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E-Book

Diagnostik und Förderung von Motivation und Volition

VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl221 Seiten
ISBN9783844430011
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Motivation und Volition spielen eine entscheidende Rolle für schulisches Lernen und Bildungsverläufe. Zudem ist eines der Ziele schulischer Bildung, eine hohe Lernmotivation zu fördern bzw. aufrechtzuerhalten. Ansätzen zur Diagnostik und Förderung von Motivation und Volition kommt daher eine bedeutsame Rolle in der pädagogischen und schulpsychologischen Praxis zu. Der vorliegende Band gibt einen Überblick über die Diagnostik und Förderung von Motivation und Volition im Schulkontext. Nach einer Einführung in die Grundlagen des Themengebietes werden verschiedene Verfahren zur Erfassung von Motivation und Volition von Schülerinnen und Schülern vorgestellt. Hierbei werden neben etablierten Verfahren auch neu entwickelte Verfahren besprochen, wobei stets auf aktuelle empirische Evidenz zu den erfassten Konstrukten und der Güte der Verfahren eingegangen wird. Über die Diagnostik hinausgehend sind inzwischen zahlreiche Ansätze entwickelt und getestet worden, die die Förderung von Motivation und Volition als Ziel haben. Neben einem Überblick über unterschiedliche Ansätze und den entsprechenden Forschungsstand werden einige Ansätze ausführlicher dargestellt, die in der letzten Zeit besonders intensiv beforscht wurden. Der vorliegende Band ermöglicht es somit Leserinnen und Lesern mit unterschiedlicher Expertise, einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Motivation und Volition und deren Diagnostik und Förderung bei Schülerinnen und Schülern zu erhalten.

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Leseprobe

|19|Kapitel 2
Standards der Diagnostik von Motivation im Schulalltag


Regina Vollmeyer

Zusammenfassung

Welche Motivationsdiagnostik wird von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen an Schulen durchgeführt? Welche Motivationskonstrukte können in Schulen mit standardisierten Tests erhoben werden, für welche liegen Fragebögen vor, die in der Forschung genutzt werden? Neben einem kurzen Einblick werden besonders relevante Motivationskonstrukte anhand eines Diagnoseschemas eingeführt, die viel Forschung angeregt haben (Selbstwirksamkeit) oder aktuell sehr populär sind (z. B. Mindset). Bei allen Motivationskonstrukten wird auf vorliegende standardisierte und normierte Tests oder eher für die Forschung entwickelte Instrumente hingewiesen. Unterschieden wird des Weiteren zwischen Motivationsformen und -problemen. Die Ausdifferenzierung von Motivationsformen und -problemen weist darauf hin, dass in der Wissenschaft mehr Aspekte berücksichtigt werden, als im Schulalltag zu diagnostizieren möglich ist. In der Schule fallen besonders die Probleme auf, die das Lernen beeinträchtigen. Anhand des Diagnoseschemas ist es für Lehrerinnen und Lehrer möglich, selbst die Motivationsprobleme der Schülerinnen und Schüler anhand der das Schema leitenden Fragen einzuschätzen. Die individualdiagnostische Erfassung dieser Motivationskonstrukte ist anspruchsvoll und unterliegt strengen Qualitätsstandards. Dies gilt sowohl für normierte Fragebögen, als auch für Verfahren, die zunächst für die Forschung entwickelt wurden. Solche Standards wurden von psychologischen Fachgesellschaften formuliert. Eine Auswahl von ihnen wird am Ende dieses Kapitels vorgestellt.

2.1 Motivationsdiagnostik im Schulalltag


Lehrerinnen und Lehrer klagen häufig über unmotivierte Schülerinnen und Schüler, die wenig am Unterricht teilnehmen. Da sie wollen, dass möglichst viele aktiv am Unterricht teilnehmen, ist es notwendig, die fehlende Motivation zu erklären und dann entsprechend zu intervenieren. Die exakte Diagnostik der (fehlenden) Motivation liegt letztendlich in der Verantwortung von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. Deren Diagnostik wird im Folgenden dargestellt. Aber auch Lehrerinnen und Lehrer sollten mögliche Erklärungen einschätzen können. Dazu wird ein Diagnoseschema skizziert (vgl. Kap. 2.2), das auf die Vielfalt der Erklärungen und die damit verbundenen Motivationskonstrukte hinweist. Hierzu wird das Rubikonmodell erweitert, das in Kapitel 1 dargestellt wurde. Wenn sich durch Diagnostik eine Erklärung für die fehlende Motivation bestätigen lässt, so kann eine Intervention erfolgen. Daher werden in der Darstellung des Diagnosesche|20|mas neben den Fragebögen zur Diagnostik auch Empfehlungen zur Förderung der jeweiligen Motivation gegeben.

Letztendlich soll auch auf Grenzen der Motivationsdiagnostik im Schulalltag eingegangen werden. Dies wird bereits durch die große Vielfalt der Konstrukte deutlich (vgl. Diagnoseschema in Abb. 2.1), die für Laien oft unüberschaubar ist, aber auch durch die Schwierigkeit, die Konstrukte gemäß psychologischer Standards zu erfassen. Dieses Kapitel weist darauf hin, dass manche Konstrukte noch nicht zufriedenstellend erfasst werden können.

Welche Motivationskonstrukte werden nun von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen erfasst? Berglez (2018) beschreibt die Aufgaben von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen entlang der vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen dargestellten Aufgabenfelder (BDP, 2015). In Bezug auf Motivation findet sich hier nur ein Hinweis: „Schulpsychologie unterstützt im Rahmen der Einzelfallberatung bei Lern-, Entwicklungs- und Verhaltensproblemen von Schülerinnen und Schülern, insbesondere bei der Stärkung der Selbstwirksamkeit, der Sozialkompetenz von Schülerinnen und Schülern sowie der Methodenkompetenz von Lehrenden“ (BDP, 2015, S. 4). Diese Auflistung lässt vermuten, dass Motivationsprobleme eher ein kleines Aufgabenfeld der Schulpsychologie ausmachen und hier besonders Selbstwirksamkeitsprobleme benannt werden. Entsprechend werden als diagnostische Verfahren Tests zur Messung des schulischen Selbstkonzepts (SESSKO; Schöne, Dickhäuser, Spinath & Stiensmeier-Pelster, 2012; vgl. Schöne & Dickhäuser, in diesem Band) eingesetzt. Darüber hinaus finden auch die Skalen zur Erfassung von Lern- und Leistungsmotivation (SELLMO; Spinath, Stiensmeier-Pelster, Schöne & Dickhäuser, 2012; vgl. Spinath & Schöne, in diesem Band) ihre Anwendung (Berglez, 2018). Im Vergleich der hier aufgeführten Motivationskonstrukte zu denen in Kapitel 1 genannten fällt die geringe Überschneidung auf.

In Hessen beispielsweise setzen Schulpsychologinnen und Schulpsychologen in Beratungssituationen als standardisierte Testverfahren ebenfalls den SELLMO ein (G. Bachmann, persönl. Mitteilung, 22.2.2018). Die Leistungsmotivation wird mit dem Fragebogen zur Leistungsmotivation für Schüler erhoben (FLM 4 – 6, FLM 7 – 13; Petermann & Winkel, 2007a, 2007b). Mit einem Persönlichkeitsfragebogen werden Eigenschaften der Schüler, z. B. ihre Motive („Bedürfnis nach Ich-Durchsetzung, Aggression und Opposition“, „Bedürfnis nach Alleinsein und Selbstgenügsamkeit“, „Schulischer Ehrgeiz“, „Bereitschaft zu sozialem Engagement“, „Neigung zu Gehorsam und Abhängigkeit gegenüber Erwachsenen“, „Maskulinität der Einstellung“), aber auch die „Fehlende Willenskontrolle“ erfasst (PFK 9 – 14; Seitz & Rausche, 2004). Bei der „Fehlenden Willenskontrolle“ handelt es sich um ein volitionales Konstrukt (vgl. Kap. 2.2.3). Um Schwierigkeiten bei der Selbstregulation zu diagnostizieren (vgl. Kap. 2.2.3), wird das Lern- und Arbeitsinventar (LAVI; Thiel & Keller, 1998) den Schülern vorgelegt. Die hier aufgelisteten, normierten Tests in deutscher Sprache kann man käuflich erwerben.

|21|In Unterrichtsbeobachtungen und diagnostischen Gesprächen werden von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen motivationale Faktoren (z. B. intrinsische/extrinsische Motivation, Erwartungen und Anreize) erhoben (G. Bachmann, persönl. Mitteilung, 22.2.2018). Hierfür liegen keine käuflichen, normierten Tests vor, obwohl dies für Schulpsychologinnen und Schulpsychologen wünschenswert wäre. Diese kurze, nicht-repräsentative Auflistung von Motivationsdiagnostik verdeutlicht, dass es nur wenige deutsche Tests mit Normtabellen gibt und dass nicht alle Motivationskonstrukte, die in Kapitel 1 genannt werden, im Schulalltag erfasst werden. Das mag daran liegen, dass für viele der genannten Konstrukte zwar Erhebungsinstrumente vorliegen, diese aber noch nicht den Qualitätsstandards entsprechen (Kersting, Häcker & Hornke, 2011). Für viele Motivationskonstrukte sind Fragebögen für die Forschung entwickelt worden, die aber nicht an großen Stichproben untersucht wurden und für die keine standardisierten Testanleitungen existieren (siehe auch Rheinberg, 2004).

2.2 Ein Diagnoseschema


In Kapitel 1 wurden anhand des Rubikonmodells bereits einige Motivationskonstrukte eingeführt, die anhand der vier Phasen des Modells geordnet werden können (Heckhausen & Gollwitzer, 1987). In diesem Kapitel sollen anhand eines Diagnoseschemas weitere Motivationskonstrukte erläutert werden. Diese Erweiterung soll auf Motivationskonstrukte hinweisen, die viel Forschung angeregt haben. Gleichzeitig gibt das Diagnoseschema Lehrerinnen und Lehrern eine Diagnosehilfe an die Hand, da durch einfache Fragen Erklärungen für das Unterbleiben von Aktivitäten (z. B. Hausaufgaben erledigen, am Unterricht beteiligen, usw.) gefunden werden können.

Eine Motivationsform wurde im Rubikonmodell (vgl. Kap. 1) nicht explizit beschrieben, nämlich die Motivationsform, die vorliegt, wenn eine Aktivität, z. B. das Lernen, ganz ohne Anstrengung erfolgt (Sokolowski, 1993). So wurde ursprünglich die Handlungsphase oder auch aktionale Phase als eine volitionale, das heißt, willentlich gesteuerte Phase konzipiert. Der Handelnde überwacht sich selbst, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Denkbar wäre jedoch, dass diese Handlung nicht volitional gesteuert wird, sondern motivational, d. h. die Aktivität wird umgangssprachlich als „Macht Spaß!“-Aktivität erlebt und weniger als anstrengende, sich-selbst-zwingende und -kontrollierende Aktivität.

Ein Beispiel, das den Unterschied zwischen einer volitionalen Handlungsphase und einer motivationalen zeigen soll, ist das folgende: Eine Schülerin durfte sich im Kunstunterricht ihr Referatsthema selbst aussuchen....

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