KAPITEL ZWEI
Den Traum leben
DIE ATTRACTION-ECONOMY
Um den Verbraucher von heute anzusprechen, müssen wir unser Denken und Handeln neu ausrichten. Ein Leitfaden, die Herzen von Konsumenten durch die Kraft der Anziehung zu gewinnen.
Einsichten
Jim Stengel, Global Marketing Officer, Procter & Gamble
Lovestorys
Launch des Lexus IS
Fünf Aufgaben für morgen
Konsumenten – die Hauptattraktion
Bob Dylan hatte völlig Recht: »The times they are a-changin’.« Es kommt aber darauf an, das Wesen dieser Veränderungen zu begreifen und als Chance zu sehen. Die Verbraucherlandschaft hat sich in den letzten 25 Jahren grundlegend gewandelt, und die Unternehmen hatten große Mühe herauszufinden, womit sie sich von der Masse abheben konnten.
Die Information-Economy, die Attention-Economy, die Knowledge-Economy, die Experience-Economy und wie sie alle heißen: Jede von ihnen wollte herausfiltern, worauf es im Markt ankommt. Jede hat nützliche Erkenntnisse und Ideen hervorgebracht, aber keine hat zu einer langfristigen Differenzierung geführt oder sich als dauerhaft wertvoll erwiesen. Aus einem einfachen Grund: All diese Konzepte wurzeln in der Massenproduktion und im Massenmarketing. Ihnen allen gemein ist eine bestimmte Herangehensweise im Umgang mit Verbrauchern: Kommunikation wird als reine Einbahnstraße betrachtet.
Die Hersteller bedeuteten den Konsumenten, sich gerade hinzusetzen und genau aufzupassen. Die Händler machten es nicht anders. Verkaufsförderungsaktionen, Blickfänger am Regal – was auch immer die Aufmerksamkeit der Kunden erregen und den Kauf herbeiführen konnte.
Unsere neue Welt gehört nicht länger den Unternehmen. Nicht diese legen heutzutage die Regeln des Geschäftslebens fest, sondern die Verbraucher. Keiner weiß das besser als Jim Stengel, Global Marketing Officer von Procter & Gamble. In diesem Kapitel bietet er detaillierte Einblicke in das sich wandelnde Verhältnis zwischen Verbrauchern und Marketingfachleuten.
In der interaktiven Welt der digitalen Medien entdecken die Kunden zunehmend ihre Macht. Damit ändert sich das Marktumfeld grundlegend: Das alte Modell des Massenmarkts bricht zusammen. Ideen, die eine Anziehungskraft auf die Konsumenten ausüben, sind heute die einzig nachhaltige Währung – und so landen wir in der Attraction-Economy. Ihre Geburt war es, die das Lovemarks-Konzept überhaupt notwendig gemacht hat.
In meinen Augen ist die Attraction-Economy für Lovemarks der natürliche Lebensraum. KR
Launch des Lovemarks-Buchs, Genf
Die Kräfte der Anziehung
Anziehungskraft ist zielgerichtete Emotion. Sie entsteht durch Bezauberung und Faszination, aber niemals durch Druck. Kein Wunder also, dass die konsumentengesteuerte Welt der heutigen Attraction-Economy zu Kreativität herausfordert. In der Attraction-Economy muss der Verbraucher stets im Mittelpunkt stehen, und das Ziel heißt, eine Lovemark aufzubauen.
Die Idee der Anziehungskraft wurde einst der Tourismusbranche und den Themenparks überlassen, während sich der Haupttrend im Marketing in die Gegenrichtung bewegte: Zieldefinition und Kontrolle waren die Leitlinien. Manche Unternehmen allerdings, etwa Starbucks, Virgin und eBay, versuchten die Verbraucher anzuziehen, statt ihre Aufmerksamkeit einzufordern. Ihr durchschlagender Erfolg hat dazu geführt, dass Anziehungskraft heute nahezu überall ernst genommen wird. Alteingesessene Branchen wie Medien, Marketing, Einzelhandel und Werbewirtschaft erfinden sich unter großen Mühen neu. Im Kern geht es darum, welche Beziehung sie zum Verbraucher aufbauen sollen. Virales Marketing, Konsumenten, die ihre eigenen Medien entwickeln, und ein vollkommen neues Einkaufserlebnis im Laden sind nur der Anfang.
Wer Menschen zur Reaktion bewegen will, muss sich auf ihre Persönlichkeiten, Träume und Wünsche einlassen und verstehen, was sie anziehend finden. Noch nie war es so wichtig, sich auf einer Wellenlänge mit den Verbrauchern zu befinden. Im 21. Jahrhundert ist das Ohr eines der wichtigsten Marketinginstrumente. Ein anderes ist die Erkenntnis, dass Menschen weniger von ihren Bedürfnissen als davon angezogen werden, was ihrem Wesen entspricht
In der Attraction-Economy kommt es darauf an, Ideen und Erkenntnisse zu entwickeln, mit deren Hilfe man die Verbraucher näher an sich heranführt.
SIEBEN IDEEN FÜR DIE
Attraction-Economy
1
ÜBERRASCHUNGEN ENTZÜCKEN
Die Menschen lieben alles, was neu, auf- und anregend ist. Wer stets innovativ bleibt, erhält die Anziehungskraft aufrecht. Dem einen genügt die neue Käsesorte am Probiertisch, der andere bringt ein neues Handy auf den Weltmarkt. Um erfolgreich zu sein, müssen beide genau verstehen, wie ihre Kundschaft tickt. Nur dann befriedigen sie nicht nur Bedürfnisse, sondern erzeugen Überraschung und Freude.
2
GLEICH UND GLEICH GESELLT SICH GERN
Menschen sind keine Magneten. Zu Vertrautem fühlen sie sich hingezogen. Daher ist Einfühlungsvermögen die Quelle, aus der sich die Attraction-Economy speist. Jeder Mensch hat seine eigene Mischung aus Vorlieben und Abneigungen. Nichts findet er anziehender, als wenn jemand genau versteht, was ihm wichtig ist. Ein fantastisches Beispiel für Empathie ist das Kundenbewertungssystem von Amazon. Ein anderes ist mein Zeitungshändler, der eine Zeitschrift für mich beiseite legt, weil sie eine große Rugby-Reportage enthält.
3
MIT DEN SINNEN FÜHREN
Betrachten Sie die fünf Sinne als Finger an der rechten Hand der Anziehungskraft. Wohlgerüche wirken anziehend, ebenso ein leckerer Geschmack oder eine stimulierende Tastempfindung. Das Vermögen, über die Sinne emotionale Bindungen herzustellen, berührt den Kern der Attraction-Economy.
4
GROSSARTIGES DESIGN IST UNWIDERSTEHLICH
Gekonnte Präsentation ist der stärkste Hebel der Anziehungskraft. Sie erringt nicht nur Aufmerksamkeit, sondern führt dazu, dass Menschen sich angezogen fühlen. Das ist die Herausforderung für den Ladenverkauf – und die außerordentliche Kreativität von Mode- und Lifestyle-Marken von Gucci bis Bathing Ape bahnt sich bereits ihren Weg dorthin. Design muss aber nicht nur unwiderstehliche Umgebungen schaffen, sondern auch laufend Banales in hoch begehrenswerte Produkte verwandeln. James Dyson ist das gelungen, und heute zeigen Tausende stolz dieses einstmals gut versteckte Arbeitstier des Haushalts vor – den Staubsauger.
5
INTERAKTIVITÄT FÜHRT ZU ENGAGEMENT
Anziehungskraft wirkt in beide Richtungen. Die Konsumenten möchten heute mit Marken interagieren. Eine kostenfreie Telefonnummer auf dem Etikett reicht da nicht mehr aus. Lexus war hier im Online-Bereich besonders innovativ: mit der Einrichtung von Chatgroups und Communitys, dem Angebot kostenloser Handy-Klingeltöne, der Produktion von Podcasts und Streams – alles mit dem Ziel, potenzielle Kunden anzuziehen.
6
UNTERHALTUNG SCHAFFT VERBINDUNG
Jeder liebt es, Spaß zu haben, nimmt gern am Geschehen teil und tauscht Geschichten aus. Wer gut erzählen und unterhalten kann, belebt die Attraction-Economy. Vorurteile sind hier fehl am Platz: In der Generation Xbox sind Frauen über 18 (28 Prozent) stärker vertreten als Jungen zwischen 6 und 17 Jahren (21 Prozent).
7
NICHTS BERÜHRT DIE GEFÜHLE STÄRKER ALS MUSIK
Seit über 30.000 Jahren machen Menschen Musik. Welche Urfreuden genießen heutige Verbraucher! Früher war Musik nur auf Alben erhältlich, deren Songs von der Plattenfirma in eine bestimmte Reihenfolge gebracht wurden. Heute kann man Songs und Alben kaufen, und Musikliebhaber nutzen ihre Freiheit, nach Belieben zu mischen und zu gruppieren, weidlich aus. Im Februar 2006 wurde der milliardste Song von itunes.com heruntergeladen.
Die Rolle von Bildschirmen in der Attraction-Economy
Lovemarks waren schon immer von dem Wunsch beseelt, eine emotionale Bindung zum Verbraucher aufzubauen. Und endlich ermöglicht die technologische Entwicklung dies auch. Der Bildschirm ist heute aus dem Wohnzimmer in unsere Taschen, Hände, Büros, Geschäfte und Straßen gewandert.
Bildschirme spielen in der Attraction-Economy eine zentrale Rolle, und sie werden immer wichtiger, immer vielseitiger und immer anregender. Fernseher gleichen zunehmend Spielgeräten, Handys kleinen Fernsehgeräten; Bildschirme im Laden ähneln heute Kinos, und PC-Bildschirme – werden endlich liebenswert.
“Die Welt bewegt sich von Massenmedien zu...