Einführung

»Jede Trennung gibt einen Vorgeschmack des Todes und jedes Wiedersehen einen Vorgeschmack der Auferstehung.«

Arthur Schopenhauer

Liebesgeschichten haben ein Ende. Und das ist der Anfang vom Leid. Achtung, ich meine hier nicht die sanfte, einvernehmliche Trennung, bei der eine Beziehung ohne Hysterie, Geschrei und Selbstmordandrohungen auseinandergeht. Kurz und schmerzlos. Ohne Tränen und Blutvergießen(!).

Wenn ich vom Ende einer Liebe spreche, dann meine ich damit den furchtbaren Donnerhall, den das Verlassenwerden auslöst. Als ob eine Boeing 767 gegen die Twin Towers unserer Seele raste. Selbst wenn es Vorzeichen, Androhungen oder eine Vorahnung gegeben haben sollte, hat das Geschehene dennoch die verheerende Kraft eines Überraschungsschlages und die Dimension einer Katastrophe, aus der es kein Entrinnen mehr gibt.

Was nach solch einem Schlag übrig bleibt, ist ein Haufen Schutt. Es sind die Trümmer unserer eigenen Liebe, unserer Lebendigkeit, unseres Vertrauens in andere, unserer Fähigkeit, Freude zu empfinden. Kurz gesagt: Was übrig bleibt, sind die Trümmer unseres Glücks. Und wir liegen lebendig darunter begraben.

Er verlässt uns, sie verlässt uns. Die Reise namens Liebe wird jäh unterbrochen. Unsere Wege trennen sich. Der verlassene Partner bleibt zurück. Zu Stein erstarrt auf jenem Weg, auf dem man gemeinsam unterwegs war – wie oft hören wir von Liebeskranken: »Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll!«? –, wie aus heiterem Himmel vom Blitz getroffen (es gibt ja nicht nur jenen, der die Liebe bringt, so ein Blitz kann die Liebe auch vernichten). Von einem Menschen, der unter dem Schutt einer zerbrochenen Liebe liegt, heißt es fast immer, er oder sie sei »am Boden zerstört«. So wie ein zusammengestürztes Haus eben.

Auch die Biochemie ist gegen uns: Der Gehalt an Phenylethylamin – jenes Botenstoffes, der dafür sorgt, dass Verliebte keinen Appetit mehr haben, der wie ein Aufputschmittel wirkt und sie sich wie eine galoppierende Herde fühlen lässt – sinkt im Blut ins Bodenlose. Die Endorphine – jene Substanzen, die für das gute Gefühl in einer längerfristigen Beziehung verantwortlich sind und dafür sorgen, dass wir uns in einer funktionierenden Beziehung wohlfühlen und entspannt sind – verschwinden wie Sterne, die von unsichtbaren Wolken verschluckt werden. Fehlen sie unserem Hirn, öffnet das dem Liebeskummer Tür und Tor: dem Gefühl der Beklemmung, des Verlustes, der Frustration, der Apathie, der Leere.

Apropos Leere: Es ist, als würde der Verlust jener biochemischen Komplizen der Liebe unseren Lebenswillen austrocknen und ausbluten lassen.

Hier braucht man ein paar Filme. Filme können ein schmerzlinderndes Heilmittel sein, wenn man sie mit Bedacht auswählt und lernt, sie aus dem richtigen Blickwinkel zu betrachten. Machen Sie es sich bequem. Es geht los.

Was, wenn ich ihn vergessen will?

»Wer je geliebt hat, trägt eine Narbe.«

Alfred de Musset

Eine zerbrochene Liebe macht einen wehrlos. Sie lässt einen nackt und bloß zurück. Eine Strategie, um den Schutzschild und die eigene Stärke zurückzugewinnen, besteht darin, uns von der Person zu lösen, die uns verlassen und unsere Liebe wertlos gemacht hat. Wir vergessen sie sozusagen.

Ehrlich gesagt lässt sich kein Mensch ganz aus unserer Erinnerung löschen, erst recht nicht, wenn er mit uns wichtige Seiten unserer persönlichen Geschichte gefüllt hat.

Man kann der betreffenden Person jedoch jegliche emotionale Bedeutung entziehen, kann sie transparent und unwirklich werden lassen wie ein harmloses Gespenst; kann sie auf Abstand halten wie einen Brandherd, der, von ferne betrachtet, kaum mehr ist als ein Lagerfeuer, an dem man sich nicht mehr verbrennen kann. Leicht gesagt, aber wie macht man das?

Hier ein Film aus dem Erste-Hilfe-Koffer:

My Blueberry Nights

von Wong Kar-Wai

Mit Norah Jones, Jude Law, Natalie Portman und Rachel Weisz. Elizabeth, eine New Yorkerin um die dreißig, erlebt das schmerzvolle Ende ihrer Beziehung. Ihr Freund ist einer dieser Männer, die nicht mal den Anstand haben, dir in die Augen zu sehen, wenn sie Schluss machen, sondern lieber per Telefon aus deinem Leben verschwinden. Die Bar, die der attraktive Jeremy führt (auch er wurde in der Liebe von schweren Enttäuschungsschlägen getroffen), wird zum Ausgangspunkt der Reise, die Elizabeth quer durch Amerika antritt, eine Reise, die sie weit fortführt von ihrem Leben, ihrer Stadt und jener Trennung, die sie so verletzt hat.

Nach nur dreihundert Tagen – sich von einer gescheiterten Liebe zu befreien erfordert monatelange Verarbeitung, das sollte man nie vergessen –, in denen sie noch abgründigerer Einsamkeit begegnet ist und in die Tiefen des menschlichen Unglücks geblickt hat, nimmt sie ihr Leben wieder in die Hand, befreit vom Schmerz und bereit für einen Neubeginn.

My Blueberry Nights ist wirklich ein hilfreicher Film, wenn man bereit ist, sich dem hypnotischen Effekt seiner Erzählweise aus Klängen und Zeitlupenbewegungen, der sengenden Hitze und den Schauern zu überlassen, die einem unter die Haut gehen.

Bei dieser Reise geht es nicht darum, einfach nur räumlichen Abstand zu der Person zu gewinnen, die man vergessen will.

Es liegt auf der Hand, dass es nichts nützen würde. Der Schmerz begleitet einen, denn er hat sich tief in der Brust eingenistet. Er ist ein unangenehmer, aufdringlicher Reisegenosse. Und heimtückisch. Abstand zu gewinnen muss also heißen, einen Weg zu sich selbst zu finden. Einem neuen Selbst. Und so steht auch am Ende von Elizabeths Reise eine Veränderung. Daher ist es kein Zufall, dass Jeremy, ihr Freund aus der Bar, bei ihrer Rückkehr nach New York feststellt: »Entweder bist du anders, oder wir beide haben uns verändert.«

Die Therapie, die ich mit diesem Film anbiete, ist effektiv und nachhaltig. Rückfälle ausgeschlossen. Denn wenn es einem gelingt, zur Essenz dieser Geschichte vorzudringen und sich Elizabeth in ihrer Entwicklung anzuschließen, wird man sehen, dass der Liebeskummer eine Chance darstellt.

Und was ist diese Essenz? Sei nicht länger, wer du warst. Kümmere dich nicht weiter um die Vergangenheit. Schau nach vorn. Setz dich in Bewegung. Wage einen Neuanfang. Am Ende wirst du garantiert mit einem hinreißenden, wohlverdienten Blaubeerkuss belohnt werden (wer den Film sieht, weiß, was damit gemeint ist).

Anwendungsempfehlung

Sehen Sie sich diesen Film allein an. Machen Sie es sich bequem. Sorgen Sie dafür, dass Sie zwei Stunden Zeit haben, um ihn sich in Ruhe und ohne Hast ansehen können (ich will damit nicht sagen, dass Sie Filme gewöhnlich im Schnellvorlauf anschauen, aber manchmal lässt man doch die Bilder an sich vorbeiziehen, ohne innezuhalten und darüber nachzudenken, was man da sieht, ohne sich ganz dem Film zu widmen und die restliche Welt außen vor zu lassen). Schalten Sie das Handy aus. Löschen Sie das Licht und gehen Sie auf Augenhöhe mit Elizabeth.

Weiterführende Therapie

Elizabeth landet in der Bar von Jeremy und probiert dort irgendwann den köstlichen Blueberry-Pie, den leider keiner will. »Es ist alles in Ordnung mit dem Blueberry-Pie, die Leute treffen nur eine andere Wahl. Der Blueberry-Pie kann nichts dafür. Es will ihn nur keiner.« Eine Metapher dafür, wie sich eine Person fühlen muss, die verlassen wurde. Allein, nicht erwünscht, im Stich gelassen.

Finden Sie den für Sie richtigen Zeitpunkt. Backen Sie Ihren eigenen »Blaubeerkuchen«. Geben Sie all Ihre Liebe hinein. Sehen Sie zu, wie Ihr Kuchen aufgeht. Und probieren Sie ein ordentliches Stück davon. Der Wohlgeruch, der sich im Haus verbreitet, das intensive, süße Aroma, die duftende Konsistenz des Gebäcks: Das ist genau der richtige Moment, um eine Entscheidung zu treffen. Um die Reise anzutreten, auf der Sie die Scherben Ihres gebrochenen Herzens wiederfinden werden.

Warnhinweise und Gegenanzeigen

Der Film ist nicht zu empfehlen für

• einen unbeteiligten Zuschauer, das heißt für jemanden, der oder die nur nach einer Ablenkung sucht und nicht in der Lage ist, sich auf die Atmosphäre einzulassen

Was, wenn ich ihn aus meinem Leben streichen will?

»Es gibt keine endgültige Trennung, solange es die Erinnerung gibt.«

Isabel Allende

Hand hoch, wer schon einmal davon geträumt hat, ein für...