Die Diagnose »demenzielle Erkrankung« bedeutet nicht automatisch, dass die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen verlorengeht. Geschäftsunfähig sein heißt, rechtliche Angelegenheiten nicht mehr regeln zu können. Dies bedeutet: Dem Geschäftsunfähigen ist es schlichtweg nicht möglich, wirksame Verträge zu schließen, wirksam Kündigungen auszusprechen oder Vollmachten auszustellen.
Der Zustand der Geschäftsunfähigkeit ist eigentlich bekannt aus dem Bereich der Kinder bis zum siebten Lebensjahr. Diese sind absolut geschäftsunfähig, d. h. kleine Kinder können faktisch überhaupt nicht am Rechtsverkehr teilnehmen.
Selbst Kleinsteinkäufe sind rechtlich gesehen nichtig, wenn sie von Kindern unter sieben Jahren besorgt werden.
Für Volljährige bestimmt das Gesetz Folgendes: Geschäftsunfähig ist zum einen derjenige, der das siebte Lebensjahr nicht beendet hat und zum anderen derjenige, welcher sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet (§ 104 Abs. 2 BGB).
Für diese Menschen hat das BGB noch eine Ausnahme parat: § 105 a BGB bestimmt, dass ein volljähriger Geschäftsunfähiger zumindest noch Geschäfte des täglichen Lebens wirksam schließen kann. Anderenfalls wären ja volljährige Geschäftsunfähige gar nicht in der Lage, ihren täglichen Lebensmitteleinkauf zu besorgen.
Geschäftsfähig oder nicht?
Das Gesetz bestimmt nicht genau, wann jemand geschäftsunfähig ist und welche Kriterien hierzu gegeben sein müssen. Vielmehr lässt das Gesetz dieses bewusst offen. Denn: Es soll jeweils im konkreten Einzelfall entschieden werden, ob jemand noch wirksam seine rechtlichen Angelegenheiten ausführen kann oder nicht mehr.
Vor Gericht landen häufig Fälle, weil die – meistens ausgeschlossenen – Erben meinen, dass der Verstorbene zum Zeitpunkt der Errichtung seines Testamentes nicht mehr geschäfts- bzw. testierfähig war. Die bestehende oder nicht bestehende Geschäftsfähigkeit ist dann häufig Gegenstand eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens. So soll geklärt werden, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentsabfassung noch geschäftsfähig war oder nicht.
Das bedeutet bei einer demenziellen Erkrankung, dass die Diagnose an sich noch überhaupt keine Auswirkungen hat auf eine ernstzunehmende fehlende Geschäftsfähigkeit. Vielmehr muss auch nach der Diagnose jeweils im Einzelfall geprüft und entschieden werden, ob eine Geschäftsfähigkeit vorliegt oder nicht.
Hinweis
Gerade im Hinblick auf Geschäfte des täglichen Bedarfes ist in jedem Falle davon auszugehen, dass der demenziell Erkrankte diese stets wirksam tätigen kann.
Eine Geschäftsfähigkeit kann übrigens auch Schwankungen unterliegen, z. B. durch Einnahme von Medikamenten oder Alkoholika.
Sie können hieran gut die Struktur des Gesetzes erkennen: Einem Menschen ist solange wie möglich die Geschäftsfähigkeit zuzubilligen. Es bleibt in der Einzelfallbewertung immer schwierig und kann auch zu falschen Ergebnissen führen.
Es ist auch für Juristen durchaus anspruchsvoll, wenn eine demenziell erkrankte ältere Dame erklärt, sie wolle nun einen neuen Fernseher kaufen. Hier zu argumentieren, die Dame wisse nicht mehr, wovon sie spreche und könne die Folgen eines solchen Rechtsgeschäftes nicht überblicken, fällt schwer.
Wird bei einem Menschen eine demenzielle Erkrankung diagnostiziert, stellt sich für Juristen (und Angehörige, Freunde und Nahestehende) immer die Frage: Welche rechtlichen Angelegenheiten kann der Betroffene noch selbst regeln?
Ich hatte ja bereits klar gestellt, wie das Gesetz solche Fälle beurteilt und dabei deutlich gemacht, dass das Gesetz sich hier ein wenig zurückhält.
Hinweis
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) begreift sich eher als Schutzeinrichtung für Menschen, die ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Es erklärt daher sämtliche Rechtshandlungen (außer Besorgungen des täglichen Bedarfes) für rechtsunwirksam.
Die Konsequenz einer Geschäftsunfähigkeit durch Krankheit ist, dass der Betroffene selbst nicht mehr über sein Vermögen, seine Immobilien oder größere Anschaffungen entscheiden kann. Das Gesetz behilft sich hier mit dem Betreuungsrecht. Dieses ist ebenfalls im BGB geregelt (§§ 1896 ff BGB), welches in den 90er Jahren die sogenannte »Entmündigung« abschaffte. Hier muss wohl tatsächlich gesagt werden: »Gott sei Dank abschaffte«. Stattdessen gibt es seither die »gesetzliche Betreuung«.
Das moderne Betreuungsrecht soll demjenigen, der Schwierigkeiten hat, rechtlich relevante Entscheidungen zu treffen oder dies gar nicht mehr kann, zur Seite stehen. Deshalb wurde das Betreuungsrecht so aufgebaut,
• dass der Betroffene weitestgehend mitwirken kann;
• dass viele Entscheidungen unter dem Vorbehalt stehen, dass ein Richter zustimmt, und
• dass die Betreuung zunächst durch nahestehende Personen ausgeübt werden soll.
Außerdem wurde das Recht so strukturiert, dass eine gewisse Abstufung möglich ist. Das Gericht kann für verschiedene »Aufgabenkreise« (Gesundheit, Aufenthalt, Behörden, Finanzen) die Betreuung bestimmen. Der Richter sucht deshalb die geeignete Person aus, die eine Betreuung ausüben sollte. Das Gericht bestimmt auch, in welchem Umfang eine Betreuung stattfinden soll.
Hinweis
Das Betreuungsgericht überwacht die ordnungsgemäße Durchführung der Betreuung. Es kann im Zweifelsfall auch den Betreuer ablösen oder seine Aufgabenkreise beschränken.
So soll sichergestellt werden, dass der Betroffene bestmöglich rechtlich betreut wird und sämtliche Probleme in seinem Sinne gelöst werden. Selbstverständlich ist die Betreuung immer den individuellen Erfordernissen anzupassen.
Ein Mensch, der nach einer Hirntumoroperation erhebliche Schwierigkeiten mit Zahlen hat und deshalb seine Finanzen nicht mehr regeln kann, braucht eine andere Art der Betreuung, als jemand, der nach einem schweren Verkehrsunfall im Wachkoma liegt. Genau hier setzt das Betreuungsrecht an: an der Individualität der Menschen und an der verschiedenartigen Hilfeanforderung.
Betreuung
Betreuung heißt also, das Gesetz – hier in Gestalt des Betreuungsrichters – stellt dem Betroffenen eine rechtliche Unterstützung und Hilfe zur Seite. Aber nur für die Fälle, in denen der Betroffene diese Angelegenheit nicht mehr selbst regeln kann.
Hierbei gilt der Grundsatz, dass die Betreuung grundsätzlich den Willen des Betreuten respektieren soll. Allerdings steht das Wohl des Betreuten noch darüber. Somit darf der Betreuer auch Entscheidungen treffen, die nicht dem Willen des Betreuten entsprechen, jedoch in seinem Sinne sind. Probleme können hier gerade bei schwer psychisch erkrankten Personen oder Suchtkranken auftreten.
Fazit
Eine gesetzliche Betreuung ist keine Bedrohung. Sie bietet im Gegensatz auch Hilfen, ohne die ein erkrankter Mensch vollkommen hilflos wäre.
Eine andere Möglichkeit für jemanden zu handeln, der dazu selbst nicht mehr in der Lage ist, ist die Vorsorgevollmacht. Diese Form der Vorsorge sieht so aus, dass der noch Geschäftsfähige in gesunden Zeiten überlegt, wer ihn für den Fall vertreten soll, dass er selbst es nicht mehr kann. In den häufigsten Fällen wird hierbei eine nahestehende Person ausgesucht und diese hierzu auch befragt.
Erklärt sich diese Person bereit, im Falle einer Geschäftsunfähigkeit oder anderer gesundheitlicher Schwierigkeiten für den Betroffenen zu handeln, kann eine Vorsorgevollmacht schriftlich verfasst werden und verwahrt werden.
Für den Fall der Fälle vorsorgen
Die Vorsorgevollmacht wird erst dann wirksam, wenn die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers eingeschränkt ist oder gänzlich fehlt. Erst dann kann der Bevollmächtigte für den Vollmachtgeber handeln.
Das bedeutet jedoch auch, dass diese Vollmacht solange nicht wirksam ist, wie derjenige, der sie ausgestellt hat, noch geschäftsfähig ist. Die Vorsorgevollmacht steht also unter einer sogenannten Bedingung: Sie soll erst wirksam werden, wenn der Fall (Krankheit, Geschäftsunfähigkeit etc.) eingetreten...