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Der Testknacker

Wie man Karriere-Tests erfolgreich besteht

AutorSusanne von Paczensky
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl122 Seiten
ISBN9783688110742
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wer heute eine Stellung sucht oder aufsteigen will, muß sich immer häufiger sogenannten Persönlichkeitstests unterziehen. Anders als Eignungstests prüfen sie keine berufsbezogenen Fähigkeiten, sondern zielen mit fragwürdigen Mitteln auf den Intimbereich ab. Sie sollen Merkmale aufdecken wie Labilität, sexuelle Neigungen, Familienkonflikte, Trinkgewohnheiten, Ängste, Aggressionen oder Abhängigkeiten. Diese Testverfahren werden geheimgehalten, ihre Ergebnisse dem Getesteten nicht mitgeteilt, wohl aber im Bedarfsfall gegen ihn verwendet. Persönlichkeitstests mögen für den Therapeuten trotz ihrer Schwächen ein brauchbares psychodiagnostisches Hilfsmittel sein. Bei der Personalauslese in Industrie und Verwaltung haben sie, wie Susanne v. Paczensky schlüssig belegt, aus moralischen, arbeitsrechtlichen und wissenschaftlichen Gründen nichts zu suchen. Ihr kritischer «Wegweiser durch das Testdickicht» deckt deshalb die Konstruktion der einzelnen Tests auf und lehrt, wie man sie trickreich und elegant unterläuft.

Susanne v. Paczensky (1923-2010) war Journalistin, Autorin und Soziologin.

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Leseprobe

Strategie und Gegenstrategie


1. Der ideale Test


Die Wissenschaft vom Test kennt strenge Regeln. Die Männer der Praxis halten sich zwar nicht unbedingt daran, doch als Argument, als Schlagwaffe im Wortstreit, wird das Gütesiegel der Psychodiagnostik stets gern zur Schau getragen. Man spricht von Eich- und Normwerten, man beruft sich auf Validität und Reliabilität, auf Faktorenanalyse und Kreuzvalidierung, bis der skeptische Laie sich erschöpft aus der Kampflinie entfernt: eine Technik, die so viele eigene Fremdworte hervorgebracht hat, läßt sich mit gesundem Menschenverstand allein wohl nicht fassen.

So entzieht sich die Testpraxis geschickt der kritischen Nachprüfung durch ihre Opfer; hinterm Dunstschleier des wissenschaftlichen Vokabulars können sich nur noch Akademiker orientieren. Alle andern halten sich vorsichtig fern. Und daß selbst die «Fachleute» in Wahrheit meist überfragt sind, daß selbst unter den Studierten nur ein winziges Grüppchen die Geheimsprache der Testtheoretiker beherrscht –, das wird nur ungern zugegeben. Die herzliche Verachtung, mit der psychologische Schulen einander bekämpfen, der mitleidige Spott, den die Frisch-Diplomierten für alle Uralt-Praktiker über 3 5 empfinden (und umgekehrt), der ganze giftige Experten-Hickhack dringt nicht an die Öffentlichkeit.

Es ist vielleicht verständlich, daß Standesinteressen höher eingeschätzt werden als Durchsichtigkeit. Die Psychologen haben einen schweren Stand, zwischen Naturwissenschaftlern und Humanisten ihren Platz zu behaupten; sie sind noch immer damit beschäftigt, sich gegen die herablassende Behandlung durch andere ehrwürdige Wissenschaften zu wehren. Um gegen Angriffe von außen gewappnet zu sein, mag der gemeinsam fabrizierte Nebelschleier des Vokabulars, die Übereinkunft der Geheimhaltung, eine nützliche Funktion haben. Doch die Betroffenen, die Mitbürger, an denen psychologische Praxis verübt wird, können sich kaum damit zufriedengeben, wenn ihnen blindes Vertrauen in die Wissenschaft zugemutet wird. Wer sich dem Wunderglauben widersetzt, wird leicht als fortschrittsfeindlicher Nörgler abgetan. Wer sich nicht zutraulich unterwirft, wer Kritik und Überprüfung der Testverfahren fordert, der stößt sich an der Hürde der Expertenargumente, am Kauderwelsch von Zahlen und Fremdworten, mit dem die Geheimnisse der Psychodiagnostik vor der Außenwelt abgeschirmt sind. Aber man muß sich davon nicht unbedingt in die Flucht schlagen lassen.

Es lohnt sich, unerschrocken näher hinzusehen, denn auch dem Laien sind wertvolle Einblicke möglich. So zeigt sich rasch, daß viele Testverfahren gegen ihre eigenen Gesetze sündigen. Oft berufen sich gerade diejenigen am lautesten auf die heilige Wissenschaft, deren Methoden von seriösen Forschern mit Skepsis betrachtet werden, weil sie schon gegen die Grundbegriffe der Psychodynamik verstoßen. Fünf Gütekriterien sollen – so will’s die klassische Lehre – zumindest ausreichend erfüllt sein, damit ein Testverfahren allgemein anerkannt wird.

 

1. Standardisierung

Die äußeren Bedingungen, unter denen der Test stattfindet, das Verhalten des Testleiters, die Umweltbedingungen usw. müssen genau festgelegt sein. Das Testmaterial darf nicht verändert, erweitert oder nur teilweise benutzt werden.

2. Objektivität

Die Auswertung muß vom Testleiter unabhängig festgelegt sein. Es darf kein Ermessensspielraum für die Beurteilung der Ergebnisse bestehen.

3. Eichung

Eine Normentabelle auf Grund empirischer Forschung muß Vergleiche mit den Testergebnissen vergleichbarer Personengruppen ermöglichen. Ein in USA geeichter Test läßt sich z.B. nicht ohne weiteres auf unsere Verhältnisse übertragen.

4. Zuverlässigkeit (Reliabilität)

Das Testergebnis darf nicht vom Zufall abhängig sein; es muß stabile Merkmale messen, die höchstens geringen Schwankungen unterworfen sind.

5. Gültigkeit (Validität)

Das Merkmal, das gemessen werden soll, muß tatsächlich vom Test erfaßt werden. Die Ergebnisse müssen von der «Wirklichkeit» oder von anderen unabhängigen Testverfahren bestätigt werden.

Diese strengen Gütekriterien sind sehr eindrucksvoll. Der Laie ist geneigt, sich ehrfürchtig zurückzuziehen und jede Kritik an derart gründlich überprüften Verfahren zu unterlassen, wenn er nicht gleichzeitig erfährt, daß diese Maßstäbe nur prinzipiell gelten. Sie sind aus den Naturwissenschaften übernommen, in denen man tatsächlich so streng kontrollieren, so eingegrenzt experimentieren kann. Wo es aber um Menschen geht, gelten all diese Regeln nur annäherungsweise. Selbst der «allerbeste» Test ist nur halbwegs gültig und einigermaßen zuverlässig. Der Hinweis auf die Güteregeln bedeutet also nicht, daß sie eingehalten, sondern bestenfalls, daß sie angestrebt werden. In diesem Streben sind jedoch die verschiedenen Testarten unterschiedlich erfolgreich. So gelingt es manchen Leistungstests, den idealen Forderungen ziemlich nahe zu kommen. Ob z.B. eine Versuchsperson rechnen kann, läßt sich an einer Auswahl von Aufgaben nachprüfen. Die Ergebnisse sind nicht vom Versuchsleiter und kaum von der Situation abhängig; sie lassen sich mit den Rechenkünsten anderer Personen vergleichen, und man darf sich auch darauf verlassen, daß die Versuchsperson nächste Woche nicht viel anders rechnen wird als heute. Allerdings kann man aus dem Ergebnis keine Voraussagen über den Berufserfolg oder den Arbeitseifer ableiten, denn der Test kann nur für jene Fähigkeiten gültig sein, die er gemessen hat.

Beim Testen der Persönlichkeit stößt man hingegen auf Probleme, die das Anwenden der Güteregeln weitgehend verhindern.

 

«Die außerordentliche Schwierigkeit der Persönlichkeitsdiagnostik liegt darin, daß sie es – anders als die Leistungs- und Begabungsdiagnostik – mit Bewährungssituationen zu tun hat, die selbst unscharf umrissen sind. Eine Leistungsdiagnose bestätigt sich, wenn die für eine bestimmte Tätigkeit auf Grund von Tests ausgewählten Probanden dieser in einem höheren Prozentsatz gerecht werden als eine Gruppe unausgelesener Anwärter. Für Aussagen über die Persönlichkeit stehen Kriterien dieser Art kaum zur Verfügung; das Lernen an den Erfolgen und Mißerfolgen eines diagnostischen Verfahrens wird dadurch sehr verzögert.»

Peter Hofstätter, Psychologie, Frankfurt 1971, Seite 228.

 

Die Freunde der Persönlichkeitstests – und vor allem die, die daran verdienen – versuchen zum Teil, aus der Not eine Tugend zu machen, indem sie die Strenge der diagnostischen Kriterien für engherzig und entbehrlich erklären. So entstand der Begriff des Breitband-Instruments, das den Menschen großzügig und allumfassend begreift und darum auf kleinkarierte Genauigkeit verzichten kann. Schon das Wort «Persönlichkeit» beschreibt einen solchen Breitband-Begriff, aus Temperament und Charakter, aus Eigenschaften und Werthaltungen, aus offenen Verhaltensweisen und verborgenen Trieben zusammengesetzt.

 

Die Instrumente, dieses breite Band zu vermessen, unterscheiden die beiden wesentlichen Schulen voneinander: die Anhänger der projektiven und der Fragebogen-Methode. Die ersteren gehen von der Vorstellung einer ganzheitlichen Persönlichkeit aus, die in mehr oder weniger tiefen Schichten erfaßt werden kann. Mit dem Testmaterial – etwa mit den Rorschachschen Tintenklecksen – wird jeweils eine Aufgabe gestellt, die so wenig umrissen, so unstrukturiert ist, daß die Testperson zu ihrer Bewältigung auf eigene Erfahrungen zurückgreifen muß. In den Antworten, Bildern oder Deutungen spiegelt sich also das Innenleben, das der Diagnostiker nun mühelos ablesen kann.

Die zahlreichen Methoden, solche Projektionen festzuhalten, sollen später ausführlich dargelegt werden. Gemeinsam ist ihnen allen, daß sie für Außenstehende kaum durchschaubar sind – eine Tatsache, die von den Verfassern immer wieder mit großer Genugtuung betont wird. Keine Testanweisung, die nicht in das stolze Rumpelstilzchen-Lied einstimmt: «Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich – verborgene Geheimnisse lesen kann.» Die Ahnungslosigkeit der Testopfer gibt den Diagnostikern dieser Schule nicht nur eine angenehme Überlegenheit, sie schützt auch vor etwaigen Täuschungsmanövern. Dieser Vorteil scheint so groß, daß man dafür gern bereit ist, auf die Erfüllung der klassischen Güteforderungen – also Standardisierung, Objektivität, Gültigkeit und Zuverlässigkeit – zu verzichten. Um so ärgerlicher ist es, daß Widersacher aus rivalisierenden Psychologen-Schulen behaupten, die projektiven Tests seien gar nicht so undurchsichtig, wie sie vorgeben.

 

«Es scheint falsch, anzunehmen, daß der Durchschnittsbürger von projektiven Techniken völlig überrumpelt wird und gar nicht weiß, was er enthüllt. Er mag zwar höflich den Anweisungen lauschen, daß seine ‹schöpferische Fantasie› getestet werde; aber der Psychologe ist naiver als der Proband, wenn er glaubt, daß die meisten Probanden nicht instinktiv erkennen, wieviel sie dabei verraten können.»

R.B. Cattell, Projection and Design of Projective Tests, o.O., 1944.

 

Die Fragebogen-Methode geht von vornherein einen andern Weg, indem sie sich auf die Selbsteinschätzung der Probanden stützt. Die Darstellung eigener Meinungen und Verhaltensweisen soll Rückschlüsse auf die Persönlichkeit erlauben, wobei diese Persönlichkeit aus einem unterschiedlich großen Bündel von Charakterzügen, Trieben, Bedürfnissen usw. bestehen mag. Da hat jeder Testautor seine eigene Theorie. Gemeinsam ist...

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