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E-Book

Der Tanz mit dem russischen Bären

Strategien für langfristigen Erfolg in Russland

AutorAngela Leymann
VerlagRedline Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl248 Seiten
ISBN9783864145537
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Potenziale erkennen, Risiken abwägen, Chancen nutzen: Mit diesem Know-how gelingt das Russlandgeschäft. Obwohl viele Mittelständler dem Einstieg in den russischen Markt positiv gegenüberstehen, zögern sie, dort zu investieren und zu expandieren. Damit etwaige Vorurteile überwunden und vorhandene Chancen endlich genutzt werden, liefern die Autorinnen hier das nötige Rüstzeug für das erfolgreiche Business mit Russland. Sie bieten einen kompetenten Überblick über die geschichtlich-kulturellen Hintergründe, rechtlichen Rahmenbedingungen und geschäftlichen Gepflogenheiten in der russischen Ökonomie. Dazu berichten Ost-West-Unternehmer aus ihrem russischen Geschäftsalltag.

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Das Personal – Ihr Schlüssel zum Erfolg



Wie Sie die richtigen Leute finden


Es macht einen Unterschied, ob Sie „einfach nur so“ jemanden für Russland suchen oder ob Sie eine Strategie verfolgen, nach der Sie entscheiden, welche Menschen am besten zu Ihnen, Ihrem Unternehmen und den Aufgaben vor Ort passen. Das folgende Kapitel beantwortet die Fragen, wo und wie Sie aus Ihrer Sicht geeignete Mitarbeiter für den russischen Markt finden. Zudem stellen wir Ihnen Firmen vor, die sich mit Personalsuche vor Ort befassen, und zeigen Ihnen Kriterien, worauf Sie bei der Beauftragung unbedingt achten sollten. Diese Liste dient Ihnen als Orientierung für die Suche und Auswahl der besten Mitarbeiter. Sie können sie zur Selbsteinschätzung nutzen oder den Kollegen vorlegen, die Sie für einen Einsatz in Russland ausgewählt haben.


1. Kriterium: Russische oder deutsche Mitarbeiter?



In Russland können Sie nicht davon ausgehen, dass Sie mit Englisch durchkommen. Am häufigsten mangelt es Bewerbern an guten Fremdsprachenkenntnissen, ausreichenden Berufserfahrungen oder Computerkenntnissen. Stephan Haensch, Geschäftsführer der Haensch Qualitätsentwicklung GmbH, berichtet, er habe im Verlauf von fünf Jahren Trainertätigkeit in den russischen Regionen nur einen Seminarteilnehmer gehabt, mit dem er sich auf Englisch unterhalten konnte. Er räumt aber ein, dass das in Moskau anders aussieht. Trotzdem ist das gar nicht seltene Wunschdenken deutscher Manager, selbst ein Fließbandarbeiter in der Schokoriegelproduktion einer Provinzhauptstadt müsse doch heutzutage Englisch können, schlicht unrealistisch.

Integres Sowjetgewächs contra „Jung, dynamisch, polyglott“

Häufig haben Sie die Wahl: zwischen einem „alten Fuchs“, also einem sehr guten Facharbeiter, Meister oder Ingenieur mit zwanzig und mehr Jahren Berufserfahrung, und einem jungen studierten Spezialisten mit guten Fremdsprachenkenntnissen, einem Sack märchenhaft klingender Geschäftsideen im Gepäck, aber ohne praktische Berufserfahrung.

Die Erstgenannten sind in der Regel integre, erfindungsreiche „Sowjetgewächse“, die ihr Handwerk solide beherrschen, mit bescheidensten Mitteln immer wieder alles „hinbiegen“ und im Wettlauf mit dem Klassenfeind so manche Katastrophe abgeschmettert haben. Sie wirken auf den ersten Eindruck manchmal misstrauisch bis ungelenk – viel Reden ist nicht ihre Sache. Aber sie haben sich auf ihre Weise weitergebildet, fordern schon lange moderne Technik und bessere Arbeitsbedingungen in ihren Betrieben, spinnen auf dem kürzesten Dienstweg routiniert ihr soziales, manchmal auch politisches Netzwerk. Anders hätten sie im Sozialismus und in den postsowjetischen Wirren gar nicht überlebt. Die Hochschulgebildeten unter ihnen können herzzerreißend Gedichte von Heinrich Heine oder Goethe auf Deutsch zitieren oder fremdsprachige Fachliteratur lesen, haben in der Regel aber keinerlei Praxis in der mündlichen Umgangs- und Fachsprache. Wenn Sie sich das Vertrauen dieser Menschen erworben haben, ernten Sie im Gegenzug absolute Loyalität und Verbindlichkeit, manchmal sogar Freunde auf Lebenszeit.

Auf der anderen Seite werden Sie sich nur schwer dem Bann der Attraktiven und Eloquenten entziehen können – gut ausgebildeten Spezialisten mit exzellenten Sprachkenntnissen, aber ohne praktische Berufserfahrung. Sie wirken wie höchstens dreißig, verfügen in der Regel schon über Auslandserfahrung, haben also im Ausland studiert und/oder für ausländische Firmen gearbeitet. Sie treten selbstbewusst auf, jonglieren eloquent vor Ihren erstaunten Ohren mit Geschäftsideen, von denen Sie noch nie geträumt haben, erläutern in fließendem Englisch oder Deutsch, wie das alles praktisch funktioniert, und kennen selbstverständlich „die richtigen Leute“ für alle Lebenslagen. Auch die sind es gewohnt, sehr hart und zielstrebig zu arbeiten. Aber Vorsicht! Einige „Spezialisten“ unter ihnen träumen von einer steilen Parallelkarriere in Politik und Business. Warum nicht auf Ihre Kosten? Es könnte ja klappen.

„Die junge Generation kriegt den Hals nicht voll“, fasst Torsten Habeck seine konkrete Erfahrung mit einem jungen russischen Geschäftspartner bitter zusammen. Habeck war rund zwei Jahre lang Geschäftsführer der russischen Tochtergesellschaft eines norddeutschen Mittelständlers.

Eines gilt für Sie auf jeden Fall: Je besser die von Ihnen eingesetzten Fach- und Führungskräfte Russisch sprechen, desto besser sind der Grad der Verständigung und die Akzeptanz aufseiten der russischen Kollegen und Kunden. Der Besuch eines Intensivsprachkurses ist also Pflicht. Außerdem können Sie von der deutschen Einheit profitieren. Ostdeutsche ehemalige Handelsvertreter, Offiziere – die im Zivilberuf oft einen technischen Beruf ausübten – oder andere Fachkräfte versuchen seit den Neunzigerjahren zu Recht beharrlich, an ihre berufliche Praxis in der ehemaligen Sowjetunion anzuknüpfen. Zudem können viele Ostdeutsche Russisch zumindest noch lesen. Nach einem Intensivsprachkurs finden sie sich wesentlich schneller in die Sprache ein als jemand, der bei null beginnt.

Integration und Wirtschaft

In Deutschland leben heute über vier Millionen Spätaussiedler, sogenannte „Wolgadeutsche“, und jüdische Menschen mit russischem Hintergrund samt ihren Familien. In der Regel ist Russisch ihre Muttersprache. Seit den Neunzigerjahren haben viele hoch qualifizierte, erfahrene Fachleute Russland und andere GUS-Staaten verlassen. Sie siedelten mit und ohne deutsche Wurzeln nach Deutschland um, hofften und hoffen, dass Deutschland ihre neue Heimat werde. Die Beweggründe für die Übersiedlung sind so vielfältig wie das Leben selbst. Aus Respekt vor einem anderen Lebenslauf sind diese nicht von uns zu bewerten. Tatsache ist aber, dass diese Aussiedler heute der aufstrebenden russischen Wirtschaft fehlen. Und es ist auch ein offenes Geheimnis, dass sich für viele von ihnen der Traum von „Goldenen Westen“ nicht erfüllt hat, sie teilweise mit falschen Vorstellungen kamen und in Deutschland nicht Fuß gefasst haben. Anders ausgedrückt, die Integration in Deutschland hat für sie nicht funktioniert.

Die Hochschul- oder Universitätsabschlüsse von Übersiedlern aus den GUS-Staaten und ihre Berufserfahrung werden in Deutschland nicht offiziell anerkannt. Das Spezialwissen dieser Menschen wird von der hiesigen Wirtschaft viel zu wenig genutzt. Das liegt nicht allein an den hartnäckigen Vorurteilen oder der Ignoranz gegenüber den Mitbürgern aus Osteuropa. Viele Unternehmen wissen schlicht nichts von den Dimensionen dieses Potenzials und davon, wie sie es für ihr Unternehmen einsetzen könnten.

Nach der Übersiedlung folgen in Deutschland Umschulungen, Zusatzstudium, Weiterbildungen und Praktika. Dem schließen sich nicht selten Arbeitslosigkeit oder unterqualifizierte Beschäftigungen an. Die deutsche Wirtschaft leistet sich hier eine Brache nahezu skandalösen Ausmaßes: Langjährige Berufserfahrung, spezielles Fachvokabular, das man in deutsch-russischen Wirtschaftsprojekten händeringend sucht, gehen so verloren. Der Staat verschwendet immense Mittel, indem er für diese Menschen formale Weiterbildungsmaßnahmen und Umschulungen finanziert, die mit ihrer bisherigen Berufsbiografie gar nichts zu tun haben, deren Ergebnisse sie nicht nutzen können. Das mehrt sozialen Unmut in der Gesellschaft, sorgt lokal für sozialen Sprengstoff.

Ein typisches Beispiel: Eine Fachärztin für Hygiene und Epidemiologie mit einer Zusatzausbildung „Produktzertifizierung in der Lebensmittelbranche“, die auch auf umfangreiche Berufserfahrung als Leiterin für Zertifikation und Expertisen verweisen kann, arbeitet in Deutschland als Altenpflegehelferin.

Wer Außenwirtschaftsveranstaltungen der IHKs zum Thema Russland besucht, stellt fest, dass neben Steuern und Zoll speziell das Thema Produktzertifizierung zu den vermeintlich undurchsichtigen Themen der russischen Wirtschaftspolitik gehört. Studierte Juristen aus den GUS-Staaten gehören seit mehreren Jahren zur Berufsgruppe der arbeitslosen Steuerfachangestellten; Bauingenieure, vertraut mit den Besonderheiten der russischen Baubranche, sind Sozialhilfeempfänger.

Selbstverständlich soll an dieser Stelle nicht der Eindruck erweckt werden, alle Probleme in der Ost-West-Zusammenarbeit können durch den Einsatz dieser Menschen gelöst werden, aber einige würden mit Sicherheit gar nicht erst entstehen.

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