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E-Book

Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau

Meine Erlebnisse in drei Erdteilen

AutorGunther Plüschow
Verlagepubli
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl198 Seiten
ISBN9783745001570
Altersgruppe18 – 99
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Kapitänleutnant Plüschow war der einzige Flieger in Tsingtau. Während der Belagerung Tsingtaus durch japanische Truppen entkommt Plüschow mit dem Flugzeug nach China. Nachdem Gunther Plüschow seine Spuren verwischt, indem er sein Flugzeug verbrennt, beginnt sein spektakuläres Bemühen die Heimat zu erreichen. Mit falschen Pässen und verschiedenen Identitäten 'reist' Plüschow über Asien, Amerika bis schließlich nach Europa. Doch hier 'kurz vor dem Ziel' fällt er einem Verrat zum Opfer und gerät in englische Kriegsgefangenschaft. Als Einziger gelingt ihm die Flucht. Als er endlich Deutschland erreicht, wird er nach anfänglichen Missverständnissen, endgültig zum Idol.

Gunther Plüschow, ein deutscher Marineoffizier, der als Flieger von Tsingtau bekannt wurde.

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Leseprobe

Fliegerfreuden und Fliegerleiden


Es war im August des Jahres Neunzehnhundertunddreizehn, als ich in meiner Heimatstadt Schwerin anlangte. Mehrere Wochen hatte ich mich in England aufgehalten, hatte mich vor allen Dingen in London dem Studium der dortigen reichhaltigen Kunstschätze hingegeben und mich tagelang in London und seiner Umgebung herumgetrieben. Damals ahnte ich nicht, wie wertvoll mir diese Streifzüge zwei Jahre später werden sollten. Eine gewisse innere Erregung und Unruhe hatte mich schon auf der ganzen Reise befallen, und als ich in Schwerin ankam, wagte ich nicht, meinem Onkel, der mich abholte, die Frage, die mir seit Tagen auf der Seele gebrannt hatte, zu stellen. Denn in diesen Tagen sollten die neuen Herbstkommandierungen der Marine herauskommen, und für mich handelte es sich darum, ob mein seit Jahren genährter Wunsch endlich in Erfüllung gehen sollte.

Die Frage meines Onkels: „Weißt du, wo du hinkommst?“ traf mich wie ein elektrischer Schlag.

„Nein.“

„Na, dann herzlichen Glückwunsch, Marine-Fliegerabteilung!“ Vor Freude hätte ich am liebsten mitten auf der Straße einen Handstand gemacht, doch die guten Schweriner Mitbürger wollte ich nicht zu sehr in Aufruhr versetzen.

Endlich war also mein Wunsch erfüllt!

Die letzten Tage des Urlaubs vergingen wie im Fluge, und froh kehrte ich zur Marineschule zurück, um die letzten Wochen meiner anderthalbjährigen Tätigkeit als Inspektionsoffizier zu vollenden, und wohl noch nie habe ich mit größerer Freude meine Koffer gepackt, um meiner neuen Bestimmung entgegenzufahren.

Gerade einige Tage vor meiner Abfahrt kam einer meiner Kameraden zu mir und rief mir zu:

„Wissen Sie schon das Neueste, wo Sie hin kommen sollen?“

„Ja, Flieger.“

„Mensch, Sie ahnen ja noch gar nicht Ihr Glück, Sie kommen ja nach Tsingtau!“

„Ich war sprachlos und muß ein ziemlich dummes Gesicht gemacht haben.”

„Ja, Tsingtau, und zwar als Flieger! Sie Glückspilz, Sie sollen der erste Marineflieger in Tsingtau werden!“

Es war wohl kein Wunder, daß ich dieses nicht glauben wollte, bevor ich die offizielle Bestätigung erhielt. Es war Wirklichkeit. Soviel Dusel sollte ich tatsächlich haben.

Drei Monate Wartezeit noch in Kiel, und endlich brach der erste Januar Neunzehnhundertundvierzehn an, und ich befand mich im geliebten Berlin.

Und die Unruhe! Gar nicht zu bremsen war ich. Und schon am zweiten Januar stand ich in Johannisthal und dachte, sofort mit dem Fliegen anfangen zu können. Aber mir ging es wie wohl den meisten Flugschülern. Zum ersten Male erfuhr ich den alten Erfahrungssatz der Fliegerei: Nur die Ruhe kann es machen, wer fliegen will, muß vor allen Dingen warten lernen!

Warten, warten und immer wieder warten. Achtzig Prozent der ganzen Fliegerei besteht nur aus Warten und sich Klarhalten.

Es hatte nämlich Frau Holle gefallen, ihre Daunenkissen auszuschütteln, und das ganze Flugfeld war unter einer tiefen Schneeschicht begraben. Fliegen unmöglich. Und wochenlang kam ich jeden Morgen wieder und dachte: Nun muß doch der Schnee fort sein! Aber enttäuscht kehrte ich nachmittags wieder nach Hause zurück.

Im Februar endlich wurde es schön. Und am ersten Februar saß ich glücklich vorn in meiner Taube, und auf ging es zum ersten Male in die herrliche kalte Winterlust hinauf. Das Wetter meinte es gut in diesen Tagen, und unermüdlich wurde Tag für Tag geschult.

Die Fliegerei lag mir, das hatte ich bald heraus. Und ich war ganz stolz, als ich schon am dritten Tage allein fliegen durfte. Zwei Tage war ich gerade alleine geflogen, da kam an einem schönen Sonnabendnachmittag mein unermüdlicher Lehrer Werner Wieting zu mir und sagte: „Na, wie war's, Herr Oberleutnant, wollen Sie nicht gleich Ihr Pilotenexamen machen? Das wäre doch ein netter kleiner Rekord!“

„Ja, natürlich, ich bin klar!“

Zehn Minuten später saß ich bereits in der Maschine, und lustig drehte ich mit meinem Täubchen die vorgeschriebenen Kurven. Es war eine wahre Lust, sich in der herrlichen Winterlust herumzutummeln. Und als die letzte Prüfungslandung tadellos geglückt war, und als mein Lehrer mir stolz zum Glückwunsch die Hand reichte, da war mir so recht wohl zumute, und ein Gefühl der inneren Befriedigung und des Glücks beschlich mich.

Nun war ich also Pilot. Die Schulzeit war vorüber, und frei und allein konnte ich von jetzt ab täglich eine der großen hundertpferdigen Maschinen nach Herzenslust fliegen.

Ein Sonderunternehmen sollte mir damals viel Freude bereiten. Rumpler hatte einen neuen Eindecker herausgebracht, der besonders auf gutes Steigen gebaut war. Es galt nun, mit diesem Flugzeug den Welthöhenrekord zu erringen. Der bekannte Flieger Linnekogel sollte dieses Flugzeug steuern, und er bat mich, als sein Beobachter mitzufliegen. Was war selbstverständlicher, als daß ich ja sagte.

An einem der letzten Tage im Februar starteten wir zum ersten Versuch. Dicht eingehüllt zum Schutz gegen die große Kälte saßen wir in unserem Flugzeug, und voll Neid blickten uns viele Menschenaugen nach, als sich leicht wie eine Libelle schon nach kurzem Anlauf der Vogel erhob. Mit der Uhr in der Hand beobachtete ich die Höhe, und schon nach fünfzehn Minuten waren zweitausend Meter erreicht, damals eine außerordentliche Leistung. Nun ging es aber langsam. Die Luft wurde sehr unruhig, und wie eine Feder wurden wir durch die heftigen Fallböen auf und ab geworfen. Nach einer Stunde hatten wir endlich viertausend Meter erreicht, als mit einem Fauchen und Spucken der Motor anfing zu streiken und nach wenigen Sekunden mit einem Ruck stehen blieb. In Spiralen glitten wir mit großer Geschwindigkeit dem Boden zu, und wenige Minuten später stand das Flugzeug wohlbehalten auf dem Flugplatz.

Die Kälte war zu groß gewesen, der Motor war einfach eingefroren und dieses Hindernis nicht bedacht worden. Emsig wurden Verbesserungen eingebaut. Schon einige Tage später starteten wir zum selben Versuche, und dieses Mal schienen wir mehr Glück zu haben.

Ruhig und sicher gewannen wir stetig an Höhe.

Viertausend Meter, viertausendzweihundert, viertausendfünfhundert Meter, Gott sei Dank, der Rekord vom letzten Male war gebrochen! Die Kälte war fast unerträglich, und ich glaube, selbst die dickste Pelle hätte bei dem scharfen Luftzug nichts geholfen. Viertausendachthundert, viertausendneunhundert Meter! Nun fehlten nur noch vierhundert Meter, dann war das gesteckte Ziel erreicht. Aber wie verzaubert weigerte sich das Flugzeug, auch nur einen Meter höher zu klettern. Es half nichts. Der Betriebsstoff ging auf die Neige, und wiederum setzte der Motor plötzlich aus, diesmal in Höhe von viertausendneunhundert Metern.

Ohne einen Tropfen Benzin langten wir wohlbehalten unten an, fast zu einem Eisklotz erfroren.

Alles hatten wir nicht erreicht, aber doch einen schönen Erfolg: der deutsche Höhenrekord war glänzend gewonnen!

Der Erfolg spornte uns aber dazu an, auch das letzte Ziel zu erreichen. Und Anfang März endlich war das Wetter wieder so weit, daß ein neuer Versuch unternommen werden konnte. Noch dicker eingehüllt wie das letztemal, mit Thermometer versehen, aber ohne Sauerstoffapparat verließen wir zu einem dritten Versuche den Flugplatz.

Die ersten Höhen wurden wieder spielend gewonnen. Große Wolken schwebten am Himmel, die Temperatur war eisig. Als wir durch die Wolkendecke nach oben in den strahlenden Sonnenschein durchstießen, hatten wir ein herrliches Erlebnis. Plötzlich sahen wir nämlich vor uns von der Sonne wunderbar beleuchtet ein Zeppelinluftschiff, welches ebenfalls zu einer Höhenfahrt aufgestiegen war.

Welch wunderbare Begegnung in über dreitausend Meter Höhe! Weit ab von allem Menschengetriebe, hoch über des Alltags Sorge und Last trafen sich die beiden Maschinen, die so beredt von Deutschlands Kraft und Können zeugten.

Wir umkreisten den großen Bruder einige Male und winkten ihm mit den Händen ein stummes „Glück ab“ zu!

Dann fing der Ernst für uns wieder an. Und unermüdlich mußten wir arbeiten, um unser Ziel zu erreichen. Nach einer Stunde hatten wir viertausendachthundert Meter erreicht, dann kamen viertausendneunhundert, mein Barograph zeigte bald fünftausend, und immer noch brummte der Propeller seine gleichmäßige Melodie. Ruhig und sicher zog Linnekogel seine Kreise. Das Thermometer zeigte bereits minus siebenunddreißig Grad Celsius, aber wir achteten der Kälte nicht. Nur die Luft wurde etwas knapp. Ein leises Gefühl der Müdigkeit beschlich mich, und die Lungen arbeiteten nur noch in ganz kurzen schnellen Stößen. Jede Bewegung war beschwerlich. Und selbst das einfache Umdrehen nach dem hinter mir sitzenden Führer war mit großer Anstrengung verbunden.

Der Himmel war inzwischen herrlich geworden. Die Wolkenbänke hatten sich verzogen, und wunderbar klar lag unter uns Berlin und seine Umgebung. Nur so groß wie eine Handfläche sah die Weltstadt aus dieser enormen Höhe aus. Ein schwarzer Fleck, in dem man aber klar und deutlich die Straße Unter den Linden und die daran schließende Charlottenburger Chaussee verfolgen konnte.

Von diesem wunderbaren Anblick gänzlich hingerissen, hatte ich längere Zeit nicht auf Uhr und Barograph...

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