch schon im ersten Lebensjahr ansatzweise gezeigt, aber erst ab dem Laufalter äußert sie sich konkreter: Das Kind beginnt „mein“ zu sagen oder sich selbst auf einem Foto zu erkennen. Wenn diese Phase auch extrem anstrengend sein kann, so dauert sie zum Glück nicht ewig! Das Kleinkind baut ab dem dritten Lebensjahr auch eine immer höhere Frustrationstoleranz auf. Es ist jetzt in der Lage, über längere Zeit eine psychische Spannung auszuhalten. Es lernt abzuwarten und kann Zusammenhänge besser erkennen. Es entwickelt ein Zeitgefühl. Es beginnt allmählich zu akzeptieren, wenn seine Wünsche nicht sofort befriedigt werden. Und es gerät nicht mehr so oft in die Sackgasse eines Wutanfalls, aus dem es alleine nicht herausfindet. Seine Willensäußerungen werden ab dem dritten Lebensjahr zunehmend ziel-und personenorientiert. Ihr Kind wird zur Durchsetzung seines Willens öfter seine verbale und aktive Aggressionskraft einsetzen. Wie Sie damit am besten umgehen können, lesen Sie im Kapitel „Kindliche Wutausbrüche und Aggressionen“ (Seite 52).

Anlässe für trotziges Verhalten


„Ich will alleine!“


Beispiel:

Anna, zwei Jahre alt, ist schon recht geschickt im Anziehen, und ihre Mutter ist sehr stolz auf sie. Sie hilft Anna zwar bei schwierigen Kleidungsstücken, was sie aber selbst an- oder ausziehen kann, das lässt sie Anna ganz alleine machen – auch wenn es länger dauert. Heute hat es die Mutter jedoch sehr eilig. Sie hat einen Arzttermin und möchte Anna deshalb schnell anziehen. Als Anna dies bemerkt, schreit sie: „Nein, nein, Anna will alleine machen“, verschränkt die Arme und läuft weg. Die Mutter fängt sie wieder ein. Anna wehrt sich nun mit Händen und Füßen, wirft sich auf den Boden, strampelt wie wild, tritt nach der Mutter und schreit immer wieder: „Nein, nein, alleine machen!“

Was geht in Anna vor?

Ist Anna bockig, böse oder gar aggressiv geworden? Keinesfalls. Anna ist nur enttäuscht, dass sie heute der Mama nicht zeigen kann, wie gut sie es alleine schafft; denn das ist für sie im Moment ganz wichtig. Da sie aber noch kein Zeitgefühl hat, weiß sie auch nicht, was für die Mutter ein Arzttermin und Pünktlichkeit bedeuten. Die Enttäuschung löst sich in einem Wutanfall und in einem Tränensee. Anders kann das Kind diese Spannung noch nicht abbauen.

Was geht in Annas Mutter vor?

Die Mutter steht unter Zeitdruck und ist enttäuscht, dass Anna sich so uneinsichtig verhält – wo sie ihr doch sonst so viel Freiheiten und so viel Zeit lässt, sich selbst anzuziehen. Sie wird immer nervöser, fängt nun an, Anna zu ermahnen und auszuschimpfen. Darauf reagiert die Kleine noch enttäuschter: Wo sie sonst gelobt wurde, wird sie heute ausgeschimpft. Anna erregt sich immer weiter und steigert sich so richtig in ihr Unglück hinein. Die Mutter weiß sich nun nicht mehr anders zu helfen und gibt Anna einen Klaps auf den Po. Anna schluchzt, lässt sich aber jetzt widerstandslos hochheben und anziehen. Die Mutter fühlt sich unwohl und ist traurig, dass ihr wegen so eines geringfügigen Anlasses die Hand ausgerutscht ist. Später am Tag ruft sie ganz bekümmert eine Freundin an und erzählt ihr alles. Diese tröstet sie und meint: „Na ja, deine Anna kommt halt jetzt ins Trotzalter.“ Damit sind die Schuldgefühle keineswegs gelindert, die Mutter fühlt sich eher noch hilfloser.

TIPP

Bereiten Sie Ihr Kind auf Unternehmungen vor.

Die Mutter hätte Anna von dem Arzt erzählen sollen und sie fragen können, welches Kuscheltier sie dem Arzt zeigen möchte. Sie kann Anna erzählen, dass sie in der Praxis malen darf und dass es hinterher beim Bäcker eine Brezel gibt. Jetzt müssen sich aber beide rasch anziehen, und die Mama muss heute mithelfen, damit es schneller geht. Sie weiß ja, Anna kann es so gut alleine. Anna wäre in diesem Fall abgelenkt worden; die Mutter hätte sie auf den Arztbesuch neugierig gemacht, und damit wäre Anna sicher auch kooperativer geworden.

Das Kind hat noch kein Zeitgefühl


Beispiel:

Max, drei Jahre, ist Einzelkind. Ein Grund, weshalb die Mutter jeden Nachmittag mit ihm auf den Spielplatz geht: Dort kann er mit anderen Kindern im Sand spielen. Max freut sich immer sehr auf diese kleinen Ausflüge und steht schon erwartungsfroh mit Eimer und Schaufel vor der Tür. Dann dreht er sich um und bringt der Mutter seine Gummistiefel. Diese ist aber noch mit Bügeln beschäftigt und sagt: „Ja, Max, ich komme gleich – wir gehen bald. Spiel noch ein bisschen.“ Max setzt sich jetzt auf den Boden zur Mutter und beschäftigt sich mit seinen Gummistiefeln. Alle paar Minuten fragt er: „Mama, kommst du jetzt? Ich möchte spielen gehen.“ Die Mutter vertröstet ihren Max weiter und sagt immer wieder „Ja, Max, gleich. Ich komme ja gleich.“ Plötzlich schmeißt Max den Eimer in die Ecke, danach die Gummistiefel und die Schaufel. Er stampft mit den Füßen und schreit: „Ich will jetzt gehen. Ich will gehen.“ Die Mutter schaut erschrocken auf und fängt an zu schimpfen. Schließlich hat sie ihm doch versprochen, dass es bald losgeht. Sie muss aber eben noch schnell ihre Bügelarbeit erledigen.

Was geht in Max vor?

Max hat sich erst sehr gefreut und war auch bereit, ein wenig zu warten. Das Wörtchen „gleich“ („Gleich bin ich fertig“) kann er aber noch nicht richtig einordnen. Er erlebt, dass die Mutter sagt: „Ich komme gleich“, während sie weiter bügelt. Jetzt reagiert Max enttäuscht, und bei der dritten Vertröstung wird er richtig wütend. Er hat den Eindruck, dass sein Wunsch nicht ernst genommen wird und dass er heute nicht mehr zum Spielen kommt. Für Max ist dieser Zeitraum „gleich“ einfach zu unübersichtlich und zu lang. Er hat doch ganz deutlich seinen Eimer und seine Stiefel hingestellt – als Zeichen, dass es jetzt losgeht …

Zu langes Warten kann für Kleinkinder ein Auslöser sein für Enttäuschungen, für Ärger und Erregung. Sie müssen sich dann in Wutausbrüchen erst mal Luft machen. Auch bei diesem Beispiel will das Kind die Mutter nicht ärgern, sondern seine Spannung muss nach der erlebten Enttäuschung einfach erst einmal raus.

Was geht in Max’ Mutter vor?

Für die Mutter ist das Verhalten von Max schwer einzuordnen, denn sie hat ihm doch gesagt, dass sie gleich fertig ist und nur noch die paar Sachen zu Ende...

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