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Grundlagen des Steuerstraf- und Verjährungsrechts
Wenn man in die falsche Richtung läuft, hat es keinen Sinn, das Tempo zu erhöhen.
Birgit Breuel Dt. Politikerin, 1937
2.1 Steuerhinterziehung und leichtfertige Steuerverkürzung
2.1.1
Allgemeines | Der deutsche Steuergesetzgeber knüpft die Abgabepflichten eines in Deutschland wohnhaften Kapitalanlegers an dessen Wohnsitz. § 1 Abs. 1 des deutschen Einkommensteuergesetzes lautet, dass »natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben«, unbeschränkt steuerpflichtig sind. Die unbeschränkte Steuerpflicht richtet sich nach dem so genannten Welteinkommensprinzip. Besteuerungsobjekt ist also das »Welteinkommen« eines in Deutschland Ansässigen. Hierzu gehören auch Kapitalerträge aus Namens- oder Nummernkonten in anderen Anlageländern wie etwa Österreich oder der Schweiz. Hat ein Steuerpflichtiger solche Kapitaleinkünfte bislang bewusst verschwiegen, so hat er den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht sowie die Behörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen. Hier knüpft der Straftatbestand der Steuerhinterziehung an. Wurden hingegen ausländische Kapitaleinkünfte grundsätzlich erklärt, in einzelnen Fällen aber vergessen und wurden diese nach Kenntnis darüber unverzüglich nacherklärt, liegt im Regelfall nur eine leichtfertige Steuerverkürzung vor.
2.1.2
Folgen bei Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung | Die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und leichtfertiger Steuerverkürzung ist in der Praxis von großer Bedeutung. Während der Steuerpflichtige bei einer Steuerhinterziehung vorsätzlich handelt – wobei der Vorsatz von den Finanzbehörden stets nachzuweisen ist –, wird eine Steuerordnungswidrigkeit hingegen als fahrlässig eingestuft. Bei Vorliegen einer nur leichtfertigen Steuerverkürzung kommt es nicht
- zu einer »langen« zehnjährigen Festsetzungsverjährung, sondern nur zu einer von fünf Jahren,
- zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen (Allerdings sind Steuernachforderungen im Rahmen des Besteuerungsverfahrens mit identischem Zinslauf und Zinssatz zu verzinsen) und
- zu einer Vorstrafe des Kontoinhabers.
2.1.3
Steuerhinterziehung als Begehungs- oder Unterlassungsdelikt | Steuerhinterziehung begeht der Steuerpflichtige aus juristischer Sicht entweder durch »aktives Tun« als Begehungsdelikt oder durch »Unterlassen« als Unterlassungsdelikt. Steuerhinterziehung gilt als Begehungsdelikt, wenn gegenüber den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden. Hierzu zählen etwa unrichtige oder unvollständige Angaben über ein im Ausland angelegtes Vermögen und/oder entsprechende Erträge daraus. Unrichtig ist eine Angabe, wenn sie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Unvollständig sind Angaben, bei denen etwas fehlt, sprich konkrete Angaben über die Einkünfte aus einem Auslandskonto. Steuerhinterziehung gilt als Unterlassungsdelikt, wenn die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden. Pflichtwidrig ist das Unterlassen dabei nur, wenn der Steuerpflichtige eine Erklärungspflicht gehabt hätte. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um steuerpflichtige Kapitaleinkünfte aus Auslandskonten bzw. -depots gehandelt hat.
2.1.4
Steuerhinterziehung als Vorsatztat | Beim Straftatbestand der Steuerhinterziehung handelt es sich um eine Vorsatztat. Voraussetzung für die Begehung einer solchen ist, dass der Steuerpflichtige seine ausländischen Kapitalerträge vorsätzlich verkürzt hat bzw. unter Vorsatz gehandelt hat. Vorsatz erfordert stets den Willen, den Straftatbestand in Kenntnis aller seiner Tatmerkmale zu erfüllen. Dazu gehört das Wissen, dass durch das pflichtwidrige Unterlassen der Steueranspruch beeinträchtigt wird. Nach ständiger Rechtssprechung des deutschen Bundesfinanzhofs ist ein Hinterziehungsvorsatz nur vollständig, wenn der Steuerpflichtige die im Einzelfall in Betracht kommende steuergesetzliche Pflicht nach Grund, Umfang und Fälligkeit kennt und ihr zuwider die Steuer vorenthalten will. Im Gegensatz handelt ohne Vorsatz, wer die objektiven Umstände des Tatbestandes nicht erkennt oder falsch einschätzt. Das Vorliegen eines Vorsatzes muss von den Finanzbehörden nachgewiesen werden. Dies gelingt erfahrungsgemäß in den seltensten Fällen. Entsprechende Verfahren werden daher in der Regel als leichtfertige Steuerverkürzungen eingestuft. Steuerpflichtige, die allerdings über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg Auslandskonten unterhalten und daraus Kapitaleinkünfte erzielen, ohne diese regelmäßig zu erklären, dürfen sich kaum darauf berufen können, sie hätten diese Tatsachen nicht erkannt oder falsch eingeschätzt. In solchen Fällen sollten Betroffene über eine Richtigstellungserklärung nachdenken! Die Wege zurück in die Steuerehrlichkeit sind oft weniger »steinig« als dies in vielen Fällen angenommen wird.
2.2 Strafverfolgungs- und Festsetzungsverjährung
2.2.1
Regelverjährungsfristen bei Steuerhinterziehung und leichtfertiger Steuerverkürzung | Für den Straftatbestand der Steuerhinterziehung gilt in der Regel eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, bei besonders schwerer Steuerhinterziehung von zehn Jahren. Sie beginnt mit Bekanntgabe des unrichtigen und unvollständigen Steuerbescheids, also des Steuerbescheids, der die Einkünfte aus ausländischen Kapitalvermögen nicht enthält. Damit ist der Beginn der strafrechtlichen Verjährungsfrist an die Tatvollendung geknüpft, die dann eingetreten ist, wenn der Steuerbescheid dem Steuerpflichtigen zugestellt ist. Die fünfjährige Strafverjährungsfrist verhindert, dass Steuerstraftaten über diesen Zeitraum hinaus strafrechtlich verfolgt werden können und entlastet den Steuerpflichtigen bei der Aufbereitung der Unterlagen für eine entsprechende Richtigstellungserklärung. Kann der Steuersäumige für mindestens fünf zurückliegende Jahre die notwendigen Unterlagen und Einkommensnachweise bzw. Erträgnisaufstellungen zur Berechnung der nachzuerklärenden Einkünfte aufbringen, erlangt er durch die Abgabe einer solchen Erklärung jedenfalls Straffreiheit.
Die fünfjährige Strafverjährungsfrist hindert die Steuerbehörden aber nicht, hinterzogene Steuern im Besteuerungsverfahren bis zu zehn Jahre zurück nachzuerheben, da hier die sogenannte Festsetzungsverjährung zum Tragen kommt. Diese beträgt in den Fällen der Steuerhinterziehung zehn Jahre und beginnt im Unterschied zur Strafverfolgungsverjährung nicht mit Bekanntgabe des unrichtigen oder unvollständigen Steuerbescheides, sondern frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, bzw. im Regelfall mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht wird. Letzteres wird im Regelfall das Folgejahr sein. Wann also die Regelfestsetzungsverjährung beginnt, hängt einerseits von der jeweiligen Steuer ab, die von der Hinterziehungshandlung betroffen ist. Neben der Einkommensteuer können beispielsweise auch Umsatz-, Gewerbe-, Erbschaft- und / oder Schenkungsteuer hinterzogen worden sein. Hier greifen unterschiedliche Verjährungs-
fristen. Andererseits hängt der Beginn der Regelfestsetzungsverjährung von der Abgabe der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen ab. Wurde in der Vergangenheit keine Steuererklärung abgegeben, etwa aus der Überlegung heraus, wenn man nichts erklären würde, müssten auch die ausländischen Kapitaleinkünfte nicht offen gelegt werden – ein übrigens fataler Denkfehler –, beginnt die Festsetzungsverjährungsfrist erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
Verjährungsfristen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren
Einkommensteuer auf Kapitalerträge entsteht beispielsweise mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraumes, Einkommensteuer für 2010 also mit Ablauf des Jahres 2010. Gibt der Steuerpflichtige seine Steuererklärung in 2011 ab, beginnt die Festsetzungsverjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2011. Die für Einkünfte aus 2010 begangene Steuerhinterziehung wäre dann mit Ablauf des Jahres 2021 verjährt. Verzichtet der Steuerpflichtige auf eine Steuererklärung, weil er z.B. als Rentner dazu nicht verpflichtet ist, beginnt die Festsetzungsverjährungsfrist erst am 31.12.2013 zu laufen. Das Finanzamt kann damit die in 2010 nicht erklärten ausländischen Kapitaleinkünfte bis Ende 2023 nachversteuern. Der spätere Beginn der Festsetzungsverjährung und damit ihr späteres Ende werden sowohl von...