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Die Bedeutung der kulturellen Zwischennutzung von Brachflächen und -immobilien für die Standortentwicklung. Das Saarbrücker Festival 'Perspectives'

AutorMelanie Scheid
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl94 Seiten
ISBN9783656932109
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Geowissenschaften / Geographie - Wirtschaftsgeographie, Note: 2,0, Universität des Saarlandes (Fachrichtung Geographie), Sprache: Deutsch, Abstract: Vor dem Hintergrund von Niedergang und Schrumpfung wurde bereits in den 1980er Jahren das Potential von Kultur als Standortfaktor wiederentdeckt (vgl. HORNI 2011, S. 199). Auch der Deutsche Städtetag erkannte die Chancen, welche die Förderung von Kultur der Standortentwicklung und der wirtschaftlichen Entwicklung einer Stadt bietet, und nahm daher am 07. November 2013 folgende Forderung in sein Positionspapier zum Thema Standortfaktor Kultur auf: 'Der Wandel von der industriellen zur Dienstleistungsproduktion in den Städten verlangt kreative Potentiale in allen Wirtschaftssektoren. Die Kulturwirtschaft kann mit ihren Ressourcen zu dieser Entwicklung beitragen und gewinnt zunehmende Bedeutung als eigenständiger Wirtschaftsfaktor. Die Städte sollen kreative Milieus fördern und gute Rahmenbedingungen für das Zusammenwirken von Kultur und Wirtschaft schaffen. Dies dient nicht nur der wirtschaftlichen sondern auch der kulturellen Entwicklung in der Stadt' (STÄDTETAG 2013, web). Kombiniert man diese Forderung mit dem Ziel der Bundesrepublik, die Flächeninanspruchnahme durch die Revitalisierung und Entwicklung von Brachflächen zu senken, ergeben sich für die Stadt- bzw. Standortentwicklung ganz neue Möglichkeiten und Mittel. So können u.a. kulturelle Veranstaltungen bzw. Organisationen zur temporären Nutzung in den Brachen angesiedelt werden und deren weitere Entwicklung beeinflussen. Die vorliegende Arbeit untersucht daher am Beispiel des Saarbrücker Festivals Perspectives, inwiefern sich eine kulturelle Zwischennutzung von Brachflächen bzw. -immobilien auf die Standortentwicklung auswirkt. Allgemeine und einführende Fragen werden v.a. im Rahmen der Literaturrecherche beantwortet. Hinsichtlich der Untersuchung des konkreten Beispiels Festival Perspectives und seiner Auswirkungen auf bestimmte Standorte stellen leitfadengesteuerte Experteninterviews mit der Landesentwicklungsgesellschaft Saar, vertreten durch Herrn Heinz-Peter Klein, und der Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung, vertreten durch Herrn Jürgen Schäfer, einen Schwerpunkt dar. Beide Gesellschaften beschäftigen sich mit der Standortentwicklung des Saarlandes und können sich daher zur Entwicklung einiger Standorte konkret äußeren, aber auch allgemeine Einschätzungen und Bewertungen zu der untersuchten Thematik liefern. [...]

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Leseprobe

3 Standortbeschreibung Saarbrücken


 

3.1 Ursachen für Brachen im Regionalverband Saarbrücken


 

Seit Beginn der Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts ist die wirtschaftliche Entwicklung des Saarlandes „untrennbar mit der Montanindustrie, d.h. dem Bergbau und der Eisen schaffenden und verarbeitenden Industrie, verbunden“ (LERCH 2007, S. 125). Daher können die erste Kohlekrise und die erste Stahlkrise als Ausgangspunkt des saarländischen Strukturwandels gesehen werden (vgl. ebd., S. 125f.). Noch heute erinnern die verbliebenen Großbetriebe der Montanindustrie, Altindustriestandorte, aufgegebene Förderstandorte und Bergarbeitersiedlungen an diese Zeit (vgl. HARTZ 2007, S. 47). Neben dem wirtschaftlichen Strukturwandel hat zusätzlich der demographische Wandel zu verschiedenen Schließungen geführt und auch die in Kapitel 2 angesprochenen Umstrukturierungen der Deutschen Bahn haben sich auf Saarbrücken in Form von Stilllegungen von Bahnanlagen ausgewirkt (siehe Kapitel 5).

 

Die Folge ist, dass eine Neuinterpretation der Stadtlandschaft notwendig wird. Hierbei kommt es zu einem Bedeutungsgewinn des Unfertigen und Temporären (vgl. ebd., S. 52). „Die Gründe liegen in erster Linie in der Beschleunigung von Strukturwandel und Nutzungszyklen sowie in der wachsenden Vielfalt und Heterogenität gesellschaftlicher Anforderungen an urbane Räume“ (ebd., S. 52).

 

Eine Neuinterpretation ist auch deshalb notwendig, da die traditionelle lineare Planungslogik der Nachnutzungen im Sinne eines „Industrie- oder Bergbaustandort alt – Gewerbe neu“ heute aufgrund des großen Flächenangebotes und der geringen Nachfrage nicht mehr zutrifft (vgl. ebd., S. 52).

 

So kam es u.a. ab den 1980er Jahren zu einer Auseinandersetzung mit den Relikten der stillgelegten Hüttenwerke. Beispiele hierfür (innerhalb des Regionalverbands Saarbrücken) sind die hochwertigen Umnutzungsbeispiele der Völklinger Hütte, der Erhalt der besonderen Bauten wie der Elektromotorenzentrale 2 und der Kohlenbrechanlage von 1897 der Burbacher Hütte, welche als Einzelobjekte unter Denkmalschutz stehen und heute im Rahmen ihrer Umnutzung Verbindungsglieder zwischen der Vergangenheit des ehemaligen Hüttenstandorts und des neuen Gewerbestandorts darstellen, sowie die Brachflächen der Halberger Hütte in Brebach, die weiter zu industriellen Zwecken genutzt werden (vgl. BÖCKER 2007, S. 41f.).

 

Nicht zu unterschätzen ist die sehr hohe identitätsstiftende Bedeutung der Bauten der hochindustriellen Epoche für das Saarland (vgl. ebd., S. 43).

 

Bereits seit Anfang der 1970er Jahre gab es im Saarland Strömungen in Politik und Gesellschaft, die den Erhalt solcher historischer Bauten und Strukturen zum Ziel hatten. Ein prominentes Beispiel hierfür waren u.a. die Diskussionen um den in den Jahren 1971 bis 1973 geplanten Abbruch der Saarbrücker Bergwerksdirektion. Dem Gebäude wurde im Rahmen der Bestrebungen des Eigentümers, dort ein Kaufhaus zu errichten, erstmals eine größere Würdigung zuteil. Das mit den Diskussionen einhergehende erhöhte gesellschaftliche Interesse sorgte für eine kunsthistorische Neubewertung des Gebäudes. Schließlich wurde der Bau von den Saarbergwerken saniert (vgl. ebd., S. 33f.) und bildet auch heute integrierter Gebäudeteil der 2010 eröffneten EUROPA-Galerie einen historischen Ankerpunkt.

 

Industriebauten und –areale, die keine Umnutzung erfahren, werden oftmals als ‚Schandflecken‘ betrachtet (vgl. ebd., S. 43). Wenn eine rein gewerbliche Nachnutzung nicht zu finden ist, können auch hier Kunst und Kultur aktivierend wirken, denn „künstlerische Aktionen fordern zum Perspektivwechsel auf: Aus alltäglichen Situationen werden besondere Orte – auf Zeit. Auch wenn diese Aktionen zeitlich begrenzt sind, so hinterlassen sie dennoch neue Bilder der Landschaft und tragen dazu bei, Räume für die Menschen zu ‚öffnen‘“ (HARTZ 2007, S. 53). Dies zeigt sich in Saarbrücken auch deutlich durch die kulturelle Zwischennutzung der untersuchten Standorte durch das Festival Perspectives wie in Kapitel 5 verdeutlicht wird.

 

3.2 Aktuelle Situation


 

Das Stadtgebiet Saarbrücken verfügt aktuell über rund 170 Hektar Brachflächen (vgl. GIU, Email MEISER, 28.11.14). Allerdings handelt es sich hierbei nur noch in wenigen Fällen um Brachen im großindustriellen Bereich. Hierzu zählen beispielsweise die Flächen der Halberger Hütte (vgl. LEG, Interview KLEIN, 17.11.14). Insgesamt gehen innerhalb Saarbrückens große, zusammenhängende Areale, die brachliegen, zur Neige (vgl. GIU, Interview SCHÄFER, 24.11.14).

 

Innerhalb der Stadt könnte ein Großteil dieser Brachflächen wiedergenutzt werden, da bspw. die alten Industriestandorte, aber auch kleinere Gewerbegebiete gut erschlossen sind und in den meisten Fällen über eine Anbindung an das Verkehrsnetz verfügen – im Gegensatz zu den ehemaligen Grubenstandorten der RAG, welche nicht an den Hauptverkehrsachsen, sondern z.B. im Warndt liegen. In Saarbrücken ist die Situation damit konträr zum restlichen Saarland, wo eine Wiedernutzung unter logistischen und betriebswirtschaftlichen Betrachtungen oftmals schwieriger umzusetzen ist (vgl. LEG, Interview KLEIN, 17.11.14).

 

Problematisch bei vielen industriellen Brachflächen – unabhängig von einer Lage innerhalb oder außerhalb der Stadt – sind jedoch die Altlasten. Die Kosten für deren Beseitigung sind oftmals kaum abzuschätzen und viele Investoren sind auch nicht bereit, diese komplett zu tragen, sondern erwarten eine Beteiligung seitens des Veräußerers. Dadurch wurde und wird in einigen Fällen eine Wiedernutzung verhindert oder verzögert. Beispiele hierfür sind Teile des Industriegebiets Halberger Hütte (vgl. ebd.), aber auch die ehemalige Farbenfabrik Becolin, unter der vier Tanks vergraben sind, deren Beseitigung mit Auflagen des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz verbunden sind und ein unkalkulierbares finanzielles Risiko darstellen. (vgl. LHS, Telefonat SCHÖNTHALER, 17.11.14 und GIU, Interview SCHÄFER, 24.11.14, mehr zu dem Standort Becolin in Kapitel 5).

 

Ein weiteres Problem stellt die Finanzierung des Flächenrecyclings dar, denn die neue Nutzung muss geplant, die Fläche entwickelt – sprich Anpassung oder Wiederherstellung der Infrastruktur, Ver- und Entsorgung, Bau von Immobilien etc. – werden. Jedoch ist es im Saarland, das keine strukturstarke Region ist, meistens nicht möglich, die Entwicklung von Flächen kostendeckend zu realisieren, denn die erzielten Grundstückspreise bei der Veräußerung liegen in der Regel unterhalb der Entwicklungskosten. So würde z.B. jeder Quadratmeter Verkaufsfläche am Eurobahnhof (mehr zu diesem Standort in Kapitel 5) 300 Euro kosten, wenn die Entwicklungsmaßnahmen auf die Fläche umgelegt werden. Allerdings erzielen die dortigen Grundstücke lediglich einen Verkaufspreis von 120 bis 150 Euro pro Quadratmeter. Daher sind die Firmen, die für die Projektentwicklung zuständig sind, auf Zuschüsse angewiesen. Diese werden z.T. durch Gelder aus dem EFRE-Programm, einem Förderprogramm der EU, aber auch mit Landesanteilen gezahlt. Dennoch bleibt trotz dieser Subventionen häufig noch eine Differenz zwischen Entwicklungsmaßnahmen und Verkaufspreis bestehen, die von der Stadt Saarbrücken gezahlt wird (vgl. GIU, Interview SCHÄFER, 24.11.14). Da auch hier die finanziellen Mittel begrenzt sind, werden manche Projekte, die sich wirtschaftlich nicht selbst tragen, schließlich doch nicht umgesetzt (siehe auch Standort Altes Stadtbad, Kapitel 5).

 

3.3 Stadtplanerische Aufgaben, Immobilienwirtschaft und Projektmanagement


 

Die stadtplanerischen Aufgaben, Immobilienwirtschaft und das dazugehörige Projektmanagement werden in Saarbrücken vor allem von zwei Gesellschaften organisiert, der Landesentwicklungsgesellschaft Saarland mbH (LEG) und der Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung mbH (GIU).

 

Im Folgenden werden beide Gesellschaften kurz vorgestellt, voneinander abgegrenzt und ihre Rolle hinsichtlich der Saarbrücker Brachflächen und –immobilien beschrieben.

 

3.3.1 Landesentwicklungsgesellschaft Saarland mbH (LEG)


 

Die LEG Landesentwicklungsgesellschaft Saarland mbH ist ein Dienstleistungsunternehmen der Immobilienwirtschaft (vgl. LEG o.J., web). Traditionell war die Aufgabe der Landesentwicklungsgesellschaften, die Anfang des letzten Jahrhunderts entstanden sind, die Schaffung von Wohnraum, insbesondere in der Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre. In den folgenden Jahrzehnten hat sich das Aufgabenfeld der LEG zur Projektentwicklung gewandelt (vgl. LEG, Interview KLEIN, 17.11.14). Die Gesellschaft bearbeitet für Kommunen, Institutionen und andere öffentliche Auftraggeber Projekte und dient als Vermittler an den öffentlich-privaten Schnittstellen des Immobilien- und Projektmanagements. Außerdem ist die LEG Saar auch als Projektentwickler und Bauträger auf dem privaten Immobilienmarkt tätig. Weitere Tätigkeitsfelder sind nachhaltiges Flächenmanagement, integrierte Projektentwicklung sowie Projektentwicklung großflächiger...

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