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Die Bedeutung von Kulturgütern in der Konsumgesellschaft: das Buch als Wirtschaftsgut in der Massenkultur

Eine Standortbestimmung nach Walter Benjamin und Theodor W. Adorno

AutorMartin Steininger
VerlagMainzer Institut für Buchwissenschaft
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl41 Seiten
ISBN9783945883235
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Welchen Einflüssen unterliegt das Buch im Zeitalter der Massenkultur? In dieser Arbeit wird die Diskrepanz zwischen dem Buch als Wirtschafts- und Kulturgut thematisiert. Dabei wird zunächst auf die gegensätzlichen Theorien von Walter Benjamin und Theodor W. Adorno zur Entstehung der modernen Massenkultur Bezug genommen, anschließend erfolgt eine Einordnung in den sozialgeschichtlichen Kontext. Der Fokus der Arbeit liegt dabei auf Adornos Theorie der Kulturindustrie, in welcher er sich intensiv mit dem Verhältnis zwischen Kunst und Ökonomie auseinandersetzt. Diese Arbeit ist Teil der Reihe Initialen, in deren Rahmen herausragende Abschlussarbeiten der Mainzer Buchwissenschaft veröffentlicht werden.

Martin Steininger, geboren 1989, ist in Altdorf bei Nürnberg aufgewachsen. Er studierte Buchwissenschaft und Komparatistik im 2-Fächer-Bachelor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Im Anschluss absolviert der Mainzer Buchwissenschaftler das Masterstudium in Komparatistik.

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Leseprobe
2Adorno und Benjamin im Kontext der Kritischen Theorie Theodor W. Adorno war einer der wirkungsmächtigsten Theoretiker der Kritischen Theorie. Deren Geburtsstunde kann auf die Gründung des Instituts für Sozialforschung (Ifs) in Frankfurt am Main 1923 zurückgeführt werden.[15] Adorno arbeitete ab 1931 für das Ifs.[16] Finanziert durch eine Stiftung strebten deren Mitglieder eine Erneuerung der Marxrezeption an und untersuchten die Möglichkeiten einer gesellschaftsumwälzenden Praxis. Das Ifs übte dabei nicht nur Kritik an der bürgerlichen Wissenschaft sondern distanzierte sich gleichzeitig zunehmend vom orthodoxen Marxismus. Insbesondere das revolutionäre Potential der Arbeiterbewegung wurde dabei in Zweifel gezogen. Marx ging davon aus, dass sich das, seit der industriellen Revolution stetig anwachsende Proletariat mit Hilfe einer Revolution von der herrschenden Bourgeoisie befreien würde. Diese Prognose geriet durch die kürzlich gemachten geschichtlichen Erfahrungen ins Wanken. Den 1. Weltkrieg hatte das Proletariat nicht verhindern können, vielmehr unterstützte es diesen teilweise begeistert. Auch in der Nachkriegszeit blieben die erwarteten Revolutionen in den Industrienationen entweder ganz aus oder wurden, wie in Deutschland, schon früh niedergeschlagen. Nur in Russland konnte sich der Sozialismus wider Erwarten durchsetzen. Spätestens ab Mitte der 1920er zeichnete sich jedoch ab, dass dieser in Terror umschlagen würde.[17] Diese Reihe von desillusionierenden Ereignissen stand in starkem Widerspruch zur marxschen Zukunftsprognose. Durch Integration der psychoanalytischen Theorie Freuds versuchte die Kritische Theorie das reaktionäre Verhalten des Proletariats zu begreifen. Zwischen Freud und Marx erkannte die Kritische Theorie einige Parallelen. Die wichtigste besteht dabei darin, dass beide Theorien von einem Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft ausgehen. Für Marx ist der Einzelne ökonomischen Gesetzen unterworfen, denen er sich fügen muss, wenn er überleben möchte. Freud hingegen arbeitete in seiner Theorie heraus, dass das Triebleben des Kindes im Laufe seiner Entwicklung immer wieder mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen kollidiert. Die Persönlichkeitsstruktur des Menschen ist das Ergebnis der spezifischen Bewältigung dieses Konflikts. Freud und Marx gehen davon aus, dass den Menschen die vorgegebenen Strukturen, die ihr Handeln und Denken durchdringen, nicht bewusst sind. Der große Unterschied zwischen den beiden besteht jedoch darin, dass der Gegensatz zwischen Individuum und Gesellschaft für Freud ein ahistorischer ist, während er bei Marx durch eine Veränderung der gesellschaftlichen Produktion aufgehoben werden kann.[18] Das Ifs begann nun beide Theorien zu kombinieren. Die daraus resultierende These war, dass die sozialökonomische Struktur sich auch in der Familie widerspiegelt. Diese wird, in Übereinstimmung mit Freud, als wichtigste Sozialisationsinstanz betrachtet. Die ökonomischen Bedingungen hinterlassen, folgt man diesen Ausführungen, demnach tiefe Spuren in den Persönlichkeitsstrukturen der Menschen. Dies gilt insbesondere für die Arbeiterfamilien, in denen der Kampf ums wirtschaftliche Überleben im Vordergrund steht.[19] Aufgrund dieser Erkenntnisse konnte das Proletariat nicht länger als revolutionäres Subjekt betrachtet werden. Die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Veränderung wurde dadurch für das Ifs fraglich, da kein neues revolutionäres Subjekt ausgemacht werden konnte.[20] Allein in der bürgerlichen Familie sah Adorno die Möglichkeit zur Entwicklung autonomen Denkens und Fühlens, da in ihr nicht ausschließlich die gesellschaftliche Reproduktion betrieben werden musste. Die zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche schien jedoch auch diese immer mehr zu durchdringen.[21] Diese frühen Einsichten des Ifs sind die Wurzel für Adornos kritische Haltung gegenüber der Massenkultur sowie für seine Überlegungen zur autonomen Kunst. Der Großteil der Bevölkerung bestand demzufolge nicht aus autonomen Individuen, sondern aus passiven Konsumenten, die sich ihres Handelns und Denkens nicht bewusst sind. Die Autonome Kunst hingegen betrachtete er in Analogie zur bürgerlichen Familie als eine Art Schlupfwinkel.[22] Der Siegeszug des Faschismus bestätigte die pessimistische Einschätzung des Ifs. 1934 siedelte das Institut, dessen Mitglieder größtenteils jüdischer Abstammung waren, nach New York über.[23] Die Nachricht vom Holocaust in Deutschland führte zu einem Paradigmenwechsel am Ifs. Das Ausbleiben der Revolution stand von nun an nicht mehr an primärer Stelle. Der Genozid an den Juden ließ das Ifs vielmehr zunehmend an der gesamten europäischen Zivilisation zweifeln. Im Zuge dessen schrieb Adorno zusammen mit dem Institutsleiter Max Horkeimer die »Dialektik der Aufklärung«.[24] Walter Benjamin wird von der Philosophiegeschichte auch der Kritischen Theorie zugeordnet obwohl er nie fester Mitarbeiter des Ifs war. Benjamin stand jedoch einigen Mitgliedern des Instituts, insbesondere Adorno, sehr nahe. In der »Dialektik der Aufklärung« greifen Adorno/Horkheimer beispielsweise einige zentrale Thesen aus Benjamins geschichtsphilosophischen Text »Über den Begriff der Geschichte«[25] auf.[26] In dem posthum veröffentlichten Text befindet sich der berühmte Satz »Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein.«[27] Adorno/Horkheimer führen in der »Dialektik der Aufklärung« Benjamins ambivalente Haltung gegenüber der Kultur fort. Auch wurden einige von Benjamins Texten, darunter »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«, in der Institutszeitschrift abgedruckt. Besonders in Adornos Auseinandersetzung mit diesem Aufsatz werden die Differenzen zwischen Benjamin und dem Ifs deutlich.
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