Immer wieder ist in den Medien zu lesen, wie sehr der Pflegeberuf unter dem Mangel an Nachwuchskräften leidet (vgl. DBfK 2008; vgl. Focus Online 2013). Ein zentraler Aspekt für die Entstehung des Nachwuchskräftemangels ist der demographische Wandel, der dazu führt, dass es generell immer weniger Nachwuchs in unserer Gesellschaft gibt (vgl. BGW 2009: 8). Gleichzeitig steigt die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen, die bereits jetzt schon an dem Mangel an Pflegekräften in stationären Pflegeeinrichtungen[1] leiden. Was hat diese Thematik mit der Fragestellung eines attraktiven Pflegeberufes gemein? – Grundsätzlich liegt die Vermutung nahe, dass ohne eine attraktive Ausgestaltung des Pflegeberufes eine Rekrutierung von jungen Personen, unmittelbar nach Beendigung ihrer Schullaufbahn, für die Tätigkeit in einem Pflegeberuf kaum möglich ist. Viele andere Berufsbranchen kämpfen ebenfalls um junge Nachwuchskräfte, sei es in der Industrie, im Handel oder in der Gastronomie (vgl. Handelsblatt 27.06.2011). Die Berufsgruppe der Pflege wird sich Nachwuchskräfte zukünftig mit anderen Branchen teilen müssen (vgl. Handelsblatt 27.06.2011). Um allerdings ein Ausbleiben des Nachwuchses in der Pflege zu vermeiden und eine Imageverbesserung des Pflegeberufes zu erzielen, müssen Lösungswege bzw. Verbesserungsmaßnahmen gefunden und auch umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang stehen primär Personen in der Pflicht, die professionell in dieser Berufssparte tätig sind. Vor allem trifft dies jedoch auf Personen in Leitungspositionen und Repräsentanten zu.
Die vorliegende Arbeit beleuchtet die Entstehungsgeschichte der Pflege und die hiermit verbundene (Un-)Attraktivität des Pflegeberufes in Deutschland sowie vergleichsweise in anderen potentiell interessierenden Ländern. Darüber hinaus werden Lösungsansätze zur Verbesserung des Berufsbildes herausgearbeitet. Die zentrale These, die dieser Arbeit zugrunde liegt ist, dass durch eine Attraktivitätssteigerung des pflegerischen Berufsbildes die Nachwuchsrekrutierung im pflegerischen Sektor positiv beeinflusst werden kann.
Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, dass durch bestimmte Maßnahmen der Führungskräfte innerhalb der pflegerischen Berufsgruppe die Attraktivität des Pflegeberufes positiv beeinflussbar ist und somit langfristig gesehen zu einer Senkung des Fachkräftemangels und einer Qualitätsverbesserung der Patientenversorgung beigetragen werden kann. Darüber hinaus werden in dieser Arbeit die Herangehensweise sowie die erforderliche Methodik zur Umsetzung der Maßnahmen abgebildet. Insbesondere aufgrund des demographischen Wandels, der zunehmenden Pflegebedürftigkeit sowie der sinkenden Geburtenraten, sollte von allen Beteiligten eine Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufes angestrebt werden (vgl. Abschnitt 1.1).
Bereits heutzutage kann davon ausgegangen werden, dass in Deutschland wesentlich mehr pflegebedürftige Personen als aktuell berufstätige Pflegekräfte vorhanden sind (vgl. Fricke 2013: 1). Der Mangel an Pflege- und Pflegefachkräften ist schon längst in aller Munde. So schreibt „Die Schwester Der Pfleger“ über einen seit 60 Jahren anhaltenden Pflegenotstand in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Jacobs 2012; vgl. BGW 2009: 10). Auch die Arbeitsverdichtung bzw. die Arbeitsbelastung in der Pflege ist in den vergangenen Jahren aufgrund von Mittelknappheit und aufgrund des demographischen Wandels erheblich angestiegen (vgl. Marckmann 2005: 179 ff.). Der Pflegekräftemangel ist im Grunde genommen ein bis dato bundesweit ungelöstes Problem. Es finden sich sehr viele Fachartikel zu diesem Thema und ebenso auch sehr viele Kongresse, auf denen sich Fachexperten zu Themen wie bspw. Personalmangel in der Pflege und Versorgungsproblematik von Pflegebedürftigen austauschen (vgl. Fricke 2013: 1). Die langersehnte Umsetzung von effektiven Maßnahmen, wie z.B. die Etablierung einer Pflegekammer oder die Einrichtung einer Pflegegewerkschaft, blieb bisher aus (s.a. Abschnitt 6.2.1). Obwohl Pflege die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen darstellt, konnte sie sich bislang nicht richtig gegenüber den anderen Berufsgruppen positionieren (vgl. Sperl 1996: 12). Im Vergleich zur Pflege hat sich zum Beispiel die Ärzteschaft im Jahr 2005 mit ihrer eigenen Gewerkschaft, dem Marburger Bund, sehr vorbildlich organisiert (vgl. Newscode 2011). Offensichtlich muss die Berufsgruppe der Pflege noch reifen, erwachsener werden und vor allen Dingen mutiger (vgl. Fricke 2013: 1). Zudem müsste die Pflege ihre eigene Machtposition realisieren und hieraus Potential schöpfen (vgl. Tagesspiegel 2011).
Mit den Begrifflichkeiten Pflegenotstand und Nachwuchsmangel in der Pflege wird häufig der demographische Wandel assoziiert. Der demographische Wandel wird dadurch verursacht, dass die Anzahl der Pflegebedürftigen einerseits zunimmt und andererseits die Geburtenrate in Deutschland kontinuierlich abnimmt (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2010: 5). Diesen strukturellen gesellschaftlichen Veränderungen steht bereits heute eine große Personengruppe von pflegebedürftigen Menschen gegenüber. Aktuell sind insgesamt 2,5 Millionen Bundesbürger im Sinne des SGB XI pflegebedürftig, wovon 1,76 Millionen Pflegebedürftige im häuslichen Umfeld und 743000 Menschen in stationären Altenpflegeeinrichtungen vollstationär betreut und versorgt werden (vgl. Statistisches Bundesamt 2013: 5). Im Vergleich zu den Vorjahren ist in diesem Zusammenhang eine steigende Tendenz zu verzeichnen (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2010: 12). Vergleicht man die aktuellen Zahlen mit denen aus dem Jahr 1999, so ist die Zahl der zu Versorgenden in den Heimen um 32,0 % gestiegen. Im ambulanten Bereich stieg die Zahl der Pflegebedürftigen um 38,8 % (vgl. Statistisches Bundesamt 2013: 7). Auf Basis dieser Daten kann davon ausgegangen werden, dass gleichzeitig auch der Bedarf an Nachwuchspflegekräften gestiegen ist. Insgesamt waren im Jahre 2011 von den 4,9 Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen 2,8 Millionen Menschen in einem Pflegeberuf tätig (vgl. Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2013). So lässt sich anhand entsprechender statistischer Daten erkennen, dass die Anzahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen in den letzten 11 Jahren um 805.000 Beschäftigte gestiegen ist (vgl. Abb. 1). Ebenso ist auch die Anzahl der in der Pflege Tätigen um 560.000 Beschäftigte gestiegen (vgl. Abb. 1). Die Vermutung liegt nahe, dass dies mit dem steigenden Bedarf an Pflegekräften zusammenhängt. Demnach sind mit 2,8 Millionen in der Pflege beschäftigten Menschen, mehr Pflegende vorhanden als pflegebedürftige Menschen zu versorgen sind.
Auf den ersten Blick scheint diese Aussage allerdings nicht mit den rückläufigen Zahlen an Pflegekräften übereinzustimmen, insbesondere den Nachwuchsmangel betreffend. Die Ursache der stark gestiegenen Anzahl an Beschäftigten im Gesundheitswesen liegt allerdings insbesondere darin begründet, dass in den letzten Jahren Umwandlungen von Voll- in Teilzeitbeschäftigungen durchgeführt wurden (vgl. Simon 2011: 238; vgl. dip 2012: 14; vgl. Schroeter 2006: 63). Hierbei ist die Anzahl an Pflegekräften in stationären Altenpflegeeinrichtungen stark angestiegen, während die Anzahl der Pflegekräfte in Krankenhäusern rückläufig ist. Die Anzahl der Vollbeschäftigten insgesamt ist ebenfalls rückläufig (vgl. Simon 2011: 238).
Abb. 1 Anzahl der im Gesundheitswesen Tätigen (Angabe in 1000)[2] – Quelle: gbe-bund.de
Ein wesentlicher Faktor für den Personalabbau im Pflegebereich der Krankenhäuser ist der steigende Kostendruck in den bundesdeutschen Krankenhäusern. So sind die Personalkosten im pflegerischen Bereich der Krankenhäuser im Zeitraum von 2002 bis 2010 um 5,86 % gestiegen. Innerhalb des gleichen Zeitraums ist ein Anstieg der Personalkosten im ärztlichen Bereich um 52,47 % zu verzeichnen (vgl. dip 2012: 13 f.). Es ergibt sich somit eine Differenz von 46,61 %. Die Ärzteschaft begründet diesen deutlichen Anstieg der Personalkosten mit „einer Leistungssteigerung und einer notwendigen Anpassung an die europäischen Arbeitszeitrichtlinien (…)“ (dip 2012: 13). Im Jahre 2010 haben sich die Ausgaben im ärztlichen Bereich in Höhe von 13.390.817 € den Ausgaben des pflegerischen Dienstes in Höhe von 13.879.315 € fast angeglichen (vgl. dip 2012: 14). Während die Anzahl der Vollbeschäftigten im ärztlichen Dienst innerhalb der letzten 15 Jahre um 31,82 % stieg, sank sie im pflegerischen Bereich, bezogen auf den gleichen Zeitraum, um 13,20 %. Zeitgleich stieg die Zahl der zu versorgenden Patienten in den Krankenhäusern insgesamt um 11,82 % an (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2010: 7). Schlussfolgernd ist somit von einer gestiegenen Arbeitsbelastung innerhalb des pflegerischen Sektors auszugehen. Eine Entlastung auf Seiten des pflegerischen Personals ist bisher ausgeblieben (vgl. dip 2012: 15). Die oberhalb angeführten Daten deuten darauf hin, dass die Unterschiede zwischen der pflegerischen und ärztlichen Berufsgruppe stetig wachsen, zumal die Einführung der DRGs im Jahre 2004 dies noch...