Gruppendynamik: Einen Platz im Team finden
Wenn du schnell sein willst, dann gehe allein, wenn du weit kommen willst, dann gehe gemeinsam.
Afrikanisches Sprichwort
Wer sich in einer Besprechung vorstellt, nennt meist seine Abteilung oder sein Team. Ihre Abteilung oder Ihr Team sind in der Organisation der Ort, zu dem Sie gehören. Sie sind Ihre Heimat und Ihr emotionales Rückgrat. Welchen Platz Sie innerhalb des Teams einnehmen, hängt davon ab, wie Sie sich in das Team integrieren. Es findet ein gruppendynamischer Prozess statt, durch den Sie mit den anderen Teammitgliedern Ihre Position bestimmen. Wichtig dabei ist, dass Sie einen Platz finden, an dem Sie Ihre Kompetenz einbringen können und sich wohl fühlen.
In diesem Kapitel erhalten Sie Antworten auf die folgenden Fragen:
- Was ist ein Team?
- Wie finde ich meinen Platz?
- Wie nutze ich das Team für meine Entwicklung?
Über Teams und ihre Entwicklung
„Ein Team ist mehr als die Summe seiner Mitglieder.“ Dieser immer wieder gebrauchte Aphorismus bringt auf den Punkt, was Teamarbeit von einer Einzelleistung unterscheidet: Einzelleistungen sind das Ergebnis, das ein Mitarbeiter durch seine Kompetenz erzielt. Er kann dabei schnell arbeiten, weil er nicht auf andere angewiesen ist und alle Entscheidungen allein trifft. Allerdings ist das Ergebnis dann auch allein von seinen Fähigkeiten und seiner Kompetenz abhängig. Für die meisten Produkte und Dienstleistungen ist jedoch die Kompetenz von mehreren Mitarbeitern notwendig. Teamarbeit ist die Organisationsform, mit der diese Ergebnisse erzielt werden.
Eine Gruppe wird dann zu einem Team, wenn alle Teammitglieder gemeinsam an einer Lösung arbeiten, ohne dass die Teammitglieder miteinander konkurrieren.
Immer wieder zeigt sich, dass Teams Herausforderungen bewältigen können, die sie sich vorher kaum zugetraut hätten. Eine der eindrucksvollsten Teamübungen, die dies den Teilnehmern in Trainings vor Augen führt, ist der „Eierflieger“. Dabei werden kleine Teams gebildet, die die Aufgabe haben, mit einem Flipchart-Blatt, einigen Moderationskarten und Klebeband ein Fluggerät herzustellen, mit dem ein rohes Ei aus 6 m Höhe sicher zu Boden transportiert werden kann. Zu Beginn der Übung hat keiner der Teammitglieder eine Idee für eine Lösung, doch gelingt es den Teams in der Regel trotzdem, eine originelle Lösung zu finden. Was durch die Zusammenarbeit entsteht, ist mehr als das, was die Arbeitsergebnisse von Einzelpersonen zusammen ergeben würden.
Erfolgsfaktoren für Teamarbeit
Das Geheimnis erfolgreicher Teamarbeit liegt darin, dass jeder davon überzeugt ist, persönlich etwas im Team bewegen zu können. Dabei entwickelt jedes Team einen eigenen Arbeitsstil und gemeinsame Werte, die von gegenseitigem Respekt und Kooperationsbereitschaft geprägt sind. Alle im Team verfolgen ein gemeinsames Ziel, und jeder im Team trägt in seiner Rolle dazu bei, dass das Ziel erreicht wird. Das führt dazu, dass Teammitglieder hochmotiviert sind und Höchstleistungen vollbringen können. Durch diese Arbeitsweise identifiziert sich jeder mit dem Team. Es entsteht ein „Wir-Gefühl“ und der Einzelne ist stolz auf sein Team.
Doch nicht jede Abteilung und jedes Team in einer Organisation ist ein Team im eben beschriebenen Sinn. Oft arbeitet jedes Teammitglied an einem eigenen Thema. Dennoch gelten auch hier die Prinzipien der Teamarbeit. Denn jeder ist bei seiner Arbeit auf die Unterstützung der anderen angewiesen und alle Tätigkeiten müssen aufeinander abgestimmt sein. Das gelingt dann, wenn die Mitarbeiter nicht gegeneinander konkurrieren, sondern miteinander kooperieren, und wenn jeder nicht nur auf seine individuelle Leistung, sondern auch auf die Gesamtleistung der Abteilung stolz ist und sich für diese mitverantwortlich fühlt.
Jedes Team verhält sich anders, doch es gibt typische Muster, nach denen sich Teams entwickeln. Diesen Teamentwicklungsprozess hat Bruce Tuckman 1965 beschreiben. Nach seinem Modell entwickeln sich Teams in vier Phasen: Forming, Storming, Norming und Performing. Ein Team durchläuft diese Phasen nicht nur zu Beginn, sondern immer wieder, wenn ein neues Teammitglied hinzukommt, das die Rollen im Team verändert. In dem Moment, in dem Sie in das Team kommen, beginnt also ein Teamentwicklungsprozess, auch wenn das dem Team meist gar nicht bewusst ist. Der Teamentwicklungsprozess ist in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung 2: Bruce Tuckmans Modell zeigt, wie sich Teams entwickeln.
Die Teamentwicklung ist ein Lernprozess im Team, bei dem die Teammitglieder ihre Arbeitsform gestalten. Sie machen sich miteinander vertraut, erkämpfen sich ihren Platz in der Gruppe und geben sich Regeln. Erst am Ende seiner Entwicklung ist das Team arbeitsfähig.
Forming: Suche nach Akzeptanz und Orientierung
Nicht nur für Sie ist der Eintritt ins Unternehmen spannend, auch die Mitglieder Ihres neuen Teams sind neugierig auf Sie. Der Abteilungsleiter hat Sie vielleicht mit ein paar Worten angekündigt und vorgestellt, doch viele Fragen sind noch offen: Wer ist der Neuzugang? Welche Aufgaben wird er übernehmen?
Das Forming ist die Orientierungsphase in der Teamentwicklung. Bei neu gebildeten Teams machen sich die Mitglieder in dieser Phase mit den Zielen und Aufgaben des Teams vertraut und lernen einander kennen. Sie erhalten Antworten auf die Frage: „Wo bin ich hier?“
Das Team, in das Sie kommen, hat vermutlich schon den gesamten Teamentwicklungsprozess durchlaufen. Jeder kennt seinen Platz im Team und es gibt formelle und informelle Regeln. Während sich die Teammitglieder untereinander so verhalten, wie sie es immer tun, verhalten sie sich Ihnen gegenüber noch etwas distanziert. Denn die Phase des Forming ist eine Phase des ersten gegenseitigen Abtastens. Noch fehlt den Teammitgliedern das Vertrauen, sich zu öffnen, und Ihnen wird es wahrscheinlich ähnlich gehen. Sie kennen die anderen noch nicht und wissen nicht, welche Verhaltensweisen im Team üblich sind. Sie versuchen deshalb in dieser Phase, sich von Ihrer besten Seite zu zeigen, und Ihre neuen Kollegen verhalten sich ebenso.
Auch im Hinblick auf die sachliche Seite der Teamarbeit ist die Forming-Phase eine Orientierungsphase. Es geht dabei darum, die Aufgaben des gesamten Teams kennenzulernen und herauszufinden, welche Aufgaben Sie übernehmen sollen und wie sich das auf die Aufgaben der anderen Teammitglieder auswirkt.
Als Neuling im Team sollten Sie außerdem möglichst schnell die informellen Teamregeln kennenlernen. Nur so können Sie es vermeiden, unbeabsichtigt in Fettnäpfchen zu treten oder die Kollegen zu verärgern.
Welche informellen Regeln gelten in Ihrem Team?
- Wie kleiden sich die Kollegen bei der Arbeit?
- Sind die Arbeitsplätze eher aufgeräumt oder unordentlich?
- Wie liefern die Kollegen die Arbeitsergebnisse ab?
- Wie spricht man im Team miteinander?
- Wie gestalten die Teammitglieder ihre Pausen?
- Wie verläuft die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen?
- Welches Verhalten ist gegenüber der Führungskraft üblich?
- Welche Leistungen erwartet und schätzt das Team?
Die Phase des Forming endet meist unbemerkt. Vielleicht fällt Ihnen irgendwann auf, dass die Teammitglieder versuchen, Ihnen Grenzen zu setzen. Man ist nicht mehr nur freundlich, sondern fängt auch an, Ihr Verhalten gelegentlich zu kritisieren.
Storming: Der Kampf um den Platz in der Gruppe
In der Storming-Phase werden die Fronten geklärt. Nun finden die Teammitglieder heraus, welches Territorium sie beanspruchen, wo sie in Konkurrenz zu anderen stehen und welche Rolle die Gruppe den einzelnen Mitgliedern zugesteht. Jedes Teammitglied muss für sich die Frage beantworten: Wie sehr will und kann ich mich in die Gruppe integrieren und mich deren Normen unterordnen, ohne zu viel von meiner Individualität aufzugeben? Es gilt nun, die Balance zu finden zwischen Integration – „Ich bin Teil des Teams“ – und Desintegration – „Ich bin ein Individuum“.
Wenn Sie als Einzelner in ein neues Team kommen, spielt sich diese Auseinandersetzung zwischen Ihnen und den anderen Teammitgliedern ab. Dabei weisen Ihnen die anderen Teammitglieder bewusst oder unbewusst einen Platz im Team zu. Ihre Aufgaben werden zwar von der Führungskraft festgelegt, aber in der Storming-Phase geht es nicht nur um die formelle Aufgabenverteilung im Team. Es gibt weitere Aufgaben, deren Verteilung ein Team ohne Anweisungen des Chefs aushandelt: Wer schreibt Protokoll? Wer kümmert sich um welche organisatorischen Dinge? Ähnlich verhält es sich mit den Gepflogenheiten im Team: gemeinsame Pausen, Ordnung im Büro und in der Kaffeeküche, Anwesenheitszeiten, Erreichbarkeit und vieles mehr.
In Bezug auf all diese Dinge haben sich feste Gewohnheiten im Team herausgebildet, aber Sie als Neuzugang haben auch Ihre eigenen Vorstellungen. Wollen Sie immer mit allen Kollegen zu Mittag essen? Sind Sie ein ordentlicher Mensch oder gehört eine gewisse Unordnung zu Ihrem Leben dazu? Kommen Sie lieber später oder früher? Wollen Sie immer erreichbar sein? In der Storming-Phase müssen Sie Ihre Vorstellungen mit denen des Teams in Einklang bringen.
Wollen Sie mittags nichts essen und vielleicht lieber ein paar Minuten allein sein, müssen Sie sich nicht anpassen. Sie würden sich sonst auf...