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E-Book

Deckname Adler

Klaus Barbie und die westlichen Geheimdienste

AutorPeter Hammerschmidt
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl560 Seiten
ISBN9783104018263
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
»Intelligent, anpassungsfähig, verschwiegen und zuverlässig« BND-Notiz über Klaus Barbie Die unglaubliche Nachkriegskarriere von Klaus Barbie, einstiger Gestapo-Chef und »Schlächter von Lyon«, einer der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher, ab 1947 Agent des amerikanischen Geheimdienstes CIC und ab 1966 Informant des Bundesnachrichtendienstes. Der Historiker Peter Hammerschmidt hat umfassend und hartnäckig recherchiert, um die komplette Biographie Klaus Barbies nach 1945 aufzudecken. Er ging bis zum Bundeskanzleramt, damit ihm Einblick in Barbies BND-Akte gewährt wurde. Er interviewte Zeitzeugen, fand unveröffentlichte Briefe des ehemaligen SS-Hauptsturmführers und schließlich 2012 dessen zwischen 1987 und 1991 entstandenen Memoiren. Und er belegt endgültig: Barbie, der ab 1951 als Klaus Altmann in Bolivien lebte, stand in den 1960er Jahren auf der Gehaltsliste des BND, war noch bis 1968 über die Firma MEREX am bundesdeutschen Waffenhandel mit Lateinamerika beteiligt und hatte weltweite Kontakte zu seinen alten Kameraden. Engagiert und spannend erzählt Peter Hammerschmidt, in welch skandalösem, so umfassend noch nicht bekannten Ausmaß NS-Kriegsverbrecher nach 1945 geschützt wurden.

Peter Hammerschmidt,geboren 1986, ist Historiker und promo-vierte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er lebt in Ramstein-Miesenbach¿/Pfalz. Für seine Dissertation über Klaus Barbie musste er bis zum Bundeskanzler-amt gehen, um Einblick in alle Akten zu erhalten. 2011/12 war er wissenschaftlicher Fachberater für den Dokumentarfilm ?Aribert Heim - Die Jagd nach Dr. Tod?.

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Leseprobe

Quellen


Die Basis der in diesem Buch verwendeten US-amerikanischen Quellen bilden die im Zuge der Ermittlungen des US-Justizministeriums im Jahr 1983 freigegebenen Akten des Counter Intelligence Corps (CIC), des State Department, des Immigration and Naturalization Service (INS), des Federal Bureau of Investigation (FBI) und der Central Intelligence Agency (CIA), die in Form eines 680 Seiten starken Konvoluts dem Ryan-Report angefügt sind.[25]

Aufgrund der seit Ende der achtziger Jahre anhaltenden öffentlichen Diskussion über die Verbindungen amerikanischer Regierungsstellen zu Tätern des NS-Regimes (vgl. die »Waldheim-Affäre« von 1986) wuchs der politische Druck auf den US-Kongress, ein Gesetz zur Offenlegung relevanter Quellenbestände zu verabschieden. Der unter der Regierung Bill Clintons im Jahr 1998 erlassene Nazi War Crimes Disclosure Act schuf erstmals eine gesetzliche Grundlage zur Freigabe tausender Aktenseiten, welche die Kenntnisse von US-Geheimdienststellen um deutsche NS-Täter oder die Rekrutierung ehemaliger NS-Funktionäre betreffen. Ich habe für dieses Buch sämtliche relevanten Aktenbestände US-amerikanischer (Sicherheits-)Behörden in den National Archives and Records Administration in Washington D.C. eingesehen und ausgewertet, ebenso wie zahlreiche Dokumente, die erst auf der Basis von Anträgen im Rahmen des Freedom of Information Act oder des Mandatory Declassification Review deklassifiziert und freigegeben werden konnten. Allerdings wird auch von amerikanischer Seite noch immer eine Vielzahl historisch relevanter Akten zurückgehalten.

Ein weiterer elementarer Aktenbestand, auf den ich zurückgreifen konnte, ist der Nachlass von James Hardesty Critchfield, der erst Anfang 2012 in der Bibliothek des College of William and Mary in Williamsburg/Virginia der Forschung zugänglich gemacht wurde. Der 1917 in Hunter/North Dakota geborene Critchfield kam 1948 zur CIA und war ab Juli 1949 mit der Aufsicht der Organisation Gehlen (ORG), der Vorgängerorganisation des Bundesnachrichtendienstes, betraut. Critchfield pflegte nicht nur eine ausgiebige Korrespondenz mit Funktionsträgern des BND und der CIA, sondern stand bis zu seinem Tod im Jahr 2003 auch in Kontakt mit zahlreichen ehemaligen ORG-Mitarbeitern, deren Briefe und Typoskripte eine unzensierte Einsicht in das Innenleben der ORG offenbaren. Critchfields Notizen, die er im Rahmen seiner Memoiren angefertigt hat und die im Nachlass enthalten sind, bieten einen einmaligen Einblick in die nachrichtendienstliche Praxis von CIC und CIA im Nachkriegsdeutschland. Seine zeithistorischen Einordnungen und persönlichen Einschätzungen zu konkreten nachrichtendienstlichen Operationen beleuchten das Spannungsfeld zwischen globalpolitischen Herausforderungen, nachrichtendienstlicher Aufbauarbeit und den Entwicklungslinien deutsch-amerikanischer Beziehungen.

Ein letzter aus den USA stammender Quellenbestand sind die »Pre-Trial Records« des Barbie-Prozesses. Während die mehr als 10000 Seiten umfassenden Zeugenvernehmungen in Frankreich aus datenschutzrechtlichen Gründen noch immer verschlossen sind, findet sich eine – in der historischen Forschung bisher unbeachtet gebliebene – Kopie dieses Dokuments an der Stanford University (Hoover Institution) in Kalifornien. Der Inhalt der Protokolle konzentriert sich insbesondere auf Barbies Verbrechen während seiner Zeit in Lyon und bietet damit einen umfangreichen Einblick in die Verbrechen der Geheimen Staatspolizei im besetzten Frankreich. Für die NS-Täterforschung bietet der Aktenbestand zudem überaus wertvolle Erkenntnisse zur retrospektiven Einschätzung über Gewaltverbrechen im Referenzrahmen des Krieges.[26] Allerdings müssen sämtliche Aussagen von Barbie, ebenso wie die Aussagen seiner Opfer, einer quellenkritischen Analyse unterzogen werden. Vor allem der zeitliche Abstand zum Tatgeschehen, der bei den meisten der Zeitzeugenaussagen etwa 40 Jahre beträgt, ist Ursache für erkennbare Fehler in der Schilderung zeitlicher Abläufe.

Neben dem Aktenmaterial US-amerikanischer Behörden greife ich auf erstmals freigegebene Dossiers von Schweizer Sicherheitsbehörden zurück. Nachdem mir die Schweizerische Bundesanwaltschaft in erster Instanz die Einsicht verweigert hatte, entschied sie nach einem weiteren Einsichtsgesuch, die Akten an das Schweizerische Bundesarchiv zu übergeben, wo ich die Dokumente – unter Auflagen – einsehen und auswerten konnte. Neben Akten des Schweizer Staatsschutzes wurden mir im Zuge dieser Freigabe auch Dokumente des Polizeidienstes der Bundesanwaltschaft, des Polizeikommandos des Kantons Basel (Spezialabteilung), der Schweizerischen Armee, des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements und des französischen Nachrichtendienstes Sûreté Nationale zur Verfügung gestellt. Neben den Ermittlungsbemühungen von Schweizer Behörden lassen sich anhand dieses Aktenmaterials auch die ab 1942 einsetzenden Ermittlungen des französischen Militärnachrichtendienstes gegen Angehörige der Geheimen Staatspolizei in Lyon rekonstruieren.

Trotz meiner zahlreichen Anfragen an das französische Innen- und Verteidigungsministerium blieben mir die Aktenbestände französischer Nachrichtendienste verschlossen, so dass ich lediglich die in den Pariser Archives Nationales öffentlich zugänglichen Aktenbestände einsehen konnte. Neben den Akten der Direction générale de la police nationale waren dies vor allem die Videomitschnitte des Barbie-Prozesses von 1987.

Der umfangreichste öffentlich zugängliche Fundus deutscher Quellen zu Klaus Barbie befindet sich in der an das Bundesarchiv angegliederten Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen (ZSt) zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Neben Barbies SS-Personalakte lagern dort die deutschen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaften in Augsburg, Kassel, Düsseldorf und München[27], vereinzelte Ermittlungsakten des Auswärtigen Amtes, die übersetzten Verhörprotokolle der Generalstaatsanwaltschaft von Lyon, die übersetzte Anklageschrift des Ständigen Militärgerichts (Lyon) sowie Unterlagen aus den Ermittlungen des französischen Innenministeriums.

Neben der bereits erwähnten BND-Akte von Klaus Barbie, die im Januar 2011 an das Bundesarchiv in Koblenz abgegeben wurde, konnte ich auch die ebenfalls vom BND an das Bundesarchiv übermittelte Akte des SS-Standartenführers Walther Rauff auswerten. Im Januar 2012 durfte ich überdies die Akte des SS-Obersturmführers Otto Skorzeny in den Räumen des BND in Berlin einsehen und auswerten, sowie später in Pullach die Akten des Waffenhändlers Gerhard Mertins, des Generalmajors Walter Drück und des »Tippers« von Klaus Barbie, Rolf Hollweg (DN HOLM).

Eine Einsicht in die Akte Klaus Barbies beim BfV war mir zunächst verweigert worden. Im September 2011 teilte mir das Bundesamt mit, dass aufgrund der »hohen Anzahl von Verschlusssachen« verschiedener Nachrichtengeber in den Akten sowie aufgrund des »hohen personellen Aufwandes« keine Einzelprüfung erfolgen könne.[28] Ein gesetzlicher Anspruch auf Akteneinsicht gegenüber dem BfV nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bestehe nicht. Nach einer weiteren Intervention ließ sich der Inlandsnachrichtendienst Mitte Oktober 2011 dazu bewegen, doch eine entsprechende Einzelprüfung durchzuführen. »Im Ergebnis dieser Prüfung«, so die Antwort des BfV, »ist eine Offenlegung der – tatsächlich im BfV vorhandenen und grundsätzlich für eine Abgabe an das Bundesarchiv vorgesehenen – Gesamtakte zu Barbie in absehbarer Zeit aus Sicherheitsgründen leider nicht möglich.«[29] Diese »Sicherheitsgründe« bezogen sich, wie zuvor beim BND, auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten Dritter und die Preisgabe von Informationen nachrichtendienstlicher oder außenpolitischer Belange.

Nachdem vonseiten des Bundesinnenministeriums eine Beschwerde meinerseits unbeantwortet blieb, veröffentlichte ich im Januar 2012 einen Artikel in der tageszeitung.[30] Doch erst nach einer von dem Bundestagsabgeordneten Jan Korte initiierten Kleinen Anfrage der Fraktion »Die Linke« an die Bundesregierung[31] wurde mir im Juni 2012 – exklusiv – die Einsicht in die Akte von Klaus Barbie in den Räumen des BfV in Köln gestattet.

Im Rahmen der Recherchen bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) stieß ich schließlich im April 2012 auf ein 320 Seiten umfassendes Vernehmungsprotokoll des im Auftrag des Bundesnachrichtendienstes agierenden Waffenhändlers G. F., der zwischen 1964 und 1966 in Kontakt mit dem Bundesnachrichtendienst stand und den westdeutschen Auslandsnachrichtendienst auf Grundlage seiner umfangreichen Geschäftsbeziehungen in Lateinamerika mit Informationen über politisch motivierte Waffentransfers unterstützte. Die Vernehmungsprotokolle, die bis dato weder...

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