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E-Book

Der 'geschlagene Mann'. Männliche Opfer im Kontext häuslicher Gewalt

AutorJasmin Alzinger
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl121 Seiten
ISBN9783959344692
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Ziel dieses Buches ist es, auf das Thema 'Männer als Opfer' von häuslicher Gewalt aufmerksam zu machen und so letztlich auch zu einer Enttabuisierung beizutragen. Das weithin verbreitete Klischee 'Mann als Täter' und 'Frau als Opfer' soll wissenschaftlich fundiert aufgebrochen werden. Als Einstieg dient die Erläuterung von Ursachen und Folgen häuslicher Gewalt, die für betroffene Männer häufig eine 'doppelte Opferrolle' mit sich bringen: Sie sind Opfer der erlebten Gewalt und Opfer der gesellschaftlich vorherrschenden Rollenbilder und -erwartungen. Wie weit häusliche Gewalt gegen Männer verbreitet ist, wird anhand des aktuellen Forschungsstandes sowie mittels Statistiken aus Beratungsstellen eruiert. Darüber hinaus diskutiert die Autorin, ob bei Gewalt in einer Partnerschaft überhaupt von 'dem Täter' und 'dem Opfer' gesprochen werden kann. Neben gesetzlichen Schutzmaßnahmen und politischen Interventionen zeigt die Autorin aktuelle Hilfe- und Beratungsangebote wie sogenannte 'Männerhäuser' auf und weist auf die Spezifika bei der Beratung männlicher Opfer hin. Abschließend werden Mängel im Hilfesystem aufgedeckt und Handlungsempfehlungen für eine bedarfsgerechtere Ausgestaltung gegeben.

Jasmin Alzinger ist Sozialpädagogin, B.A. (DH) und Diplom-Juristin (Univ.) mit den Schwerpunkten Soziale Dienste in der Justiz und Strafrecht. Aktuell ist sie in der forensischen Psychiatrie am Klinikum am Europakanal in Erlangen tätig. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Regensburg studierte die Autorin Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart. Als begleitender Ausbildungsbetrieb fungierte die Sozialberatung Stuttgart e. V., eine Beratungsstelle für Straffällige mit Angeboten zur Gewaltprävention. Dort kam die Autorin erstmals mit Männern als Opfer von häuslicher Gewalt in Berührung, die aus Mangel an Angeboten bei einer Beratungsstelle für Täter Hilfe suchten. Diese in Gesellschaft und bei Fachleuten kaum beachteten Opfer weckten das besondere Interesse der Autorin, die sich bis dahin vor allem der Täterarbeit widmete. Die folgende Initiierung eines Gewaltschutzprojektes für Männer besiegelte schließlich ihren Entschluss, sich wissenschaftlich fundiert mit dem Thema 'Männer als Opfer im Kontext häuslicher Gewalt' auseinanderzusetzen.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel IV, Wer ist bei Gewalt in der Partnerschaft Täter? Wer ist Opfer?: Eine weitere Frage stellt sich danach, ob bei Vorfällen häuslicher Gewalt eine Trennung in Täter und Opfer überhaupt sinnvoll bzw. möglich ist. Dies soll nun geklärt werden. 1, Kritik an den Bezeichnungen Täter und Opfer: Als Täter wird im heutigen Sprachgebrauch jemand bezeichnet, der eine als Unrecht empfundene Handlung begangen hat. Dabei darf dieser Begriff z. B. im juristischen Bereich aufgrund der Unschuldsvermutung erst dann verwendet werden, wenn die Person rechtskräftig verurteilt wurde. Bis dahin gilt sie je nach Verfahrensschritt als Beschuldigter, Angeschuldigter oder Angeklagter. Im Gegensatz dazu bezieht sich der Begriff des Opfers meist nicht auf eine Handlung, durch die jemand einen Schaden erleidet, sondern auf die ganze Person. Aus diesem Grund ist die Verwendung des Opferbegriffs umstritten. Die Verwischung der Konturen durch die Bezeichnung einer ganzen Person als Opfer führt zu einer inflationären Verwendung nach dem Motto 'Sind wir nicht alle irgendwie Opfer?'. Für Betroffene scheint der Begriff zudem eine stark negative und passive Konnotation zu haben und Assoziationen von Schwäche, Hilflosigkeit, Dummheit oder einem 'Verliererimage' zu fördern. Befragte Opfer konnten sich mit Begriffen wie 'Verletzter', 'Geschädigter' oder 'verletzte Person' besser identifizieren. Darüber hinaus ist der recht statische Opferbegriff wenig geeignet, 'um das Verhalten zwischen Menschen zu beschreiben. Es ist eher eine idealtypische Festschreibung, die der Vereinfachung dient, politisch genutzt werden und individuell zu Festschreibungen führen kann. [...] [E]s gibt kaum Menschen, die ausschließlich Opfer sind, Menschen sind dies mehr oder weniger, zeitweise und auf unterschiedlichen Bewusstseinsebenen. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Täterbegriff. Und bei Männern sind beide noch einmal offensichtlicher vermischt'. So stellt sich die Frage, ob es sinnvoller ist, ebenso wie das Forschungsteam der Pilotstudie 'Gewalt gegen Männer' bei Gewalthandlungen zwischen Menschen Begriffe wie z. B. Gewaltausübender oder Gewaltbetroffener zu nutzen. Obwohl sich die Autorin bewusst ist, dass die Begriffe Opfer und Täter bestimmte Schubladen und Blickrichtungen öffnen und kein Mensch nur Täter oder Opfer ist, schließt sie sich im Rahmen dieses Buches den Ausführungen von Lenz für die Beibehaltung der Begriffe an: 'Jenseits der persönlichen Entscheidung jedes Betroffenen, welche Bezeichnung er für sich selbst als angemessen betrachtet, ist es aus einer geschlechterpolitischen Perspektive gerade wegen der mit dem Begriff [des Opfers] verbundenen Assoziationen wichtig, auf diesen widerständigen Begriff zu bestehen. Er zielt - wie kein anderer Begriff - in den Kern des tradierten Verständnisses von Männlichkeit und fungiert mit einem hohen Aufklärungs- und Erkenntniswert. Trotz der berechtigten Vorbehalte gegenüber dem Opferbegriff ermöglicht dieser die Situationen von Gewalt, Ausbeutung und Misshandlung, die Männern zugemutet werden, überhaupt sichtbar und damit beschreibbar zu machen'. 2, Häusliche Gewalt als Partnerschaftsgewalt: Die dichotome Kategorisierung in Opfer und Täter ermöglicht einerseits eine einfachere Einordnung der Betroffenheit von Gewalthandlungen, führt aber andererseits häufig zu einer Ausblendung des Kontextes. Wie beschrieben, sind Menschen selten nur Opfer oder nur Täter. 'Gewalt als soziales Geschehen ist [...] durch Interaktion - also Wechselseitigkeit, wenngleich nicht wechselseitige Gewalttätigkeit - gekennzeichnet.' Die Entwicklung einer spezifischen Gewaltdynamik ist also von dem Verhalten beider Partner abhängig. So weist 'auch das Opfer keineswegs nur ein hinnehmendes, paralysiertes Verhalten auf, sondern es moduliert durch sein Verhalten die gewalttätige Beziehungsdynamik mit.' Opfer zu sein bedeutet zudem nicht, nicht auch gleichzeitig Täter sein zu können, so dass 'die Zuschreibung des 'Opferstatus' auch kein 'Beweis' für die moralische Integrität des Opfers als gesamte Person' ist. Wie nahe das Opfer- und Tätersein beieinander liegt, ist gerade bei Formen verbaler Gewalt zu beobachten. Partnerschaftliche Konflikte werden insgesamt häufig mit Inputs von beiden Seiten gespickt, so dass auch beide Partner für ihr Nicht-Verhalten oder Verhalten die Verantwortung tragen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Der „geschlagene Mann". Männliche Opfer im Kontext häuslicher Gewalt1
Inhaltsverzeichnis3
Abbildungsverzeichnis6
Anstelle eines Vorwortes7
A Einleitung8
B Männliche Opfer im Kontext häuslicher Gewalt11
I Definition, Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen11
1 Definition „häusliche Gewalt“11
2 Erscheinungsformen von häuslicher Gewalt12
a Körperliche Gewalt12
b Psychische Gewalt13
c Sexuelle Gewalt14
d Anmerkung zu den Erscheinungsformen14
3 Ursachen von und Risikofaktoren für häusliche Gewalt14
a Theorien zu Gewaltursachen14
b Risikofaktoren für Gewalthandlungen16
c Anmerkung zu den Ursachen und Risikofaktoren17
4 Folgen von häuslicher Gewalt für die Betroffenen17
a Primäre Viktimisierung18
b Sekundäre Viktimisierung19
c Anmerkung zu den Folgen20
5Resümee zu den Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen20
II Verbreitung häuslicher Gewalt gegen Männer – Aktueller Forschungsstand20
1 Daten aus dem Hellfeld polizeilicher Kriminalstatistik21
2 Daten aus dem Dunkelfeld kriminologischer und soziologischer Studien22
a Die Messmethode der Conflict Tactics Scale23
b Studie zur Gewalt in der Familie aus 200226
c Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“ aus 200428
d Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland aus 201333
e Länderspezifische Untersuchungen anhand Schwithals Metaanalyse35
f Metaanalysen von Archer, Fiebert und Gemünden37
3 Statistiken aus Hilfe- und Beratungsangeboten der Sozialen Arbeit38
a Männerbüro Hannover e. V.38
b Männer-Wohn-Hilfe e. V.41
c Sozialberatung Stuttgart e. V.42
4 Die Problematik bei der Datenerfassung43
5 Resümee zum aktuellen Forschungsstand44
III Spezifika männlicher Opfer häuslicher Gewalt45
1 Gesellschaftlich vorherrschende Rollenbilder und -erwartungen46
a Sozialisation, Geschlechterrollenstereotypen und deren Folgen46
b Der Mann als Opfer – ein Dilemma49
c Anmerkung zu Rollenbildern und -erwartungen53
2 Gründe für die Nicht-Anzeige oder Nicht-Inanspruchnahme von Hilfe53
a Anzeigebereitschaft der männlichen Opfer53
b Das „Schweigen“ der Männer54
c Nicht-Inanspruchnahme von Hilfe54
3 Männer in Trennungssituationen55
4 Verortung in der Geschlechterdebatte56
5 Resümee zu den Spezifika männlicher Opfer häuslicher Gewalt56
IV Wer ist bei Gewalt in der Partnerschaft Täter? Wer ist Opfer?57
1 Kritik an den Bezeichnungen Täter und Opfer57
2 Häusliche Gewalt als Partnerschaftsgewalt58
3 Typen von Gewaltbeziehungen58
4 Gewaltkreislauf59
V Häusliche Gewalt gegen Männer in homosexuellen Beziehungen60
VI Zusammenfassende Betrachtung der Thematik61
C Das Hilfesystem für männliche Opfer häuslicher Gewalt62
I Rückblick: Häusliche Gewalt wird zum sozialen Problem62
II Gesetzlicher Schutz64
1 Öffentlich-rechtlicher Schutz durch Polizeirecht und OEG64
2 Strafrechtlicher Schutz durch StGB, GewSchG und StPO65
3 Zivilrechtlicher Schutz durch GewSchG, BGB und OASG65
4 Resümee zum gesetzlichen Schutz66
III Politische Interventionen66
IV Hilfe- und Beratungsangebote der Sozialen Arbeit68
1 Spezifika der Beratung männlicher Opfer68
a Besonderheiten in der Beratung von Männern und männlichen Opfern68
b Beratung männlicher Opfer im Vergleich zur Beratung männlicher Täter74
c Beratungsthemen bei männlichen Opfern häuslicher Gewalt75
d Anmerkung zu den Spezifika der Beratung männlicher Opfer75
3 Hilfe- und Beratungsangebote für Täterinnen und schwule Täter82
2 Hilfe- und Beratungsangebote für männliche Opfer häuslicher Gewalt76
a Beratungsstellen76
b Geschützter Wohnraum78
c Vergleich und bestehende Schwierigkeiten der Angebote81
d Anmerkung zu den Hilfe- und Beratungsangeboten82
3 Hilfe- und Beratungsangebote für Täterinnen und schwule Täter82
4 Resümee zu den Hilfe- und Beratungsangeboten der Sozialen Arbeit83
V Mängel im Hilfesystem und Handlungsempfehlungen83
1 Mängel im Hilfesystem für männliche Opfer häuslicher Gewalt83
2 Handlungsempfehlungen für eine bedarfsgerechte Ausgestaltung85
D Fazit und Ausblick86
Literaturverzeichnis88
Anhang102

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