Kinderverhaltenstherapie: Methoden und Beispiele
Franz Petermann und Rieke Petersen

1 Einleitung

Kinderverhaltenstherapeutische Methoden basieren auf den gleichen Prinzipien, die auch der Verhaltenstherapie mit Erwachsenen zugrunde liegen. Bei älteren Jugendlichen zeigen sich kaum Unterschiede zu den Methoden, die im Erwachsenenalter eingesetzt werden. Insbesondere bei jüngeren Kindern müssen die verhaltenstherapeutischen Methoden an die jeweilige Altersgruppe angepasst fassende Diagnostik des jeweiligen Entwicklungsstandes des Kindes voraus. Um der Altersgruppe junger Kinder gerecht zu werden, ist es erforderlich, die Therapiestunden stark vorzustrukturieren. Dies beinhaltet wiederkehrende Rituale (Besprechung der Hausaufgaben und individueller Verstärkerpläne, ggf. Entspannungsübungen sowie Spielzeit). Vor allem müssen die Therapiematerialien an die jeweilige Altersgruppe angepasst werden. Die Therapieinhalte werden häufig mittels Bildergeschichten, Fotos oder altersgerechter Arbeitsblätter vermittelt. Zusätzlich können auch „Therapiehelfer“ in Form von Handpuppen oder Stofftieren eingesetzt werden.

Eine weitere Besonderheit bei der Kinderverhaltenstherapie ist der verstärkte Fokus auf die Einbindung von Bezugspersonen (neben Eltern auch Lehrkräfte etc.). Je jünger die Kinder sind, desto stärker wird ihr Verhalten durch die Reaktionen ihrer direkten Bezugspersonen beeinflusst. In Abhängigkeit davon, wie generalisiert sich das problematische Verhalten zeigt, müssen dementsprechend mehrere Lebensbereiche bei der Therapieplanung berücksichtigt werden (z. B. Schule, Freizeitaktivitäten). Zudem ist der Austausch mit verschiedenen weiteren Fachpersonen, wie Kinderärzten, Kinder- und Jugendlichenpsychiatern, Logopäden, Ergotherapeuten oder Mitarbeitern der Jugendhilfe ein zentrales Element der therapeutischen Arbeit mit Kindern.

Im Kindes- und Jugendalter hängt die Wahl der geeigneten Therapiemethode von verschiedenen Vorbedingungen ab, die im Rahmen der Diagnostik und Therapieplanung ausführlich exploriert werden sollten. Hierzu gehören neben den kognitiven Voraussetzungen auch die Motivation der Kinder und Jugendlichen sowie die Bereitschaft ihrer Familien, die Therapie zu unterstützen. Noch vor Beginn der Therapie muss beurteilt werden, wie gut die Familien in der Lage sind, die Rahmenbedingungen für den erfolgreichen Einsatz der jeweiligen Methoden einzuhalten. Hierzu zählt besonders die regelmäßige Teilnahme an den Therapie- und Bezugspersonenstunden. Bevor verhaltenstherapeutische Methoden eingesetzt werden, sollte die Familie immer über das Ziel, das Wirkprinzip und den Einsatz einer Methode aufgeklärt werden (Psychoedukation). Auf diese Weise steigern sich wiederum die Motivation und damit auch die Mitarbeit, sodass ein Behandlungserfolg wahrscheinlicher wird.

Im folgenden Kapitel werden die Methoden, die in der Kinderverhaltenstherapie eingesetzt werden, überblicksartig dargestellt. Zu verhaltenstherapeutischen Methoden zählen Techniken der Gesprächsführung, Module komplexer Verhaltenstrainings sowie Methoden zur Emotionsregulation und zur Förderung positiver Emotionen, kognitive Verfahren, Methoden zum Training sozialer Fertigkeiten sowie verschiedene spezifisch für bestimmte Störungsbilder angewandte Methoden. Das Thema Eltern- und Familienarbeit sowie neuere Ansätze der Verhaltenstherapie werden in gesonderten Kapiteln in diesem Buch behandelt.