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E-Book

Denken lernen

Entscheiden, urteilen, Probleme lösen, ohne in die üblichen Denkfallen zu tappen

AutorCarl Naughton
VerlagGabal Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl350 Seiten
ISBN9783956233517
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Während Sie denken, dass Sie denken, denkt Ihr Gehirn, was es will. Es nutzt bekannte Denkmuster und manövriert Sie mit besorgniserregender Zuverlässigkeit in Denkfallen. Nur wenn Sie wissen, wie Ihr Autopilot im Kopf funktioniert, und nur wenn Sie die Denkfallen kennen, können Sie besser denken. Es gibt nur drei Dinge, die Sie tun können: wissen, wie der Autopilot im Kopf funktioniert, bekannte Denkfallen kennen und die richtigen Denktools nutzen. Dieses Buch bietet Ihnen alles drei - fundiert, unterhaltsam und spielerisch. Ein spannendes Sachbuch und Denktraining, prall gefüllt mit Beispielen und Lösungen für besseres Denken. Wissenschaft zum Anfassen und Anschauen und in unseren Denkalltag transferiert. Nur denken müssen wir dann noch selbst. ;-) Die erweiterte 3. Auflage integriert neueste Forschungsergebnisse und stellt neue Denktools zur Verfügung.

Dr. Carl Naughton ist promovierter Linguist und war Dozent im Bereich pädagogische Psychologie. Er zeigt, wo unser Denken sich verselbstständigt und was wir dagegen tun können. Dabei verbindet er aktuellste wissenschaftliche Erkenntnisse mit Praxisbeispielen aus Wirtschaft und Alltag und bietet vielfache Lösungsansätze.

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Leseprobe

Männer machen es und Frauen auch, aber anders!


Nicken Sie, wenn Ihnen diese Geschichte bekannt vorkommt: Meine Frau bat mich vor einiger Zeit, Mehl zu kaufen. Wir hatten keins mehr und der Kindergeburtstag stand vor der Tür. Die Muffins mussten gebacken werden. Also ging ich Mehl kaufen. Das richtige. Mit der richtigen Nummer und der richtigen Packungsgröße. Als ich nach Hause kam, schaute meine Frau mich fragend an. Ich wusste nicht so recht, was sie wollte. Sie auch nicht. Aber irgendwie hatte sie wohl mit einem anderen Ergebnis gerechnet. Nun wurden ja über die Missverständnisse zwischen Mann und Frau schon so viele Bücher geschrieben, dass jeder gesunde Baum den Lebensmut verliert, aber das war für mich neu. Ich tue das, worum meine Frau mich bittet, und dann so was. Also habe ich einen Blick in die Forschung gewagt. Das heißt in diesem Fall: in die Neurowissenschaften der sexuellen Unterschiede. Die untersucht die unterschiedliche Entwicklung, Vernetzung und Benutzung der Hirne bei Männern und Frauen. Und sie belegt in einer aktuellen Studie, was wir alle schon immer geahnt haben: Frauen denken und Männer auch, nur anders. Im Dezember 2013 veröffentlichte die Radiologin Ragini Verma die aktuellste Studie dazu. Ragini Verma ist Professorin für Radiologie an der University of Pennsylvania. Sie belegt mit ihren Kollegen, dass Frauen, wenn sie gebeten werden, etwas zu tun, andere Teile des Gehirns nutzen als Männer. Die strengen in einer vergleichbaren Situation eher einseitig das Hirn an – sie nutzen in der Tat nur eine Seite des Gehirns. 949 Menschen zwischen acht und 22 Jahren wurden von den Forschern untersucht. Das Ergebnis: Männer lösen das Problem direkt, Frauen hingegen aktivieren offenbar Bereiche, die mit Schlussfolgern und Sensibilität beim Lösen des Problems zu tun haben. Sie nehmen den weniger direkten Weg zur Lösung.

Ich also kaufe Mehl. Wenn meine Frau Mehl kauft, kommt sie mit dem gesamten Einkauf für die nächste Woche wieder und vergisst auch nicht das neue Shampoo und das Bier für den Fußballabend, zu dem wir die Nachbarn eingeladen haben. Das sind die Unterschiede unserer Gehirne beim Einkauf im Supermarkt. Das also wollte meine Frau mir mit ihrem Blick sagen. Doch wie kommt es zu diesen Unterschieden und wozu führen die im Denkalltag?

Die Denkunterschiede zwischen Männern und Frauen beginnen schon bei den biologischen, biochemischen und strukturellen Voraussetzungen. Fangen wir am Anfang an: im kuscheligen Bauch der Frau Mama. Schon in dieser frühen Entwicklungsstufe im Mutterleib beginnt das Wettrüsten zwischen den (denkenden) Geschlechtern. Die Hirne der Ladys entwickeln sich schneller als die der Herren. Mädchen habituieren schneller, reagieren schneller auf andere Schreihälse und schauen im Babyalter länger auf Gesichter. Und was macht der Herr der Windel? Der schaut tatsächlich schon in jüngsten Jahren eher auf Autos als auf Gesichter und hängt auch sonst den Babydamen etwas hinterher. Doch die fast schon klischeebestätigenden Unterschiede beginnen erst in den Folgewochen, ihre volle Wirkung zu entfalten.

Die Anatomie im sich entwickelnden babyhaften Damenschädel bringt es an den Tag: Die Hirnrinde ist dicker als die des Babyherrn und verfügt über mehr Windungen. Ferner weist sie eine dichtere Vernetzung in den kognitiven und limbischen Teilen auf, in den Bereichen, mit denen sie später denken und fühlen. Und das gilt auch schon für die Bereiche der Sprachzentren, die im linken Schläfenlappen liegen. Auch der Hirnteil, der die beiden Hälften verbindet und für den wichtigen Austausch zwischen ihnen sorgt, ist dichter vernetzt. Die Herren können nicht einmal mit zwei gleich stark vernetzten Hemisphären aufwarten. Auch sind diese Hemisphären bei Männern mitunter stark asymmetrisch. Integriertes Denken ist also schon so früh Fehlanzeige bei den Jungs. Da haben sie schon in jungen Jahren einiges aufzuholen. Und doch haben auch die Herren ein Spezialgebiet, auf dem sie in so jungen Jahren besser abschneiden als die Gehirnbesitzerinnen: Die Amygdala funktioniert besser. Die Amygdala ist zentraler Aspekt der emotionalen Informationsverarbeitung und springt bei emotionalen Reaktionen wie Angst an. Während viele Forschungsergebnisse die weitverbreitete Meinung stützen, dass Frauen im Leben mitfühlender und offener für emotionale Reize sind, könnte die frühkindliche Ausprägung in der Tat zu einer prekären Schlussfolgerung führen: Männer können mehr Gefühle zeigen, trauen sich aber schon als Babys nicht?

Nun sind ja »Gefühle haben« und »Gefühle zeigen« sowieso zwei Paar Schuhe. Und dass Männer sie also haben, und zwar schon im Babyalter, lässt hoffen. Was aber den Damen wiederum in die Wiege gelegt ist und sich mit zunehmendem Alter immer weiter ausprägt, sind die größeren Sprachzentren. Das sind hauptsächlich die Broca- und Wernicke-Areale. In der Forschungsgeschichte werden sie vor allem mit der Sprachverarbeitung in Verbindung gebracht (vgl. Abb. 12).

Abb. 12: Broca, motorisches Sprachzentrum für Grammatik, und Wernicke, sensorisches Sprachzentrum für den Sinn eines Satzes

Das weibliche Sprachzentrum kann später bis zu 20 Prozent größer sein als das männliche. Weiterhin scheint es so, dass Frauen beim Reden beide Hemisphären nutzen, Männer vorwiegend die linke Hälfte. Eindeutig widerlegt wurde inzwischen, dass Frauen so viel mehr reden als Männer. James Pennebaker und Kollegen wiesen das 2007 nach. In ihrem Versuch trugen die Probanden kleine Aufnahmegeräte mit sich, die sich im Versuchszeitraum von bis zu zehn Tagen automatisch an- und abschalteten und so alle 12,5 Minuten für 30 Sekunden alles aufnahmen. Die Ergebnisse sind eindeutig: Frauen reden demnach pro Tag ca. 16.215, Männer 15.669 Wörter. Das ergibt eine Differenz von sage und schreibe 546 Wörtern (Chung/ Pennebaker 2007). Schluss mit dem Mythos »Quasselstrippe versus stoischer Schweiger«!

Ein weiterer Mythos, der in diesem Zusammenhang entlarvt werden muss, ist der Glaube »Mehr hilft mehr«. Männer haben im Schnitt 100 Gramm mehr Masse zwischen den Ohren. Und dieser Unterschied besteht auch, wenn die unterschiedliche Körpergröße von Männern und Frauen berücksichtigt wird. Ergibt Masse also Klasse? Der genauere Blick auf den Neokortex könnte das klären. Dort verfügen Männer über ca. 22,8 Milliarden Neuronen, Frauen bieten ca. 19,3 Milliarden auf. Und das zeigt sich hauptsächlich im Stirnhirn. Hat das Konsequenzen für die Qualität des Outputs? Jill Goldstein ging dieser Annahme zusammen mit einigen Kollegen 2005 auf den Grund. Sie testete das Arbeitsgedächtnis von Männern und Frauen, während diese im Hirnscanner lagen. Und in der Tat zeigte sich bei den Frauen eine andere Form der Aktivierung. Bei ihnen arbeiteten Bereiche intensiver im mittleren, inferioren und orbitalen präfrontalen Kortex. Clifton Bell und Kollegen legten 2006 nach. Auch sie zeigten, dass Männer und Frauen, wenn sie Denkaufgaben bewältigen, signifikant andere Aktivierungsmuster im präfrontalen Kortex aufweisen. Die Frage ist nun natürlich: Wie schlägt sich das im Denkalltag der Geschlechter nieder?

Allerdings lässt sich eines klar erforschen: Es gibt geschlechterbedingt unterschiedliche kognitive Vorlieben. Diese haben ihren Ausgangspunkt in der unterschiedlichen neuronalen Verarbeitung. Gemäß den Ausprägungen der Sprachareale ist es in der Tat so, dass Frauen immer dann beim Problemlösen punkten können, wenn die Aufgaben den Einsatz sprachlicher Fähigkeiten erfordern. Männer gehen nur in Führung, wenn es mehr um das räumliche Vorstellungsvermögen bei der Lösung von Aufgaben und Problemen geht. Erneut belegt haben das Studien zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in denen die Teilnehmer vor ihrem geistigen Auge Objekte mental rotieren mussten (Hausmann et al. 2000). Als mentale Rotation bezeichnet die Forschung die Fähigkeit, zwei- oder dreidimensionale Objekte im Geist zu drehen. In der Regel brauchen Menschen mehrere Sekunden für das mentale Drehen von Objekten. Abhängig ist das von der Stärke der Verdrehungen. Die Objekte beim Test von Hausmann ähnelten denen, die Sie in Abb. 13 sehen. Die Aufgabe: mental testen, ob die beiden Objekte übereinstimmen.

Abb. 13: Mentales Drehen von Objekten (Nachbau der Originalaufgaben von Shepard)

Allerdings holen auch in der Visualisierungsfähigkeit die Frauen in ihrem Können auf, wenn sie sich in der Phase nach ihrem Eisprung befinden. Wahrscheinlicher Grund ist eine veränderte Hormonzusammensetzung zu diesen Zeitpunkten. Frauen weisen in solchen Phasen mehr Testosteron und weniger Östradiol auf. Das Verhältnis dieser beiden Hormone ist eng verbunden mit der Fähigkeit, die visuell-räumliche Vorstellungskraft einzusetzen. Und das gilt auch für den männlichen Hormonhaushalt. Die Forscher Doreen Kimura und Elizabeth Hampson von der Universität Western Ontario konnten 1994 belegen, dass Männer im Frühjahr sichtbar besser bei solchen Tests abschneiden als zu allen anderen Jahreszeiten. Das hängt wiederum mit einem geringeren Testosteronanteil zusammen, der im Frühling deutlich geringer ist als z.B. im Herbst.

Grundsätzlich belegen viele Studien: Je komplexer Denkanforderungen werden, desto stärker beanspruchen beide Geschlechter ihren Denkmuskel. Das lässt sich an entsprechenden Hirnscans wunderbar zeigen. Bei den Damen wird der linke Bereich des Hirns stärker durchblutet, in dem wichtige Prozesse der Detailverarbeitung verortet werden. Bei den Herren steigt die Durchblutung rechtsseitig, was den Schluss nahelegt, dass sie ganzheitlicher, integrierender denken. Auch hierzu wurde ein mentaler...

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