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Das Vorsichtsprinzip im internationalen Vergleich am Beispiel von Rückstellungen

AutorChristian Mc Cann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl110 Seiten
ISBN9783638859196
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich BWL - Rechnungswesen, Bilanzierung, Steuern, Note: 1,3, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (Fachbereich Betriebswirtschaft), 150 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Mit der Verabschiedung der Verordnung Nr. 1606/2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards wurden alle kapitalmarktorientierten Unternehmen in der Europäischen Union verpflichtet, ab 2005 ihren Konzernabschluss nach den International Financial Reporting Standards aufzustellen [...]. Der Einfluss der International Financial Reporting Standards auf die deutsche Bilanzierungspraxis wuchs durch diese Verordnung und deren Umsetzung durch den Gesetzgeber mit dem Bilanzrechtsformgesetz deutlich an, ebenso die kontrovers geführten Diskussionen darüber, welches Rechnungslegungssystem denn besser geeignet ist, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln. In Deutschland wird der handelsrechtliche Jahresabschluss nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs und unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung aufgestellt [...]. Das dominierende Ziel der deutschen Rechnungslegung ist der Gläubigerschutz. Dieser soll bei kapitalmarktorientierten Unternehmen vor allem durch eine vorsichtige Gewinnermittlung und -ausschüttung realisiert werden. Aus dem Rechnungslegungszweck des Gläubigerschutzes hat sich das Vorsichtsprinzip abgeleitet, welches im deutschen Handelsrecht eine exponierte Stellung einnimmt. Unter dem Vorsichtsprinzip subsumieren sich zwei weitere Grundprinzipien mit ihren Folgeprinzipien welche später ausführlicher behandelt werden. Das Vorsichtsprinzip ist auch unter den IFRS bekannt, ihm wird allerdings weit weniger Bedeutung beigemessen als in Deutschland, da das primäre Rechnungslegungsziel nicht der Gläubigerschutz, sondern das der entscheidungsrelevanten Informationsvermittlung ist. In dieser Arbeit werden zuerst die Grundlagen der beiden Rechnungslegungssysteme erklärt, um darauf aufbauend die unterschiedliche Handhabung des Vorsichtsprinzips zu betrachten. Dazu vergleicht der Autor dieser Arbeit die Vorschriften in Deutschland mit denen der IFRS, um hierbei Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Am Beispiel von Rückstellungen wird dann anschaulich erklärt, welche Auswirkung die unterschiedlichen Interpretationen des Vorsichtsprinzips auf den Ausweis dieser Bilanzposition im Jahresabschluss hat.

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Leseprobe

2 Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften


 

2.1 Pflicht zur Rechnungslegung


 

2.1.1 Einzelabschluss

 

In Deutschland ergibt sich eine Rechnungslegungspflicht für alle Kaufleute, unabhängig davon ob diese kapitalmarktorientiert oder nicht kapitalmarktorientiert sind, aus dem dritten Buch des HGB. [14]

 

Eine Kapitalgesellschaft gilt aufgrund ihrer Rechtsform als Formkaufmann [15] und ist somit zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet. [16] Die allgemeinen Vorschriften des ersten Abschnitts, welche für alle Kaufleute gelten, werden durch Bestimmungen im zweiten Abschnitt [17] und aus verschiedenen Spezialgesetzen [18] ergänzt.

 

Alle Geschäftsvorfälle, die zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt stattgefunden haben, werden in diesem Jahresabschluss, auch Einzelabschluss genannt, abgebildet. [19]

 

Eine Kapitalgesellschaft ist demnach verpflichtet, einen Einzelabschluss nach HGB aufzustellen, darf aber zusätzlich für Informationszwecke optional einen Einzelabschluss nach IFRS aufstellen und diesen im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichen, wobei dann aber die internationalen Vorschriften vollständig anzuwenden sind. [20]

 

2.1.2 Konzernabschluss

 

Ein Zusammenschluss mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen (unabhängig ihrer Rechtsform) zu einer wirtschaftlichen Einheit unter einheitlicher Leitung wird Konzern genannt. [21]

 

Ein Mutterunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich zur Aufstellung eines Konzernabschlusses [22] verpflichtet, wenn die Voraussetzungen des § 290 HGB erfüllt sind.

 

In diesem Konzernabschluss sind die Unternehmen so darzustellen, als ob diese ein einziges Unternehmen wären. [23] Befreiungen von der Pflicht zur Aufstellung sind in den §§ 291, 293 HGB geregelt.

 

Mit der Verordnung Nr. 1602/2002 des Europäischen Parlaments  wurden alle börsennotierten Unternehmen verpflichtet, ihre Konzernabschlüsse ab 01.01.2005 [24] verbindlich nach den IFRS aufzustellen. [25] Da Verordnungen des Europäischen Parlaments in den Mitgliedstaaten unmittelbar Geltung erlangen, ist eine Umsetzung in nationales Recht nicht zwingend notwendig. [26]

 

Für Konzernabschlüsse nicht börsenorientierter Unternehmen, die aber wegen ihrer Rechtsform unter den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1606/2002 fallen, sieht der Gesetzgeber ein Wahlrecht zur freiwilligen Anwendung der IFRS vor. [27]

 

Unabhängig von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses müssen Kapitalgesellschaften grundsätzlich einen Einzelabschluss aufstellen.

 

2.2 Rechnungslegungszwecke


 

Die Rechnungslegung des Einzelabschlusses nach HGB verfolgt verschiedene Zwecke:

 

Informationsfunktion mit dem Nebenzweck Rechenschaftslegung

 

Dokumentationsfunktion

 

Zahlungsbemessungsfunktion [28]

 

Durch den Jahresabschluss sollen verschiedene Stakeholder, insbesondere Gläubiger und Eigenkapitalgeber, aber auch die Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, der Staat und die Öffentlichkeit über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens informiert werden. [29] Darüber hinaus kann sich der Kaufmann durch den Abschluss selbst über die Lage seines Unternehmens informieren und den Kapitalgebern die Verwendung des überlassenen Kapitals aufzeigen. [30]

 

Nach § 238 Abs. 1 HGB ist der Kaufmann verpflichtet, sämtliche güter- und finanzwirtschaftliche Vorgänge aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnung dient der Dokumentation über alle Geschäftsfälle des Unternehmens und ist zugleich Beweisfunktion. [31]

 

Ausgangspunkt für die Bestimmung der Höhe von Ausschüttungen und zur steuerlichen Gewinnermittlung ist der Bilanzgewinn, der sich aus dem Jahresüberschuss ableitet. [32] Über die Verwendung des Bilanzgewinns entscheidet bei einer Kapitalgesellschaft die Hauptversammlung. Die Ermittlung des Bilanzgewinns soll vorsichtig bemessen und verlustantizipierend erfolgen. [33]

 

Bei Kapitalgesellschaften gelten zusätzliche Ausschüttungsregelungen um ein Mindesthaftungskapital zu erhalten. Höchstausschüttungen begrenzen den Abfluss von zuviel Haftungsvermögen aus dem Unternehmen und sollen somit die Gläubiger schützen. [34]

 

Die steuerliche Gewinnermittlung ist ein weiteres wichtiges Ziel des Einzelabschlusses. In Deutschland bildet die Handelsbilanz die Grundlage für die Steuerbilanz, dies ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EstG, die so genannte „Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz“. [35]

 

Ausnahmen dieses Grundsatzes entstehen insbesondere durch:

 

Besondere Vorschriften im Steuerrecht, wie dem steuerlichen Bewertungsvorbehalt [36] oder dem Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen [37] in der Steuerbilanz sowie durch

 

Rechtssprechung des BGH und BFH. [38]

 

Des Weiteren gibt es noch das „Prinzip der umgekehrten Maßgeblichkeit“, welches sich aus § 5 Abs. 1 Satz 2 ergibt.  Danach dürfen steuerliche Wahlrechte nur in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz ausgeübt werden. [39]

 

Dabei lassen sich zwei Fälle unterscheiden:

 

1. Die „spezielle umgekehrte Maßgeblichkeit“, wonach in der Steuerbilanz „GoB-fremde“ Wahlrechte zur Verfügung stehen, bspw. Steuervergünstigungen.

2. Die „faktische umgekehrte Maßgeblichkeit“, hier sind „GoB-konforme“ Wahlrechte in der Steuerbilanz genannt, als Beispiel ist die LIFO Bewertungsmethode zu nennen.

 

Durch das Prinzip der umgekehrten Maßgeblichkeit wird die Handelsbilanz immer stärker durch die Steuerbilanz beeinflusst. [40]

 

Der Konzernabschluss nach HGB hat in Deutschland allerdings eine reine Informations-, Dokumentations- und Entscheidungsfunktion [41], ebenso der Konzernabschluss nach IFRS. [42]

 

(Rechts-) Ansprüche lassen sich aus dem Konzernabschluss nicht ableiten. [43]

 

Der Einzelabschluss nach IFRS erfüllt zwar die Offenlegungsvorschriften des

 

 § 325 Abs. 2a HGB, für die Ausschüttungsbemessung ist allerdings weiterhin ein Einzelabschluss nach HGB aufzustellen. [44] Weiterhin ist aus dem handelsrechtlichen Abschluss die Steuerbilanz für die Ermittlung der Steuerlast zu erstellen. Somit hat der IFRS Einzelabschluss ebenso wie der Konzernabschluss eine Informationsfunktion.

 

2.3 Normensetzende Institutionen


 

2.3.1 Gesetzgeber

 

Deutschland folgt dem legislativen Rechtssystem des kontinental-europäischen „Code Law“, welches aus dem römischen Recht abgeleitet ist. [45] Die grundsätzlich sehr detaillierten Vorschriften der Rechnungslegung werden vom Gesetzgeber kodifiziert, das Handelsgesetzbuch bildet somit die Grundlage der deutschen Rechnungslegung. [46] Erweiterungen oder Änderungen der bestehenden Regelungen sind dem Gesetzgeber vorbehalten. Die Anwendung erfolgt durch Deduktion aus den gesetzlichen Vorschriften und durch Subsumtion auf die jeweiligen Einzelfälle. [47]

 

Die Auslegung einzelner Vorschriften unterliegt im Einzelfall der richterlichen Rechtssprechung.

 

2.3.2 Gerichte

 

Gerichte legen durch ihre Urteile die gesetzlich normierten Bilanzierungsvorschriften aus und dienen der Rechtsfortbildung. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Bundesgerichtshof als oberstes Zivilgericht und aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz dem Bundesfinanzhof zu. [48] Der BFH ist nur zuständig für das Steuerrecht, [49] allerdings war es bedingt durch das Maßgeblichkeitsprinzip, gerade der BFH welcher die...

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