Im Folgenden wird die theoretische Ausgestaltung von Shared Service Centern mit den Ergebnissen der Auswertung der erhaltenen Datensätze[155] verglichen, wobei sich der Aufbau dieses Kapitels an der Gliederung des Fragebogens orientiert. Aufgrund der notwendigen Einschränkung des Umfanges der vorliegenden Arbeit kann nicht auf alle Ergebnisse des Fragebogens detailliert eingegangen werden. Die Aspekte, die besonders interessant erscheinen, werden jedoch vertiefend behandelt und, wenn möglich, mit Ergebnissen anderer Arbeiten und Studien verglichen.
II.1 IT-Leistungen
Einleitend wird in Punkt 1 anhand einzelner idealtypischer Merkmale überprüft, ob es sich bei der untersuchten IT-Einheit bzw. dem untersuchten Unternehmen um Shared Service Center handelt. Zudem soll in Punkt 2 das Leistungsspektrum der vorliegenden IT-Einheiten erfasst und verglichen werden.
(1) Charakteristika
Wie oben beschrieben, zeichnet sich ein Shared Service Center durch verschiedene Charakteristika aus, die es von anderen Organisationsformen, speziell dem Outsourcing i. e. S., abgrenzt.[156] Alle 31 untersuchten Einheiten weisen die Merkmale dieser Organisationsform auf, wobei einschränkend darauf hingewiesen werden muss, dass aufgrund der starken Praxisorientierung einige Merkmale stark variieren. Die IT-Einheiten entsprechen nicht immer der „Idealform“ eines Shared Service Centers und können einzelne Merkmale anderer Organisationsformen aufweisen.
(2) IT-Leistungen
Das Angebot der IT-Einheiten[157] ist durch ein relativ homogenes Leistungs-spektrum gekennzeichnet (vgl. Abbildung II-1), wobei vor allem der Betrieb und die Betreuung von Anwendungssystemen, technische Dienstleistungen, Helpdesk- und Hotline-Dienste, Migrationsdienste sowie die Bereitstellung von Netzdiensten angeboten werden. Outsourcingunterstützung wird von den untersuchten IT-Einheiten jedoch weniger erbracht, was mit den gegensätzlichen Charakteristika von Shared Service Center und Outsourcing zu erklären ist.
Abb. III?1: Leistungserbringung durch IT Shared Service Center
(Quelle: eigene Darstellung)
II.2 Organisationsform
Um die aktuelle Ausgestaltung der Shared Service Center zu erfassen, wurden die ausgesuchten Unternehmen zu wesentlichen Organisationsaspekten befragt. Während die Fragen zu Rechtsform (Punkt 1), Beteiligungsverhältnis (Punkt 2), Kernkompetenzbezug (Punkt 3), wirtschaftlicher Verantwortung (Punkt 4) und Berichtspflicht/ Implementierungsauftrag (Punkt 5) vor allem der Überprüfung der Selbständigkeit dienten, sollte die Frage nach der Kombination der Leistungserbringung (Punkt 6) untersuchen, wie das Shared Service Konzept mit anderen Konfigurationsformen verknüpft werden kann und bei welchen Prozessen sich welche Form anbietet. Das Kapitel schließen unterschiedliche Fragestellungen zum Standort der Shared Service Einheit (Punkt 7) ab.
(1) Rechtsform
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, Shared Service Center als rechtlich selbständige Unternehmen in Form einer Kapital- oder Personengesellschaft oder als rechtlich nicht selbständige IT-Einheiten auszugestalten. Die wesentlichen Vorteile rechtlich selbständiger Einheiten sind vor allem eine Erhöhung der Transparenz und der Autonomie, um die Voraussetzungen für einen möglichen späteren Verkauf zu schaffen. Weitere Vorteile sind Motivationssteigerungen durch Betonung der Autonomie einerseits und Ergebnisverantwortung andererseits, Tarifvorteile sowie eine größere Selbständigkeit in Personal- und Entlohnungsfragen.[158] Nachteile können in einem erheblichen Zusatzaufwand durch die eigene Rechtsform mit steigenden Kosten sowie einer Angst vor der Abspaltung aus Sicht der Mitarbeiter gesehen werden.[159]
Die 31 untersuchten Shared Service Center waren zum großen Teil rechtlich selbständig und mehrheitlich als GmbH organisiert (vgl. Abbildung II-2).
Abb. III?2: Rechtsform der untersuchten IT-Einheiten
(Quelle: eigene Darstellung)
19 Prozent der IT-Einheiten hatten keine eigene Rechtsform und waren als interne Abteilung innerhalb des Unternehmens angesiedelt. Bei der Untersuchung von Kagelmann 1999 waren lediglich 58 Prozent der Shared Service Center im Finanzbereich als GmbH ausgestaltet und 42 Prozent besaßen keine eigene Rechtsform. Mögliche Ursachen für diese Entwicklung hin zur eigenen Rechtspersönlichkeit sind die oben beschriebenen Vorteile, vor allem aber eine erhöhte Transparenz und Marktfähigkeit sowie ein genereller Trend zur Ausgründung von IT-GmbHs,[160] der in Kapitel II.6 noch näher erläutert wird.
(2) Beteiligungsverhältnis
Grundsätzlich können rechtlich selbständige Einheiten danach unterschieden werden, in wessen Besitz bzw. in welchem Besitzverhältnis sie sich befinden. Zusammen mit den rechtlich nicht selbständigen Einheiten kann somit eine Unterteilung der Shared Service Center (SSC) in „Internes SSC“, „SSC als 100-prozentige Tochter“ (vollständige Beteiligung der Mutter- an der Tochter-gesellschaft) und „SSC als Joint Venture“[161] (Beteiligung größer als
20 Prozent aber kleiner als 100 Prozent) vorgenommen werden.[162] Partner der Muttergesellschaft in einem Joint Venture können entweder externe Kunden oder Unternehmen mit speziellem Know-How sein.[163]
Die rechtlich selbständigen Shared Service Center der vorliegenden Untersuchung sind alle durch eine Mehrheitsbeteiligung der Muttergesellschaft gekennzeichnet, wobei sogar 73 Prozent der SSC in vollständigem Besitz der Muttergesellschaft sind (vgl. Abbildung II-3).
Abb. III?3: Besitzverhältnis der untersuchten IT-Einheiten
(Quelle: eigene Darstellung)
Die Unternehmen wollen sich hierbei die Einflussnahme über die Shared Service Einheiten weiter sichern und den Risiken eines Kontrollverlustes (wie bspw. beim Outsourcing i. e. S.) entgegenwirken.
(3) Kernkompetenzbezug
Ein wesentliches Ziel[164] von Shared Service Centern ist es, Unterstützungsaufgaben für operative Einheiten zu leisten, damit diese sich auf ihre Kernkompetenzen[165] und -prozesse[166] konzentrieren können. Es ist zu beachten, dass nur durch Zusammenarbeit von operativen Einheiten und Unterstützungseinheiten nachhaltige Wettbewerbsvorteile geschaffen werden können, womit Shared Service Center einen wesentlichen Beitrag zur Kernkompetenz des Unternehmens leisten. Ergänzend ist anzumerken, dass nach Definition keine Kernkompetenzen in Shared Service Centern gebündelt werden sollen. Jedoch kann sich insbesondere durch das Konzentrieren von Mitarbeiterressourcen und -wissen in einem Center eine eigene Kernkompetenz der Einheit herausbilden, die originär lediglich eine Unterstützungsfunktion darstellte. Grundsätzlich lassen sich vier Fälle unterscheiden:[167]
Kein oder nur indirekter Bezug zur Kernkompetenz: Dieses generische Service Center übernimmt Supportaufgaben, die nicht spezifisch für Standorte oder Geschäfte des Mutterunternehmens sind. Eine Sonderform stellt hier das transitorische Center dar, welches die Vorstufe zur Veräußerung an Dritte darstellt, da darin keine Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen begründet liegen.[168]
Direkter Bezug zur Kernkompetenz: Die Unterstützungsleistungen dieses konzernspezifischen Service Centers sind so spezifisch bzw. strategisch so bedeutsam, dass sie nicht über den Markt von Dritten bezogen werden können und somit eine wesentliche Ergänzung der operativen Einheiten darstellen.
Bestandteil der Kernkompetenz: Unterstützungsaufgaben können als direkter Bestandteil der Wertschöpfungskette unmittelbar Beiträge zu Unternehmensaktivitäten in Form eines Competence Centers (z. B. IT-Consulting) leisten.
Eigene Kernkompetenz: Die marktfähigen Leistungen eines Service Centers mit eigener Geschäftskompetenz müssen keinen unmittelbaren Bezug zur Kernkompetenz des Mutterunternehmens besitzen, stellen jedoch eine eigene geschäftsfähige Kernkompetenz dar. Oftmals werden diese Center aus dem Unternehmensbereich ausgegründet und agieren selbständig am Markt.[169]
Die IT-Einheiten der untersuchten Unternehmen verfügten zu 42 Prozent über einen direkten Bezug zur Kernkompetenz der Organisation, während 19 Prozent Bestandteil dieser sind. Lediglich 13 Prozent verfügen über...