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Der Einfluss der Familie auf das Schulschwänzen

Theoretische und empirische Analysen unter Anwendung der Theorien abweichenden Verhaltens

AutorImke Dunkake
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl311 Seiten
ISBN9783531922980
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis42,25 EUR
Ob Pippi Langstrumpf, Tom Sawyer oder Emils Detektive, schulschwänzende Kinder und Jugendliche sind in der klassischen Literatur oft Abenteurer, die durch ihre Taten und Erlebnisse den Leser zum Schmunzeln bringen. Was im 18. und 19. Jahrhundert noch humoristisch beschrieben wurde, hat Anfang des 21. Jahrhunderts einen anderen Tenor. Schulschwänzen wird zum Medienere- nis. So schreibt der Kölner Stadtanzeiger 'Alles ging den Bach runter - Kinder schwänzen zunehmend die Schule' (Ksta 15. 07. 2002), die Süddeutsche Zeitung titelt 'Schulsport Blaumachen' (Süddeutsche Zeitung 15. 02. 2000), und dem WDR zufolge liegt das 'Schwänzen im Trend' (WDR 22. 02. 2002), Spiegel Online betont 'Schwänzer sind Störenfriede' (Spiegel 22. 02. 2002) und der Fokus warnt 'Schulschwänzer riskieren Lehrstelle' (Fokus 13. 05. 2007). Trotz der Tatsache, dass in vielen Medienberichten von einer Zunahme des Sch- schwänzens berichtet wird, ist unklar, ob diese Aussage zutrifft oder nicht, denn letztlich fehlen repräsentative Daten, die eine solche Darstellung zulassen w- den. Auch die relativ abgesicherten Kenntnisse über eine Zunahme der Anz- gen und Bußgeldbescheide (Bundesministerien des Innern und der Justiz 2001: 1 557 oder Bezirksregierung Düsseldorf 2001) sagen nichts über die Entwicklung des Schulschwänzens aus, da auch angenommen werden kann, dass sich nur das Anzeigenverhalten verändert hat, nicht aber das eigentliche Schwänzen. Ferner hängt die Zahl der Bußgeldbescheide auch von behördeninternen Regelungen ab, die sich auf die Meldepraxis der Schulen auswirken können, ohne dass sich die Verbreitung des Schulschwänzens verändert haben muss.

Dr. Imke Dunkake ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut für Soziologie an der Universität zu Köln.

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Leseprobe
6 Die Kontrolltheorie nach Sampson und Laub (S. 121-122)

Das vorliegende Kapitel beginnt mit einer theoretischen Erörterung der sozialen Kontrolltheorie Sampson und Laubs (1993, Kap. 6.1). Hieran knüpft die Beschreibung des verwendeten Datensatze – der „MPI-Schulbefragung 1999“ – an (Kapitel 6.2), gefolgt von der Darstellung des methodischen Vorgehens (Kapitel 6.3) und den Operationalisierungen der abhängigen und unabhängigen Variablen (Kapitel 6.4 bis 6.8). In Kapitel 6.9 folgen die bivariaten und multivariaten Ergebnisse. In Anlehnung an Sampson und Laub (1993) wird das Modell um die Komponenten „Einfluss der Peers und der Schule“ erweitert. Die Ergebnisse werden in Kapitel 6.10 diskutiert.

6.1 Theoretische Grundlagen der Kontrolltheorie

Die Forschungsliteratur, insbesondere die angloamerikanische, weist eine Vielzahl von Publikationen auf, in denen sowohl familiale Strukturmerkmale, wie z.B. die Familienkonstellation oder die Familiengröße, als auch innerfamiliale Komponenten, wie die Kommunikationsstrukturen oder das Interesse der Eltern am Kind, untersucht wurden.

Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass familiale Effekte dabei je nach der Art des delinquenten Verhaltens durchaus variieren können (z.B. Nye 1958, Rankin 1983). Charakteristisch für das Forschungsfeld zum abweichenden Verhalten von Jugendlichen war lange Zeit die getrennte Betrachtung der Wirkung familialer Strukturmerkmale und innerfamilialer Komponenten (Lösel und Linz 1975, Rosen 1985).

Mit den Worten Rosens löste sich die „structure versus function controversy“ (1985: 553) Mitte der 1950er Jahre langsam auf, da durch die Arbeiten von Glueck und Glueck (1950) sowie Nye (1958) nachgewiesen werden konnte, dass es zwischen beiden Merkmalsgruppen relevante Zusammenhänge gibt. Es waren insbesondere Vertreter der Kontrolltheorie, die der Frage nachgingen, welchen Einfluss die Familie auf die Delinquenzentwicklung hat und wie verschiedene familiale Merkmale miteinander zusammenhängen.

Das starke Interesse an der Familie resultiert aus der kontrolltheoretischen Annahme, dass die Bindung zu primären Bezugspersonen – wie den Familienmitgliedern – eine entscheidende Rolle für die Ausbildung konformer oder abweichender Normen und Werte spielt. Von den Kontrolltheoretikern war es neben Reiss (1951) und Nye (1958)81 vor allem Hirschi (1969), der nachdrücklich auf den Einfluss der Familie verwies und sie als zentrale Kontrollinstanz in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung6
Inhaltsverzeichnis7
Abbildungsverzeichnis10
Tabellenverzeichnis13
1 Einleitung15
2 Schulpflicht, Absentismusforschung und Schulschwänzen als abweichendes Verhalten1023
2.1 Die historische Entwicklung der Schulpflicht23
2.2 Die Entwicklung der Absentismusforschung28
2.3 Definition „Schulschwänzen“32
2.4 Schulschwänzen als Form abweichenden Verhaltens38
2.5 Abweichendes Verhalten in der Jugendphase41
3 Die Familie: Definition und Funktion44
3.1 Definition „Familie“44
3.2 Familiale Funktionen: Ihre Wurzeln und ihre Entwicklung46
3.2.1 Die Sozialisation50
3.2.2 Die soziale Platzierung53
3.2.3 Der emotionale Spannungsausgleich54
3.2.4 Die Familie und ihre „Restfunktion“56
4 Stand der Forschung: Eine Zusammenfassung der gebnisse quantitativer Studien zum Einfluss familialer Faktoren auf das Schulschwänzen60
4.1 Familiale Strukturmerkmale64
4.1.1 Geschwisteranzahl64
4.1.2 Familienstruktur68
4.1.3 Sozioökonomischer Status der Herkunftsfamilie71
4.1.4 Stadtviertel, Schulen und Wohnsituation77
4.1.5 Migration79
4.2 Kulturelles und soziales Kapital83
4.3 Innerfamiliale Merkmale88
4.4 Abweichendes Verhalten der Familienmitglieder und andere Einflussfaktoren94
4.5 Zusammenfassung des Forschungsstandes95
5 Theoretische Grundlagen: Eine Synthese der Theorien abweichenden Verhaltens und familiensoziologischer98
5.1 Die Familie im Spiegel der Theorien abweichenden Verhaltens98
5.1.1 Anomietheorie100
5.1.2 Sozialökologische Kontexteffekte101
5.1.3 Etikettierungsansatz103
5.1.4 Lerntheorie104
5.1.5 (Soziale) Kontrolltheorie105
5.1.6 (Psychologische) Kontrolltheorie106
5.2 Abweichendes Verhalten im Kontext der Familienforschung109
5.3 Konzepte theoretischer Integration111
5.3.1 Integration theoretischer Konzepte (conceptual integration)112
5.3.2 Integration theoretischer Aussagen112
5.4 Integrative Modelle für die Erklärung des familialen Einflusses auf das Schulschwänzen115
6 Die Kontrolltheorie nach Sampson und Laub117
6.1 Theoretische Grundlagen der Kontrolltheorie80117
Trennung der Eltern und Tod eines Elternteils123
Sozioökonomischer Status125
Kinderzahl126
Migrationshintergrund127
Wohnortwechsel128
Berufstätigkeit der Mutter129
6.2 Stichprobenbeschreibung132
6.3 Fehlende Werte134
6.4 Auswertungsstrategien und statistische Analysemethoden138
1. Messmodelle und konfirmatorische Faktorenanalyse139
2. Strukturmodell142
6.5 Operationalisierung des häufigen Schulschwänzens147
6.6 Operationalisierung familialer Strukturmerkmale153
6.7 Operationalisierung familialer Bindungsfaktoren154
6.8 Prüfung der Messmodelle160
6.9 Bivariate und multivariate Ergebnisse162
6.9.1 Bivariate Ergebnisse: Familiale Strukturmerkmale, innerfamiliale Merkmale und häufiges Schulschwänzen162
6.9.2 Multivariate Ergebnisse168
6.10 Erweiterung des Modells um den Einfluss der Peers und der Schule178
6.11 Operationalisierung der Anbindung an deviante Peers und der Anbindung an die Schule180
6.12 Diskussion196
7 Anomietheorie144200
7.1 Erweiterung der Anomietheorie um eine Handlungstheorie206
7.2 Ergänzung der Anomietheorie auf der Mesoebene208
7.2.1 Schlechte Schulleistungen als Resultat eines geringen kulturellen Kapitals209
7.2.2 Schlechte Schulleistungen als Resultat eines geringen sozialen Kapitals211
7.3 Stichprobenbeschreibung der PISA-Studie 2000217
1) Erweiterung der Stichprobe auf nationaler Ebene218
2) Inhaltliche Ergänzungen219
7.4 Fehlende Werte220
7.5 Operationalisierung der abhängigen Variablen221
7.6 Operationalisierung der unabhängigen Variablen223
Sozioökonomischer Status und Kontrollmerkmale223
Soziales Kapital224
7.6.1 Erziehungsstile als Merkmal der elterlichen Kontrolle228
7.6.2 Die Clusteranalyse als Verfahren der Ermittlung verschiedener Erziehungsstile230
Kulturelles Kapital233
Schulleistungen239
Alternativen zum Schulbesuch239
7.7 Konfirmatorische Faktorenanalyse: Die Darstellung der Messmodelle240
7.8 Ergebnisse244
7.8.1 Bivariate Ergebnisse: Die Beziehungen des SES und der Kontrollvariablen zu den Merkmalen des sozialen und kulturellen Kapitals245
7.8.2 Bivariate Ergebnisse: Direkte Beziehungen des SES, des Sozial und Kulturkapitals zum häufigen Schulschwänzen250
7.8.3 Multivariate Analysen255
7.9 Diskussion273
8 Fazit und Ausblick280
Literatur287
Anhang309

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