Spacer
Spacer nehmen physikalischen Einfluss auf die Größe der Primärtröpfchen, da ihnen in diesem Hohlraum genügend Zeit, Strecke und Volumen bleibt, dass sie verdampfen zu können. Hierdurch kann der Anteil der schwebfähigen und lungengängigen Wirkstoffpartikel pro Sprühstoß (Dosis) intrathorakal, also in Lunge und Bronchien, erhöht und die unerwünschte extrathorakale Deposition im Mund-, Rachen- und Gaumenbereich verringert werden. Diese Hohlraumsysteme lösen zugleich das Koordinationsproblem des gleichzeitigen Auslösens und Inhalierens eines Dosier-Aerosols, da mehrere Sekunden Zeit verbleiben, bis die im Hohlraum eines Spacers schwebenden Wirkstoffpartikel nach Verdampfung der Primärtröpfchen ohne Hektik und großen Zeitdruck inhaliert werden können. Aufgrund elektrostatischer Aufladungen lagern sich jedoch in der Regel viele Aerosolpartikel einer Sprühdosis an der Innenwand dieser Hohlraumsysteme ab und sind dadurch für den Patienten wirkungslos. Es werden also teure Wirkstoffe verschwendet.
Außerdem kommt es zu elektrostatischen Aufladungen der Spacer, ein allgemein bekanntes technisches Problem, das die Dosenstabilität beziehungsweise Dosissicherheit der Dosier-Aerosole beeinflusst, jedoch von den Arzneimittelzulassungsbehörden als nicht gefährlich eingestuft wird. Letztendlich ist das erklärte medizinische Ziel, einen möglichst großen Wirkstoffeintrag in die Lunge und Bronchien bei jedem Sprühstoß zu erzielen und den Anteil der unerwünschten Ablagerungen im Mund-, Rachen- und Gaumenbereich so gering wie möglich zu halten.
Ein weiteres Problem ist, dass Spacer als Hohlraum- und Zerstäubungssysteme oft sehr groß – es gibt Systeme mit Volumen von teilweise bis zu 1,5 Liter – und deshalb als Taschengeräte ungeeignet sind. Wenn man derartige Geräte zum Beispiel in der Schule oder auf der Arbeitsstelle auspackt, wird man garantiert große Aufmerksamkeit auf sich ziehen, verwirrte Blicke ernten und mit hoher Wahrscheinlichkeit neugierige Nachfragen erhalten. Da lebensbedrohliche Volkskrankheiten wie Asthma und COPD stigmatisierend für die Betroffenen und leidenden Menschen sind, werden diese Medizinprodukte aufgrund der Größe zumeist nur zu Hause und überwiegend von Kindern eingesetzt, wenn überhaupt. Denn im Falle einer akuten Atemnot ist Schnelligkeit angesagt und keine „Schrauberei und Fummelei“ mit Zusatzgeräten.
Da das physikalische Ziel eines sogenannten Spacers die bessere Verdampfung der Primärtröpfchen aufgrund eines zumeist großen Hohlraumsystems ist, um hierdurch den Lungen- und Bronchieneintrag der lebenswichtigen Wirkstoffe zu erhöhen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Einsatz von leeren Tassen oder Plastikflaschen als Notbehelf-Spacer in Drittweltstaaten. Hierdurch kann der Therapieerfolg bei Dosier-Aerosolen mit den einfachsten und kostengünstigsten Mitteln verbessert werden. Denn Menschen in Drittweltstaaten haben in der Regel kein Geld, um kostenintensive Plastik-Spacer kaufen zu können (Zar, H. J., et al. In: Lancet, Nr. 354/1999, S. 979–982). Anhand der WHO-Empfehlung wird dokumentiert, dass es aus medizinischer Sicht absolut wünschenswert ist, die Lungen- und Bronchiendeposition von Dosier-Aerosolen durch eine verbesserte Verdampfung der Primärtröpfchen zu erhöhen und die extrathorakale Deposition (Ablagerungen im Mund-, Rachen- und Gaumenbereich) zu verringern.
Der Therapiezweck von Dosier-Aerosolen
Es handelt sich also bei Dosier-Aerosolen in der Therapie und Behandlung von Asthma, COPD und anderen Lungenerkrankungen um inhalative Arzneimittel, die ihre therapeutische Wirkung allein am Zielort Lunge und Bronchien entfalten und medizinisch als Königsweg betrachtet werden, denn ansonsten könnte man auf die orale Applikation derartiger Wirkstoffe zum Beispiel in Form von Tabletten und Tropfen zurückzugreifen, die jedoch mit weitaus mehr Nebenwirkungen behaftet ist. In einem Fachbeitrag mit dem Thema „Neue Wege in der Behandlung von Lungenerkrankungen“ von Dr. med. R. Bettschart, Facharzt für Pneumologie und Innere Medizin FMH (erschienen 2000 in der Patientenzeitschrift Treffpunkt), wurde zum Thema Inhalationstechnik unter anderem Folgendes geschrieben:
„Durch die Inhalation von bronchospasmolytischen und antientzündlichen Substanzen gelingt es, mit deutlich geringeren Dosen auszukommen, um den gleichen Effekt zu erzielen wie bei Einnahme des Medikamentes in Form einer Tablette. Um die gleiche bronchienerweiternde Wirkung wie mit der Inhalation der Substanz zu erreichen, müsste zum Beispiel der Bronchodilatator Fenoterol (Berotec) als Tablette 50- bis 100-fach höher dosiert werden. Dass dabei auch starke Nebenwirkungen auftreten, liegt auf der Hand. Bei der idealen Inhalation sollte die geringste Menge eines Wirkstoffes die größtmögliche Deposition in der Lunge und damit die größtmögliche Wirkung entfalten. Die Deposition ist abhängig von der Partikelgröße und von der Inhalationstechnik.“
In einem Beitrag beim Dritten Pneumologischen Workshop für Therapeuten im Klinikum Berchtesgadener Land im Januar 2003 zum Thema „Inhalative Therapie von Atemwegserkrankungen“ von Prof. Dr. med. K. Kenn, Chefarzt der Abteilung Pneumologie und Allergologie im Klinikum Berchtesgadener Land, steht in der Zusammenfassung unter anderem Folgendes:
„Bei der medikamentösen Therapie von Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale und COPD (chronic obstructive pulmonary disease) können durch Inhalation atemwegserweiternder oder entzündungshemmender Substanzen die Atemwege als Ort des Erkrankungsgeschehens direkt erreicht werden. Dies bietet die Chance, durch eine zielgerichtete Deposition mit geringerer Dosis effektiv, nebenwirkungsarm und kostengünstig einen Therapieerfolg zu erzielen.“
Es ist also nach Meinung der Fachärzteschaft das erklärte medizinische Ziel, durch die inhalative Therapie mit Dosier-Aerosolen die intrathorakale Deposition zu erhöhen und extrathorakale Deposition zu reduzieren, um hierdurch die Qualität und Effizienz der Therapie für die Patienten zu verbessern. Ferner können hierdurch der Medikamenteneinsatz, die Nebenwirkungen und Kosten für die Behandlung massiv verringert werden.
Pharmalobby und Politik – eine ungesunde Mischung
Es dürfte nachvollziehbar sein, dass Innovationen, die zu gewaltigen Einsparungen und somit zu Umsatz- und Gewinnreduzierungen bei der Pharmaindustrie führen, vehement mit allen Mitteln massiv bekämpft werden, weil diese die eigenen Pfründe und gewaltigen Gewinne in große Gefahr bringen. Diese Mittel und Möglichkeiten reichen sicherlich bis in die Politik hinein, bis hin zu Behörden und zum Gesetzgeber, indem zum Beispiel große Gewerbesteuerzahler wie die Pharmaindustrie mit dem Abbau von Arbeitsstellen oder einer Verlagerung ihrer Firma in andere Länder drohen können, wenn ihre wirtschaftlichen Interessen in akuter Gefahr sind. In der Regel reichen derartige Androhungen unter vier Augen schon aus, um verantwortliche Politiker gefügig zu machen. Es sind Fälle bekannt, in denen Beamte und Wissenschaftler der staatlichen Zulassungs- und Überwachungsbehörde Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach ihrer Pensionierung hoch dotierte Beraterverträge von der Pharmaindustrie erhielten. Sofern man sich also beim BfArM wohlwollend gegenüber der Pharmaindustrie verhalten hat, steigen sicherlich die Chancen, nach der Pensionierung einen lukrativen Beratervertrag als Belohnung für Gefälligkeiten während der aktiven Dienstzeit zu erhalten. Eine Korruption könnte nur verhindert werden, wenn es Beamten nicht gestattet wäre, nach ihrer Pensionierung eine direkte oder indirekte Tätigkeit für die Pharmaindustrie auszuüben. Die Pharmaindustrie verfügt aufgrund ihrer Kapitalmacht über genügend Mittel, Wege und Möglichkeiten, politischen und behördlichen Einfluss für ihre Interessen auszuüben, und dies wird von der Politik beziehungsweise vom Gesetzgeber seit Jahrzehnten stillschweigend toleriert. Vielleicht möchten sich Politiker keine Chancen verbauen, bei Bedarf selbst irgendwann einmal von einem „leicht korrumpierbaren Polit- und Behördensystem“ zu profitieren? Einflussnahmen findet man natürlich in allen Bereichen der Industrie und des Kapitals, insbesondere bei Banken und Versicherungen, also überall dort, wo es um sehr viel Geld und um Marktanteile geht.
Die Pharmaindustrie ist verschwiegen wie die Cosa Nostra und dies hat seine Gründe. Man hat einfach viel zu verlieren, wenn das eigene Nest durch einen Whistleblower beziehungsweise Informanten beschmutzt wird. Dies geschieht überall dort, wo sehr viel Geld zu einfach verdient wird, was auch für Banken, Versicherungen und andere mächtige Zweige der Industrie gilt. Wer quatscht, verliert seinen Job und findet in der „Familie“ keinen Job mehr. Es gibt in diesem Geschäft keine Moral und keinen Idealismus, wie man eindrucksvoll auch anhand eines Interviews des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Horst Seehofer in der Sendung „Frontal21“ (ZDF) aus dem Jahre 2003 feststellen kann, in dem er aussagte (https://www.youtube.com/watch?v=DCy1D1HGeeA):
„In Deutschland ist die Positivliste so wie dieser Entwurf 2003 immer wieder gescheitert. Warum? Das hat der ehemalige Gesundheitsminister Horst Seehofer erfahren müssen. Heute gibt er erstmals zu, der Druck der Pharmalobby war zu groß.
[Frage der Moderatorin an Horst Seehofer:] Heißt das denn, dass die Lobby wirklich so stark war dann, die Pharmalobby, gegen die Politik, und Sie quasi dann da zurückziehen mussten?
[Horst Seehofer:] Ja,...