Aber der Grundbesitz ist nichts ohne Arbeitskräfte, die ihn bebauen. Wir haben schon auf die eigenartige Arbeiterfrage hingewiesen, die aus dem Erstehen des größeren Grundbesitzes erwuchs. Bereits vor dem Beginn der historischen Zeit finden wir bei den Reicheren das Suchen nach Arbeitskräften, die man dem Haushalt über das Bereich der durch Blutbande an ihn gefesselten Familienmitglieder hinaus einverleiben und auf die man stets zählen konnte.
Solche Arbeitskräfte waren zunächst durch Lohnarbeit nicht zu gewinnen. Wohl finden wir schon früh Fälle von Lohnarbeit, aber immer nur als ausnahmsweise und vorübergehende Erscheinung, etwa zur Aushilfe bei Erntearbeiten.
Die Produktionsmittel, die ein selbständiger Betrieb erheischte, waren zu geringfügig, als daß sie nicht eine tüchtige Familie in der Regel hätte erwerben können. Und der familiale und kommunale Zusammenhang war noch zu stark, als daß einzelne Unglücksfälle, die eine Familie trafen und sie besitzlos machten, nicht meist durch Hilfe von Verwandten und Nachbarn wieder gutgemacht worden wären.
Gab es aber mir ein geringes Angebot von Lohnarbeitern, so auch nur eine geringe Nachfrage danach. Denn noch waren ja Haushalt und Betrieb eng vereinigt. Wollte man zusätzliche Arbeiter dem Betrieb einverleiben, dann mußten sie auch dem Haushalt einverleibt werden, sie mußten nicht bloß ohne eigene Produktionsstätte, sondern auch ohne eigene Familie bleiben, ganz in einer fremden Familie aufgehen. Dazu taugten freie Arbeiter nicht. Auch noch im Mittelalter ließen sich die Handwerksgesellen die Angehörigkeit zur Familie des Meisters nur als vorübergehenden Stadium gefallen, als Übergang zur Meisterschaft und zur Begründung einer eigenen Familie. Dauernd ließen sich auf dieser Stufe zusätzliche Arbeitskräfte für eine fremde Familie nicht als Freie durch ein Lohnverhältnis sichern. Nur zwangsweise Fesselung konnte die erforderlichen zusätzlichen Arbeitskräfte für die größeren landwirtschaftlichen Betriebe schaffen. Diesem Zwecke diente die Sklaverei. Der Fremde galt ja für rechtlos, und bei der Kleinheit der Gemeinwesen jener Zeit war der Begriff des Fremden ein weitausgedehnter. Im Kriege wurden nicht bloß die gefangenen Wehrmänner, sondern oft auch die ganze Einwohnerschaft des überwundenen Landes zu Sklaven gemacht und entweder unter die Sieger verteilt oder verkauft. Aber auch im Frieden gab es Mittel, Sklaven zu erbeuten. Namentlich der Seehandel bot ein solches. Er war in seinen Anfängen vielfach mit Seeraub verbunden, und eines der meistgesuchten Beuteobjekte bildeten arbeitsfähige und schöne Menschen, die man bei Küstenfahrten aufgriff, wenn sie wehrlos am Strande gefunden wurden. Daneben verfiel auch die Nachkommenschaft, die Sklaven mit Sklavinnen zeugten, der Sklaverei.
Materiell war die Lage dieser Sklaven anfangs keine allzu schlechte, und sie fanden sich mitunter leicht in ihr Los. Als Mitglieder eines wohlhabenden Haushaltes, vielfach der Bequemlichkeit oder dem Luxus dienend, wurden sie nicht übermäßig angestrengt. Soweit sie produktiv arbeiteten, geschah es oft – bei den Großbauern – in Gemeinschaft mit dem Herrn; stets nur für den Selbstverbrauch der Familie, der seine bestimmten Grenzen hatte. Neben dem Charakter der Herren entschied über die Lage der Sklaven der Wohlstand der Familien, denen sie angehörten. Sie hatten alles Interesse daran, ihn zu mehren, weil sie dadurch auch ihre eigene Lage verbesserten. Andererseits trat der Sklave durch den ständigen persönlichen Verkehr mit seinem Herrn ihm menschlich näher und konnte ihm, wenn er Witz und Klugheit besaß, entbehrlich, ja förmlich zum Freunde werden. Man kann bei den antiken Dichtern zahlreiche Beispiele dafür finden, welche Freiheiten sich Sklaven ihrem Herrn gegenüber herausnahmen und mit welcher Innigkeit oft beide Teile aneinander hingen. Nicht selten wurden Sklaven zum Lohn für treue Dienste mit einem ansehnlichen Geschenk freigelassen, andere ersparten so viel, um sich loskaufen zu können. Nicht wenige aber zogen die Sklaverei der Freiheit vor, das heißt sie zogen es vor, als Mitglieder einer reichen Familie zu leben, statt, aus deren Schoße verbannt, allein eine dürftige und ungewisse Existenz zu führen.
„Man darf nicht glauben,“ sagt Jentsch, „daß mit dem empörenden juristischen Begriff des Sklaven im Privatleben Ernst gemacht worden wäre und daß man den Sklaven weder für einen Menschen gehalten, noch als solchen behandelt hätte; bis zum Ende des ersten Punischen Krieges haben es die Sklaven nicht schlimm gehabt. Was von der gesetzlichen Gewalt des Hausvaters über Frau und Kinder gesagt worden ist, das gilt auch von der über die Sklaven; gesetzlich unumschränkt, war sie durch Religion, Sitte, Vernunft, Gemüt und Interesse beschränkt, und der Mann, der vor dem Gesetz als eine käufliche und der Willkür des Herrn schutzlos preisgegebene Sache galt, wurde auf dem Acker als treuer Arbeitsgenosse und daheim als ein Hausgenosse geschätzt, mit dem man nach gemeinsam vollbrachter Arbeit am Herdfeuer gemütlich plauderte.“
Dies kameradschaftliche Zusammenhalten war nicht auf die bäuerlichen Betriebe beschränkt. Auch die Fürsten verrichteten im heroischen Zeitalter noch Handarbeiten. In der Odyssee wäscht die Tochter des Königs Alkinoos mit ihren Sklavinnen die Wäsche, der Fürst Odysseus fordert einen Nebenbuhler nicht zum Duell, sondern zu einem Wettmähen und Wettpflügen heraus, und bei seiner Rückkehr in die Heimat findet er seinen Vater im Garten mit der Schaufel beschäftigt. Dafür erfreuen sich aber Odysseus und sein Sohn Telemach auch der herzlichsten Liebe ihres Sklaven, des „göttlichen Sauhirten“ Eumäus, der fest davon überzeugt ist, für seine treuen Dienste hätte ihn sein Herr, wenn er heimgekehrt wäre, längst schon mit der Freiheit, einem Bauerngut und einer Ehegenossin beschenkt.
Diese Art der Sklaverei war eine der mildesten Formen der Ausbeutung, die wir kennen. Aber sie bekam ein anderes Gesicht, als sie in den Dienst des Gelderwerbes gestellt wurde, namentlich als die Arbeit in Großbetrieben aufkam, die vom Haushalt des Herrn losgelöst waren.
c. Die Sklaverei in der Warenproduktion
Die ersten derartigen Betriebe dürften Bergwerke gewesen sein, Die Gewinnung und Verarbeitung von Mineralien, namentlich metallischen Erzen, eignet sich schon ihrer Natur nach schlecht dazu, bloß zum Selbstverbrauch des eigenen Haushaltes betrieben zu werden. Sobald sie nur einigermaßen entwickelt ist, liefert sie einen großen Überschuß über dessen Bedürfnisse hinaus; andererseits kann sie sich zu einiger Vollkommenheit nur entwickeln, wenn sie die Produzierung größerer Massen regelmäßig betreibt, weil nur dann die Arbeiter die nötige Geschicklichkeit und Erfahrung erlangen und die nötigen Bauten sich lohnen. Schon in der Steinzeit finden wir große Plätze, an denen die Herstellung von Steinwerkzeugen gewerbsmäßig und massenhaft betrieben wurde, die dann durch Austausch von Gemeinde zu Gemeinde oder Stamm zu Stamm weiter verbreitet wurden. Diese mineralischen Produkte waren jedenfalls die ersten Waren. Sie sind wohl die ersten, die von vornherein als Waren, zum Austausch, produziert wurden.
Sobald sich an einer Fundstätte wertvoller Mineralien der Bergbau entwickelt hatte und über den primitivsten Tagbau hinausgegangen war, erforderte er ständig größere Arbeitermassen. Das Bedürfnis danach vermochte leicht die Zahl der freien Arbeiter zu übersteigen, die aus den Reihen der Markgenossenschaft, der das Bergwerk gehörte, rekrutiert werden konnten. Die Lohnarbeit lieferte nicht dauernd zahlreiche Arbeiter, nur die Zwangsarbeit von Sklaven oder verurteilten Verbrechern sicherte die nötige Zahl von Arbeitskräften.
Diese Sklaven produzierten aber nun nicht mehr Gebrauchsgegenstände für den begrenzten persönlichen Bedarf ihres Herrn, sie arbeiteten für seinen Gelderwerb. Sie arbeiteten nicht, damit er Marmor oder Schwefel, Eisen oder Kupfer, Gold oder Silber in seinem Haushalt konsumiere, sondern daß er die Produkte des Bergwerks verkaufe und Geld dafür erhalte, jene Ware, um die man alles zu kaufen vermag, alle Genüsse, alle Macht, von der man nie zu viel haben kann. Aus den Arbeitern in den Bergwerken wurde nun so viel Arbeit herausgeschunden als möglich, denn je mehr Arbeit sie leisteten, desto mehr Geld erwarb ihr Besitzer. Dabei wurden sie möglichst schlecht genährt und gekleidet. Ihre Nahrung und Kleidung mußte man ja kaufen, man mußte Geld dafür ausgeben, die Sklaven im Bergwerk produzierten sie nicht selbst. Wußte der Besitzer eines reichen Haushalts mit seinem Überfluß an Gebrauchs- und Lebensmitteln nichts anderes anzufangen, als seine Sklaven und Gastfreunde damit reichlich zu versehen, so wurde bei der Warenproduktion jetzt der Gewinn an Geld, den der Betrieb lieferte, um so größer, je weniger die Sklaven verbrauchten. Ihre Lage verschlechterte sich um so mehr, je mehr der Betrieb zum Großbetrieb wurde, je mehr sie dadurch vom Haushalt des Herrn losgelöst, in eigenen Kasernen gehalten wurden, deren grauenhafte Kahlheit in grellem Kontrast zu dem Luxus des ersteren stand. Auch jedes persönliche Verhältnis zwischen dem Herrn und den Sklaven ging verloren, nicht nur wegen der Trennung ihrer Arbeitsstätte von seinem Haushalt, sondern auch wegen der Massenhaftigkeit der Arbeiter. So wird aus Athen zur Zeit des Peloponnesischen Krieges berichtet, daß Hipponikos 600 Sklaven in den thrakischen Bergwerken arbeiten ließ, Nikias...