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Deutschland, hab Mut!

Eine Unternehmerfamilie zeigt, wie Integration wirklich gelingt

AutorErman Tanyildiz, Florian Tanyildiz
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl112 Seiten
ISBN9783960920496
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Florian Tanyildiz wurde 1984 in Berlin geboren. Er hat International Strategic Management studiert und ist seit 2015 Vorstandsmitglied des Bundes der Jungunternehmer (BJU/ASU) im Regionalkreis Berlin. Seit 2010 ist er Inhaber und Geschäftsführer der OTA Tanyildiz Schweißtechnik und im Ausbildungszentrum OTA für Qualitätsmanagement und Projektentwicklung zuständig.

Erman Tanyildiz wurde am 1. Mai 1949 in Istanbul in der Türkei geboren. Er absolvierte das deutsche Gymnasium in Istanbul und betritt 1970 zum ersten Mal deutschen Boden, wo er sein Maschinenbau-Studium an der Technischen Universität beginnt und später zum Wirtschaftsingenieurswesen wechselt. Bereits 1979 will er sich selbstständig machen, doch die Banken mauern. Also wird er Bereichsleiter in einer Firma für berufliche Umschulung und Fortbildung. Nach sechs Monaten wird er Prokurist, danach Geschäftsführer der Berliner Niederlassung, im Anschluss stellvertretender Geschäftsführer für das gesamte Unternehmen. Nach drei Jahren Berufserfahrung macht er sich mit der Gesellschaft für berufliche Bildung, OTA, selbstständig. Seit Februar 1992 besitzt Erman Tanyildiz auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Florian Tanyildiz wurde 1984 in Berlin geboren. Er hat International Strategic Management studiert und ist seit 2015 Vorstandsmitglied des Bundes der Jungunternehmer (BJU/ASU) im Regionalkreis Berlin. Seit 2010 ist er Inhaber und Geschäftsführer der OTA Tanyildiz Schweißtechnik und im Ausbildungszentrum OTA für Qualitätsmanagement und Projektentwicklung zuständig.

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Leseprobe

Integration durch Bildung – leichter gesagt als getan


Sie ist eines der Reizwörter in Sachen Einwanderung: die Integration. Meist geht die Diskussion schon bei der Frage los, was man denn nun bitteschön unter Integration zu verstehen habe. Für die einen bedeutet sie die mehr oder minder konsequente Assimilation. Nach dem Motto: When in Rome, do as the Romans do. An sich keine schlechte Handreichung, doch steckt hinter solchen Anpassungsforderungen meist ein eher mechanistisches Gesellschaftsverständnis.

Als ob Zuwanderer ihre Herkunft, Geschichte und Kultur wie Hut, Mantel und Regenschirm an der Garderobe ablegen könnten. Um dann Kleidung anzuziehen, die der jeweiligen sogenannten Leitkultur entspricht. Für andere Diskutanten ist Integration ein wechselseitiger Prozess. Sie fordern nicht nur Anpassungsbereitschaft vom Einwanderer, sondern auch Akzeptanz und Offenheit von der Gesellschaft, in die er eintritt. Extremere Vertreter dieser Richtung nehmen eine sogenannte Multikulti-Perspektive ein. Sie sprechen sich für ein friedliches Nebeneinander von Zugewanderten und Einheimischen aus, frei von jedem Zwang zur Assimilation.

Welchen Integrationsbegriff bevorzugen wir? Als Unternehmer tendieren wir zu einer nüchternen, ideologiefreien Definition. Leitkultur und Multikulti sind für uns zweifelhafte Kampfbegriffe. Um ein Vielfaches wohler fühlen wir uns mit der sozioökonomischen Perspektive, wie sie zum Beispiel vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung vertreten wird. Eine gelungene Integration liegt somit dann vor, wenn die durchschnittliche Lebenssituation von Migranten in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht dem Mittelwert der Gesellschaft entspricht. Auf gut Deutsch heißt das: Erst wenn es einem durchschnittlichen Einwanderer so gut geht wie einem durchschnittlichen Einheimischen, ist er wirklich integriert.

Mit dem IMI, dem Index zur Messung von Integration, hat das Berlin-Institut ein Instrument geschaffen, das solide Aussagen über den Stand der Integrationspolitik in Deutschland erlaubt. 2009 wurde er erstmals vorgestellt. Er basierte auf den Daten des Mikrozensus von 2005 – der kleinen Version der großen Volksbefragung – und untersuchte den Migrationserfolg von acht Herkunftsgruppen. Interessanterweise wurden in früheren Volksbefragungen niemals Angaben zu einer eventuellen Zuwanderungsgeschichte des Befragten erhoben, 2005 war das zum ersten Mal der Fall.

15 Indikatoren zu den Themen Vermischung, Bildung, Erwerbsleben und soziale Absicherung umfasst der IMI. Außerdem gibt es fünf weitere Indikatoren, um die Veränderung in ausgewählten Lebenslagen der Zugewanderten im Vergleich zu ihren in Deutschland geborenen Kindern abzubilden. So will man die Integrationserfolge der zweiten Generation transparenter machen.

2010 lieferte ein weiterer Mikrozensus neue Daten. Vergleicht man nun die IMI-Resultate auf Basis der Daten von 2005 und 2010, ergibt sich ein aussagekräftiges Bild vom Stand der Integration in Deutschland. Die allgemeine Tendenz wird vom Berlin-Institut als positiv bezeichnet. Die Lage der Migranten habe sich gebessert. Als Hauptgrund hierfür wird die bessere wirtschaftliche Lage genannt. Mehr Zuwanderer hätten dadurch Arbeit gefunden. Unterschiede zwischen Zuwanderern und Einheimischen blieben aber bestehen. Erstere sind durchschnittlich schlechter ausgebildet, häufiger ohne Erwerbstätigkeit und sie nehmen weniger am öffentlichen Leben teil. Schaut man sich die Ergebnisse mit Blick auf die jeweiligen untersuchten Herkunftsgruppen an, zeigen sich deutliche Differenzen. Zuwanderer aus dem EU-Raum schneiden in der Regel besser ab. Viele von ihnen kommen hoch qualifiziert nach Deutschland, um hier zu arbeiten. Bei Einwanderern aus dem Nahen Osten ist die Erwerbsbeteiligung trotz oftmals guter bis hoher Qualifikation unterdurchschnittlich. Zuwanderer mit irakischer oder libanesischer Herkunft sind zu 30 Prozent erwerbslos. Iraner hingegen bilden eine Ausnahme, sie weisen nicht nur einen sehr hohen Akademisierungsgrad auf, sondern sind auch überdurchschnittlich erfolgreich auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Einwanderer aus dem Fernen Osten sind ebenfalls in vielen Fällen gut ausgebildet, sie landen aber oft in schlecht bezahlten Berufen oder haben als Selbstständige nur ein geringes Einkommen. Die IMI-Ergebnisse sind vielfältig, differenziert und einsichtsvoll.

Eine Erfolgsgeschichte mit vielen Fragezeichen


Eine große Erkenntnis ergibt sich für uns: Trotz jahrzehntelanger Bemühungen und vieler Beteuerungen von Politik und Gesellschaft stellen sich Integrationserfolge nur zaghaft ein. Bildungschancen kommen nicht an bzw. gibt es weitere Hindernisse für Migranten, die sie daran hindern, gleichermaßen erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt zu sein wie die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft. Am augenfälligsten ist dies bei der größten Herkunftsgruppe, die untersucht wurde: Rund drei Millionen Menschen türkischer Herkunft leben in Deutschland. Etwas überspitzt gesagt sind sie die Sorgenkinder der Integration. Wenn eine Migrantengruppe erfolgreich sein müsste in diesem Land, dann die türkische. Ihre Zuwanderungsgeschichte begann vor mehr als fünf Jahrzehnten. Die Hälfte von ihnen wurde hier geboren. Sie hätten also theoretisch am längsten und intensivsten vom deutschen Bildungssystem profitieren können. Praktisch ist dem aber nicht so, wie die IMI-Ergebnisse nahelegen. In einem hoch entwickelten Land wie Deutschland ist eine gute Bildung elementar. Die Bildungsbeteiligung vieler Menschen türkischer Herkunft ist jedoch mangelhaft, auch im Vergleich mit anderen Herkunftsgruppen. Warum ist das so? Über die Jahrzehnte hinweg kamen mehrheitlich ungelernte Gastarbeiter ins Land. Dies war durchaus gewollt, denn die deutsche Wirtschaft verlangte nach Arbeitskräften für einfache Tätigkeiten. Eine erschreckende Zahl bestätigt, dass dies bis heute nachwirkt: 68 Prozent der Türken im erwerbsfähigen Alter, die während der Laufzeit des Anwerbeabkommens nach Deutschland gekommen sind, verfügen bis zum heutigen Tage über keinen beruflichen Abschluss. Nun gut, mag jetzt mancher denken, das ist schon Geschichte. Wie sieht es denn mit der jungen Generation aus? Sprießen dort nicht viele, viele Pflänzchen der gelungenen Integration durch Bildung? Leider enttäuschen die Zahlen auch hier. Verglichen mit den Einheimischen wie auch mit anderen Herkunftsgruppen gibt es weniger Abiturienten und Akademiker unter den Einwanderern türkischer Herkunft. Nur eine Zahl von vielen, die das belegt: Hier geborene Türken im Alter von 20 bis 39 Jahren haben zu 25 Prozent Abitur, unter den einheimischen Deutschen derselben Altersgruppe verfügen jedoch 43 Prozent über die Hochschulreife.

Man kann sich vorstellen, dass solche Ergebnisse Stoff für zahlreiche Vorurteile und vorschnelle Erklärungen liefern. Mal recht platt: Der Türke sei eben nicht besonders pfiffig. Mal soziologisch unterfüttert: In türkischen Familien werde aufgrund patriarchalischer Strukturen zu wenig Wert auf Bildung gelegt. Für uns besagen die Resultate vor allem eins: Bildung ist für Menschen mit türkischer Herkunft umso nötiger, um sich erfolgreich integrieren zu können. Hier muss auf allen Seiten mehr getan werden. In seinem Kinder-Migrationsbericht plädiert zum Beispiel das Deutsche Jugendinstitut dafür, Kindern mit türkischem Migrationshintergrund besonders viel Unterstützung zuteilwerden zu lassen. Das Thema Förderung von Kindheit an behandeln wir später noch ausführlicher. Und selbstverständlich müssen sich türkische Familien, Gemeinden und Institutionen noch viel stärker engagieren. Konstruktive Selbstkritik ist gefordert, gerade auch, um populistischen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Doch wir wollen uns in unseren Ausführungen nicht auf türkische Einwanderer beschränken. Integration betrifft viele Gruppen, viele Individuen. Das Flüchtlingsthema führt uns dies vor Augen. Menschen vieler Nationen und Zungen müssen eine Zukunft in Deutschland finden. Jeder von ihnen ist anders. Das haben wir bereits bei den sogenannten Gastarbeitern erlebt. Wie der Politikwissenschaftler und Integrationsexperte Claus Leggewie es in seinem bekannten Zitat formulierte: »Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen.« Bundeskanzlerin Angela Merkel griff diesen Gedanken auf, als sie 2015 sinngemäß davon sprach, dass Menschen zu uns kämen und es eben kein anonymer Strom aus Flüchtlingen sei.

Integration ist ein Geben und Nehmen


Wovon sprechen wir also, wenn wir von Integration reden? Für uns ist sie ein Prozess des Gebens und Nehmens, ein Zusammenspiel von Anpassung und Akzeptanz. Zugewanderte und Einheimische müssen sich bewegen und sich verändern. Und ein ganzes Bündel an Bedingungen muss auf beiden Seiten erfüllt sein, damit Integration gelingen kann.

Hierfür muss die Gesellschaft sorgen:

  • rechtliche Gleichstellung
  • gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt
  • Förderung von Bildung und Ausbildung
  • Anerkennung von Bildungsabschlüssen
  • Toleranz gegenüber Ungewohntem
  • Respekt gegenüber Pluralität innerhalb einer demokratischen Gesellschaft

Dies müssen die Migranten leisten:

  • Lernbereitschaft
  • Sprache beherrschen
  • Wille zur ökonomischen Eigenständigkeit
  • Rechtsordnung akzeptieren
  • Flexibilität
  • kulturelle und soziale Normen respektieren

(vgl. Berlin-Institut für Bevölkerung...

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