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Die Bedeutung der Minne in Kreuzliedern des späten 12. Jahrhunderts

AutorJulika Stark
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2003
Seitenanzahl79 Seiten
ISBN9783638208222
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: gut, Freie Universität Berlin (Fachbereich Germanistik), Sprache: Deutsch, Abstract: Über zwei Jahrhunderte prägten die Kreuzzüge die abendländische mittelalterliche Welt. Neben politischen und gesellschaftlichen Veränderungen hatten die Kreuzzüge auch Einfluss auf die Literatur in Frankreich, England und Deutschland. Parallel zu den Kreuzzugspredigten und -aufrufen aus kirchlichen und geistlichen Kreisen entstand in diesen Ländern volkssprachliche Literatur, die sich gleichfalls mit dem Thema der Kreuzfahrt und Kreuznahme beschäftigte. Diese von weltlichen Dichtern verfasste Dichtung verband die religiösen Motive der Kreuzfahrt mit weltlichen Themen, vorrangig mit dem Motiv der Minne. Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Minne in den mittelhochdeutschen Liedern zuzuschreiben ist und welche Funktion sie in den Liedern übernimmt. In der Forschung zu mittelhochdeutschen Minnekreuzliedern lassen sich vor allem zwei Positionen festmachen. Zum einen wird davon ausgegangen, dass die Minne nur Mittel und Zweck für eine von den Dichtern intendierte Kreuzzugspropaganda ist. Das bedeutet, dass das höfische Publikum durch das ihm bekannte Motiv der Minne zur Kreuznahme und -fahrt motiviert werden soll. Die andere Position vertritt die Ansicht, dass die Dichter unter dem Eindruck eines Kreuzzugsaufrufes oder eines Kreuzzuges literarisch einen Konflikt auf persönlicher Ebene darstellen. Die Minne wird bei dieser Position im Hinblick auf ihre Intention ernst genommen und das Phänomen der Minne öffnet sich ins Persönliche und Private. Das Publikum soll bei dieser These nicht explizit zum Kreuzzug aufgefordert werden. Grundlage der im späten 12. Jahrhundert entstandenen Lieder ist auf der einen Seite die Kreuzzugspropaganda und andererseits der Minnesang. Doch ist der Grund für die Verflechtung dieser beiden großen Themenkomplexe nicht problemlos und offensichtlich zu erkennen. Die Antwort auf diese Frage können nur das mittelalterliche Weltbild, die Umstände der Entstehung und eine umfassende Interpretation der Lieder geben.

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Leseprobe

3. Politische und gesellschaftliche Situation


 

3. 1. Die politische Situation: Die Kreuzzüge


 

3. 1. 1.  Der Dritte Kreuzzug 1187- 1192


 

Obwohl die zeitliche Einordnung vieler Minnekreuzlieder schwierig ist, beziehen sie sich häufig auf bestimmte Kreuzzugsunternehmungen. Besonders in den politischen Sprüchen, aber auch vor dem Hintergrund der Abhängigkeit der Dichter von Gönnern, wird der Bezug der Kreuzlieder auf historische Ereignisse deutlich. Albrecht von Johansdorf, Friedrich von Hausen, Hartmann von Aue und Heinrich von Rugge beziehen sich in ihren Liedern mit Sicherheit auf den Dritten (1187- 1192) oder den Vierten (1198- 1204) Kreuzzug, da sich die Lebensdaten dieser Dichter im Zeitraum zwischen 1150 und 1230 ansiedeln lassen. Die Kreuzlieder können jedoch in den wenigsten Fällen konkret auf einen der beiden Kreuzzüge datiert werden. „Die Hauptphase der mhd. Kreuzzugslyrik (des 12. Jh.s.) dürfte im Vorfeld (>Hoftag Jesu Christi<, 1187) und Umkreis des 3. Kreuzzuges (...) anzusetzen sein, (...)“[57] Sicher lassen sich jedoch nur die Lieder Friedrichs von Hausen einordnen, da sein Tod auf dem Kreuzzug 1190 bezeugt ist, ebenso wie der Leich Heinrichs von Rugge, der eine Klage auf den Tod Friedrich Barbarossas ist, also in jedem Falle nach 1190 entstanden ist.

 

Die folgende Darstellung der politischen Situation am Ende des 12. Jahrhunderts und der historischen Ereignisse des Dritten und Vierten Kreuzzuges ist notwendig, um die Minnekreuzlieder in ihren historischen Kontext stellen zu können.

 

Nach dem fatalen Ende des Zweiten Kreuzzuges (1145- 1149) war Europa zunächst kreuzzugsmüde. Doch mehrten sich seit den sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts die Hilferufe der Kreuzzfahrerstaaten aus dem Heiligen Land. Für Friedrich I. Barbarossa (1152- 1190) war die politische Situation im Reich für einen weiteren Kreuzzug zu diesem Zeitpunkt nicht günstig. Seit 1158 war er mit der Wiederherstellung der Reichsrechte in Italien beschäftigt, die ihn in militärische Auseinandersetzungen mit den lombardischen Städten verwickelten und erst 1183 im Konstanzer Frieden beigelegt werden konnten. Zwischen 1159 und 1177 kam es zudem zu Auseinandersetzungen mit Papst Alexander III., und im Reichsinnern hatte Friedrich I. mit dem welfischen Fürsten Heinrich dem Löwen und der Opposition zu kämpfen.

 

Erst 1184, als Friedrich I. auf dem Mainzer Pfingstfest seine Macht präsentieren konnte, war er für Kreuzzugsunternehmungen abkömmlich und diese zählten dann auch in seinen Interessensbereich, da er erkannte, dass „es dem kaiserlichen Ansehen sehr abträglich wäre, wenn der Kreuzzug allein den westeuropäischen Herrschern überlassen bliebe.“[58]

 

1184 schickte das Heilige Land eine außerordentliche Gesandtschaft nach Europa, um den dortigen Machthabern den Ernst der Lage vor Augen zu führen. In Verona traf die Gesandtschaft im November 1184 mit dem Papst und mit Kaiser Friedrich I. Barbarossa zusammen und Barbarossa versprach dort für 1186 einen Kreuzzug. In Frankreich und England blieb die Gesandtschaft mit ihrer Bitte um Hilfe erfolglos.

 

Die verlorene Schlacht bei Hattin im Sommer 1187 brachte in der europäischen Politik einen Umschwung und der Erste, der das Kreuz nahm, war Richard Löwenherz, Graf von Poitou, gegen den Willen seines Vaters Heinrich II. Nun wurde auch die öffentliche Meinung durch vielfältige Weise in Begeisterung versetzt. „Die Dichter verfassten Kreuzlieder und elegische Klagen über den Fall von Jerusalem in Latein und in den Volkssprachen; (...) aus Tyrus kamen unablässig Lageberichte und Hilferufe.“[59] Die Kardinallegaten Heinrich von Albano und Joscius von Tyrus konnten einen unverhofften Ausgleich im Konflikt zwischen England und Frankreich erreichen, so dass die Könige beider Reiche im Januar 1188 das Kreuz nahmen. Der Kaiser nahm auf dem Hoftag Jesu Christi zu Mainz das Kreuz, nachdem sich ihm dort sein Gegner, Erzbischof Philipp von Köln, unterwarf. Da Friedrich I. Barbarossa sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seiner Macht befand und alle seine Gegner unter seine Kontrolle gebracht worden waren, „verband sich in dem Kreuzzugsplan persönliches Frömmigkeitsstreben mit dem Wunsch nach einer letzten krönenden Dokumentierung seiner kaiserlichen Macht.“[60] Im Gegensatz zu den vorherigen Kreuzzugsunternehmungen „trat hier zum ersten Mal die Kreuzzugsidee in Verbindung mit der Machtpolitik eines weltlichen Herrschers.“[61]

 

Das Kreuzheer brach am 11. Mai 1189 von Regensburg aus auf und traf bereits in byzantinischem Gebiet auf Schwierigkeiten, da sich der byzantinische Kaiser Isaak II. Angelos (1185- 1195) in ein Doppelspiel zwischen Saladin und Barbarossa begeben hatte. Doch konnte sich das Kreuzfahrerheer gegen Byzanz erfolgreich zur Wehr setzen.

 

In Anatolien kam es zu weiteren, diesmal großen Verlusten, und als das Heer das christliche Kleinarmenien erreichte, ertrank der Kaiser am 10. Juni 1190 im Fluss Salef. „Des Kaisers Tod ließ den deutschen Kreuzzug völlig zusammenbrechen.“[62] Das stark dezimierte deutsche Heer kam im Oktober 1190 in Akkon an, spielte aber beim weiteren Verlauf des Kreuzzuges keine Rolle mehr und ging im englisch- französischen Heer auf. Doch konnte auch von hier kein grundlegender Erfolg erzielt werden. „Persönlicher Ehrgeiz und ritterliche Freude am Kampf bestimmten (...) die Kriegführung Richard Löwenherz`, des späteren Führers des dritten Kreuzzuges.“[63] Es gab keinen einheitlichen strategischen Plan und die Kräfte des Heeres wurden dabei zersplittert und konnten sich gegen die Macht von Saldins Heer nicht durchsetzen. Die Erfolge im Heiligen Land blieben dem entsprechend gering: so wurde lediglich ein Waffenstillstand auf drei Jahre erreicht, der den Pilgern einen ungestörten Zugang zu den heiligen Stätten zusicherte.

 

Der bereits verlorene zweite Kreuzzug bewirkte, dass man in Europa den Islam als eigenständige Weltmacht mehr und mehr anerkannte und begann, die islamischen Kräfte als ebenbürtig anzusehen. Die Person des Sultans Saladin trug sicherlich viel zu diesem neuen Bild bei, „der in der zeitgenössischen Überlieferung als eine kultivierte ritterliche Gestalt erscheint.“[64] Dies zeigt sich auch in den Verträgen Friedrich Barbarossas mit mohammedanischen Herrschern und den Waffenstillstandsverhandlungen Richard Löwenherz` am Ende des dritten Kreuzzuges. Die Herrscher demonstrierten eine Haltung, „die der Vernichtungsparole der ersten beiden Kreuzzüge genau entgegengesetzt ist.“[65] Wichtig erscheint hier, dass die Kreuzzüge nun nicht mehr ausschließlich den Charakter reiner Glaubenskriege trugen, sondern sich immer mehr den Machtkämpfen zwischen weltlichen und geistlichen Herrschern anglichen, in denen nicht mehr das große Ziel der Befreiung Jerusalems vorrangig war, sondern günstig erscheinende Einzelunternehmungen an Bedeutung gewannen.

 

3. 1. 2. Der Vierte Kreuzzug (1198- 1204)


 

Kurz nach der Niederlage des Kreuzfahrerheeres plante der deutsche Kaiser Heinrich VI. (1190- 1197) bereits einen neuen Kreuzzug, bei dem „sehr stark politische Motive mitspielen.“[66] 1194 verlobte er seinen Bruder Philipp mit der Tochter des byzantinischen Kaisers Isaak II. Angelos. Diese Verbindung verschaffte der Familie einen dynastischen Erbanspruch auf Byzanz. Als Isaak II. Angelos den Thron an seinen Bruder Alexios III. (1195- 1203) verlor, bekam Heinrich VI. die Chance, den Druck auf Byzanz zu verstärken. Ostern 1195 nahm Heinrich VI. das Kreuz und ließ ohne Wissen des Papstes zum Kreuzzug aufrufen. Da die politische Lage im Orient jedoch durch den Tod Saladins 1193 günstig war, unterstützte der Papst das Kreuzzugsunternehmen wenige Monate später. Durch die Festigung des staufischen Anspruchs in Oberitalien und in Sizilien, sah sich der Papst in einer ihn gefährdenden Umklammerung und die „Kreuznahme diente Heinrich dazu, Verhandlungen mit dem Papst zu erzwingen und gleichzeitig seine Herrschaftsansprüche im Orient durchzusetzen.“[67] Religiöse Motive spielten in diesem Kreuzzug keine Rolle mehr, die religiöse Begeisterung der Ritter wurde in den Dienst der staufischen Machtpolitik gestellt. So stellte der Kaiser ein eigenes Söldnerheer auf, welches auf den Kaiser verpflichtet wurde, doch dürfen die Truppen nicht unbeachtet bleiben, die auch hier noch den Kreuzzug nutzten, um im Dienste Gottes das Heilige Land von den Heiden zu befreien und dadurch ewiges Seelenheil zu erlangen. Dieser Kreuzzug wurde allerdings nicht zu Ende geführt, da Heinrich im September 1197 unerwartet starb und dem Reich nur ein Kind als Nachfolger hinterließ.

 

1198 wurde Innocenz III. (1198- 1216) auf den Papstthron erhoben. Er rief im gleichen Jahr zum Kreuzzug auf. Motiv für diesen Aufruf war zum einen sein Wunsch, dass Kreuzzugsereignis wieder in die Hände der Kirche zu geben, zum anderen hatte er ein ernsthaftes Interesse daran, das alte Königreich Jerusalem wieder herzustellen. Der Papst rief vor allem die Geistlichkeit, den italienischen Hochadel und die italienischen Seestädte zur Kreuznahme auf, wandte sich jedoch...

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