Zweites Kapitel - Das Unterseeboot torpediert ein Wrack
Rettung aus einem gesunkenen Unterseeboot mittels einer Schwimmboje,
die aus dem Tauchboot emporgelassen werden kann.
Glocken- und Sirenensignale im Nebel. — Ein Spaziergang im Bauch des Unterseeboots. — Allerlei von Motoren. — Horchapparate. — Unterseeboot-Idylle. — Ein drahtloser Befehl für das Tauchboot. — Die gescheiterte „Elly Scott“. — Der pfeifende Kreiselkompaß. — Periskopsuche nach dem Wrack der „Elly Scott“. — Wie sieht ein Torpedo aus. — Das Ende des Viermasters.
Die Herren saßen noch beim Mittagessen, das in elektrischen Kochtöpfen zubereitet worden war und den ganzen Raum durchduftete. als vom Turm her der Steuermann dem Kommandanten melden ließ, daß das Unterseeboot bereits den Nebel erreicht hatte. Es erklang auch schon von oben her der scharfe, sich zuspitzende Klang der Sirene, die alle Schiffe in fortgesetzten regelmäßigen Abständen rufen lassen, solange sie im Nebel fahren.
„Lassen Sie den Anker fallen, bis der Nebel vorbeigezogen ist,“ befahl der Kommandant. Darauf konnten die beiden Herren ihr Mittagessen fortsetzen. Die Sirene oben schwieg und an ihrer Stelle erklangen Glockentöne.
Minen und Minenfänger.
„Die Sirene kündet ein fahrendes Schiff an, die Glocke ein im Nebel ankerndes. Wenn Sie auf Ihren Mittagsschlaf durchaus verzichten wollen, so können wir die Pause im Nebel dazu benutzen, um uns das Innere des Bootes näher zu besehen. Das Sehrohr will ich Ihnen lieber erst dann erklären, wenn wir oben wieder freien Blick haben. Im Turm haben wir beide jetzt nichts zu verlieren. Also kommen Sie hinab. Vorn befinden sich die Kabinen der Offiziere, hinten die der Mannschaft. Ferner liegen vorn neben den nötigen Gängen in den Torpedokammern die beiden Torpedo-Ausschußrohre und die Torpedos. Anders sieht es mit der Einstellung hinten aus, da liegen unsere Motoren. Über Wasser fuhren wir vorher mit diesen Ölmotoren, deren verbrannte Gase durch das Rohr nach außen abgegeben werden. Den Auspuffstutzen haben Sie vorhin bei der Erstbesichtigung des Decks gesehen. Er gibt bei aufgetauchter Fahrt sein meist unsichtbares, verbranntes Gas in kurzen Schlägen ab. Unter Wasser benutzen wir diesen Ölmotor nicht, da wir den Auspuffstutzen während untergetauchter Fahrt wasserdicht und druckfest verschließen müssen, damit das Boot nicht voll Wasser läuft!“
„Laufen alle Tauchboote oben mit Ölmotoren?“ erkundigte sich der Ingenieur.
„Durchaus nicht, es gab und gibt noch Unterseeboote, die bei Fahrt auf dem Wasser Elektromotoren benutzen, besonders kleinere Typen, andere meist größere Boote, wenden sogar Dampfmaschinen an. Dagegen ist man von Benzinexplosionsmotoren, wie sie die Automobile und Luftfahrzeuge haben, ganz abgekommen, weil die Benzingase im Innern eines Bootes sich zu explosiblen Gemischen ansammeln können, die obendrein auch sehr giftig sind. Wir benutzen daher nur Petroleum- oder Schwerölmaschinen. Im Fahrwasser, das eine schnelle Manövrierfähigkeit verlangt, wie etwa eine Flußmündung oder ein an Sandbänken reiches Gebiet, fahren wir über Wasser auch lieber mit Elektromotoren. Im allgemeinen gibt es also dampfelektrische U-Boote und ölelektrische. Jedenfalls ist der Inhalt eines U-Bootes an Maschinen immer sehr reichhaltig. Der Ölmotor, der Elektromotor, dazu die Bleiakkumulatoren, die unter Wasser aus ihrer aufgespeicherten Kraft die Dynamo treiben. Ferner die Anlaßvorrichtungen, um die schwere Ölmaschine in Gang zu bringen. Dann die Einblasegefäße, die dazu gehören, ferner die Auspuffleitungen, die Wellen, die Drucklager, kurz es ist kaum zu glauben, was solch ein kleines Boot in seinem Bauch alles aufnehmen muß.“
Szene aus einer modernen Seeschlacht.
„Na, von der Maschine habe ich nun genug,“ sagte der Ingenieur.
Ein Maat aus dem Torpedoraum erschien und meldete, daß am Horchapparat die Schrauben eines großen Schiffes zu hören seien.
„So, Horchapparate haben Sie auch an Bord?“ fragte Codera.
„Sie liegen vorn zu beiden Seiten in der Nähe der Torpedorohre, ich werde sie Ihnen nachher zeigen. Man kann mit ihrer Hilfe ziemlich weit fahrende Schiffe hören, was besonders bei untergetauchter Fahrt wichtig ist, ebenso wenn das Boot im Nebel ankert, wie wir jetzt!“
„Seltsames Wesen, ein solches Unterseeboot. Je näher ich es kennen lerne, je mehr erscheint es mir als ein lebender Organismus. Es hat Augen und Ohren, Herz, Lunge, Magen. Es ist ein Walfisch aus Metall . . .“
Der englische Kreuzer “Hermes” wird vor Dover im Kanal durch ein deutsches Unterseeboot torpediert. (Nach Zeichnung v. Prof. Willy Stöwer.)
Der Kommandant lächelte über die großen Lobsprüche seines Gastes und lud ihn ein, ein bißchen mit auf Deck zu kommen, wo einige der Mannschaft mit langen Angelruten hockten und bereits eine ganz hübsche Beute gemacht hatten, u. a. einen böse aussehenden, aber harmlosen Fisch, der zornige Angstlaute ausstieß, als ihn der Matrose über Wasser zog. Auch ein paar Krabben hatten sich in den Köder so verliebt, daß sie nicht eher losließen, als bis die Schwielenfaust des Anglers der Gefräßigkeit ein Ende machte. Der Matrose hatte einen dieser großen Taschenkrebse neben sich geworfen, und das Tier beeilte sich, dem Wasser wieder zuzustreben, während der Angler es immer im letzten Augenblick ergriff und wieder neben sich legte. Es gewann erst seine Freiheit wieder, als eine jener Sprungwellen, die ebenso plötzlich wie seltsam manchmal im Meere entstehen, den angelnden Matrosen ganz empfindlich naß machte und die Krabbe mit sich riß. Mutter Meer hat ihr gequältes Kind wiedergeholt. Es war eine recht friedliche Szene hier oben an Deck. Die Ruhepause war der Mannschaft nach der Tauchfahrt ein großer Genuß.
Die U-Bootidylle wurden unvermutet durch das Heulen einer Sirene gestört. Der bereits durch den Horchapparat bemerkte Dampfer mußte näher gekommen sein.
Der Kommandant des Tauchbootes bemerkte: „Es wird der Kreuzer ‚Umberto primo‘ sein, ich kenne seine Sirene genau, sie ist immer ein wenig heiser. Außerdem treibt er sich zurzeit in der nördlichen Adria herum. Ich werde ihn mal anrufen!“
Der Funker bekam den Befehl, sich mit dem „Umberto I“ in Verbindung zu setzen und sofort erfolgte die Antwort.
„Sehr interessant,“ meinte der Offizier, als ihm der Funker die Mitteilungen des Kreuzers brachte.
„An den Kommandanten Riccardo Sacchetta! Sie haben sich sofort nach der Lidomole zu begeben und das dort liegende Wrack kriegsgemäß zu torpedieren. Sie gelten dann als gesunken, ein Hebeschiff ist zur Stelle und wird eine Rettungsübung vornehmen.“
Der Kommandant rieb sich freudig erregt die Hände.
„Das ist doch mal etwas anderes, als diese ewigen Versuchsfahrten. Wenn auch bloß ein Wrack unser Feind ist, so dürfen wir doch endlich mal unsere Zähne zeigen. Schließlich sind wir ja kein Boot zum Spazierenfahren, sondern unser Zweck ist, das Vernichten im Großen. Ungesehen an den Feind kommen, den tödlichen Torpedo absenden und dann ungesehen wieder entschlüpfen. Sie haben Glück, Herr Ingenieur, daß Sie das miterleben. Ich kenne übrigens das Wrack. Es war einst ein herrliches Schiff, die „Elly Scott“, einer der größten Segler der Welt, mit den Streifen und Sternenbanner, ein prächtiger Amerikaner. Die verfluchten Sandbänke vor der Nordseite der Lidomole haben ihn umgebracht, und wochenlang gab es an dem Steindamm und am Lido für die Badegäste gratis angeschwemmte Rosinen, Zitronen, Gewürze und ähnliche schöne Dinger. Das Wrack ist längst versandet und bildet eine große Gefahr für andere Schiffe, weil es in der Fahrstraße liegt, die aus der Adria und von Triest her nach Venedig führt.“
Das Boot war unterdessen wieder fahrbereit gemacht worden. Das Maschinenpersonal hielt Wache bei den Motoren, die eigentliche seemännische Besatzung begab sich in die Torpedoräume und der Kommandant in den Turm und zum Steuerstand.
„Hier ein Tiefendruckmesser, der uns infolge des Wasserdrucks genau die Tiefe des Boots unter Wasser zeigt, wonach dann das Tiefenruder bedient wird, und hier eine Wasserwage, die die Lage des Boots in der Längsrichtung angibt. Außer den Horizontalrudern, die sich an der Außenhaut befinden und wie wagerechte große Flossen abstehen, hat das Boot noch ein Vertikalsteuer, das nach dem Kompaß bedient wird.“
Eine erneute Anfrage beim Kreuzer hatte ergeben, daß die Nebelmasse nach Süden zu sehr schnell ein Ende nahm und daß von dort bis zur dalmatinischen Küste überhaupt kein Nebel mehr vorhanden sei.
Das Unterseeboot nahm also den Kurs nach Norden, wobei die Sirene sehr fleißig sang, da eine Fischerflotille mit roten Segeln in der Nähe Angeln und Netze ausgelegt hatte. Mehrmals tauchte solch ein Fischerboot mit geflickten Segeln lautlos und schemenhaft wie der fliegende Holländer im Nebel auf, der das Spukwrack aber ebenso schnell wieder verschluckte. Nach fünf Seemeilen Fahrt brach der blaue Himmel durch und das Boot nahm „Vollöl“ voraus die Richtung auf den Schiffsfriedhof an der Nordmolenseite zu, der nun schon so vielen rastlosen...