GERRIET DANZ
Präsentieren mit der Kraft der zwei Hirne
Vielleicht sind Sie gerade überrascht. Zwei Hirne? Waren es nicht zwei Herzen, die für ein bekanntes Stärkungsmittel Werbung machten? Absolut richtig. Aber genau darum soll es in diesem Artikel gehen. Um Unvorhergesehenes, Überraschendes, Inspirierendes. Um Präsentationen, die wirken, weil sie anders und kreativ sind. Und so zur Verbindung zwischen dem Hirn des Präsentators und dem Hirn des Zuhörers werden. Außerdem geht es um die Frage, wie Werbung und eine Kreativitätstechnik namens KREATORIK© dabei helfen können, Kopf, Bauch und Seele des Publikums zu erreichen. Also sozusagen um die Anatomie kreativer Präsentationen.
Kennen Sie Ihren Articulationes interphalangiales distales? Er befindet sich gerade auf dieser Seite und hilft Ihnen, das Buch festzuhalten. Es ist Ihr Daumenendgelenk gleich unterhalb des Daumennagels. Dieses Gelenk ist bei Präsentationen häufig das einzige Körperteil, das sich bewegt – in regelmäßigem Rhythmus auf und ab, um auf einer Fernbedienung mit kurzem Druck das nächste Slide aufzurufen. Und das passiert oft – täglich rund 30 Millionen Mal werden weltweit Beamer angeworfen –, heute und morgen und übermorgen und …
Auch bei den Zuschauern gerät dadurch etwas körperlich in Bewegung: nämlich die Palpebra superior. Dies ist der lateinische Fachbegriff für das Augenlid, das nach unten fällt und dort bleibt – akutes Publikumswachkoma durch die im Halbschatten stattfindende Beamerpräsentation. Im Ernst: Es gibt kaum eine bessere Narkose als eine exzessive Slideshow – das hat eine Fülle wissenschaftlicher Studien längst bewiesen, wird aber allen Erkenntnissen zum Trotz jeden Tag millionenfach ignoriert. Zum Nachteil derer, die für ihre Vorträge Aufwand betreiben, sich alle Mühe geben, die gerne punkten wollen – aber mangels Alternative zum Gewohnten greifen: die Präsentatoren.
Von akuter Langeweile zu chronischem Frust
PowerPoint an sich ist nicht das Übel! Gefährlich ist die Art, wie damit umgegangen wird. Nämlich exzessiv – und nicht gehirngerecht. Wer den Beamer anknipst, knipst sich häufig selber aus, wer beamt, beamt sich persönlich aus der Wahrnehmung des Publikums, stellt sich in den Schatten seiner Präsentation. Lenkt das Publikum mit häufig kaum zu überschauenden Folien von sich selbst ab. Ich erlebe auf Konferenzen, Kongressen und auch in meinen Seminaren so oft, dass ausgewiesene Fachleute, die etwas zu sagen haben oder etwas zu sagen hätten, wirken, als seien sie nur die Vorführer ihrer eigenen Folien. Weil sie inaktiv im Seitenaus ihrer Präsentation stehen und eben nur ihr Daumenendgelenk bewegen. Sobald die gleichen Menschen weniger Folien oder gar keine zeigen, sich stattdessen selbst in die Mitte stellen, dort aktiv und kreativ werden, wirken sie wie das, was sie tatsächlich sind – und wofür sie auch bezahlt werden: Experten, Meinungsführer, Mentoren für ihre Kollegen und Mitarbeiter, für ihr Publikum.
Mein Tipp lautet: Setzen Sie so wenig Folien wie möglich ein – im Optimalfall gar keine. Was Sie sagen, müssen Sie nicht auch noch an die Wand schreiben! Nutzen Sie Folien ausschließlich, wenn Sie Ihre Inhalte notwendigerweise bebildern wollen. Genau so, wie dieses Medium bei seiner Erfindung vor über 20 Jahren gemeint war: Als Unterstützung, um Bilder zu zeigen. Und eben nicht als Teleprompter. Der Erfolg wird sein, dass Sie sich allein schon durchs Weglassen unterscheiden und im Einheitsbrei der Vorträge deshalb positiv auffallen werden.
40 Assistenzärzte. 300 Professoren. 4 Minuten
Neulich hatte ich die Aufgabe, eine junge Assistenzärztin zu coachen. Gerade im ersten Berufsjahr, hatte sie es geschafft, vor 300 Professoren an einer Universitätsklinik einen Vortrag halten zu dürfen. Dafür hatte sie vorher einen Auswahlprozess durchlaufen müssen – eine Art Doktorencasting also. Gemeinsam mit 39 anderen jungen Ärzten stand sie jetzt vor der Aufgabe, einen kurzen Vortrag von jeweils nur vier Minuten vorzubereiten – und hatte so etwas vorher noch nie gemacht. Entsprechend bedenklich sah es kardiologisch um sie aus, als wir uns trafen: Es klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Vor allem ängstigte sie die Tatsache, vor 300 Professoren, genannt: Koryphäen, den berühmten »Halbgöttern in Weiß«, zu präsentieren. Eine Angst, die aus meiner Sicht durchaus nachvollziehbar ist, wenn man erstens so jung ist, zweitens noch nicht so häufig präsentiert hat und drittens womöglich der 37. Präsentator in Reihe ist, den sich die Herren Professoren anschauen dürfen – anschauen müssen!
Ich ließ die junge Dame präsentieren und fand meine Erwartungen bestätigt. Sie hielt ihren Vortrag so, wie man es häufig sieht: Möglichst viele Charts zeigen, auf denen möglichst viel geschrieben steht, an der Seite im Dunkeln stehen und in einem Ton vortragen, den man von den Ärzten aus der TV-Serie »Emergency Room« kennt, die in einem Notfall hektisch und näselnd ihre Diagnose in ein Diktafon sprechen. Nach der Präsentation habe ich ihr zwei Möglichkeiten aufgezeigt: Exakt so zu präsentieren, um nicht aufzufallen – weder positiv noch negativ. Oder eine einzigartige Chance zu nutzen: Nicht eine von 40 zu sein, sondern die Einzige von 40 zu sein, die einen wohltuenden Unterschied macht, indem sie den medizinischen Fakten ein Gesicht gibt und eine Story – also die Geschichte eines Patienten – erzählt, ganz ohne Folien und mit dem natürlichen Charme, den der liebe Gott ihr mitgegeben hat.
Eine Woche nach ihrem Auftritt bekam ich eine SMS von ihr: »Alles super gelaufen. Die haben sogar gelächelt. Bin von zwei Professoren angesprochen worden, an einem Forschungsprojekt teilzunehmen!« So anders ist das Feedback, so anders sind die Reaktionen, wenn man die Dinge anders macht.
Wie Meister Proper Sie zum Meister macht
Es gibt zwei Disziplinen, die aus ihrem Wesen heraus immer gehirngerecht kommunizieren müssen, wollen sie erfolgreich sein: Werbung und Marketing. Nach meiner Ansicht ist jede Präsentation ein Stück Werbung – Werbung für ein Konzept, eine Lösung, ein Unternehmen, eine Abteilung und sogar für den Präsentator selbst. Denn wer eine überzeugende, inspirierende Präsentation hält, wird auf seinem Karrierekonto garantiert Pluspunkte gutgeschrieben bekommen. Wenn also Vorträge gleich Werbung sind, müssen auch die Techniken aus Werbung und Marketing auf Präsentationen übertragbar sein. Was einen Werbespot zu einem überraschenden und funktionierenden Werbespot macht, sollte demnach auch vorne auf dem Podium beim Vortrag erfolgreich nutzbar sein.
Fünf von einem Dutzend Werbetechniken, die ich in meinen Seminaren und Coachings nutzbar mache, möchte ich Ihnen gern vorstellen. Dabei analysiere ich Beispiele aus der Werbung und zeige auf, wie man diese Techniken übertragen und auf dem Podium, auf der Bühne, bei Vorträgen und Präsentationen nutzen kann.
1. Werbespots fürs geistige Auge
Menschen lieben Geschichten. Das liegt sicher daran, dass wir von Kindesbeinen an gewohnt sind, Geschichten zu hören und uns in ihnen zu verlieren. Erst auf Großmutters Schoß, irgendwann im Kinosessel und später in Unternehmen – dort nennt man es dann Gerüchteküche oder Flurfunk. Auch die Werbung arbeitet mit Geschichten. Unzählige Werbestudien haben bewiesen, dass in Storys verpackte Inhalte viel besser verstanden, vom Hirn verarbeitet und dort verankert werden als die puren, nackten, rationalen Fakten dieser Inhalte. Erinnern Sie sich an die Werbung von IKEA, in der pünktlich zum sogenannten Knut-Tag die Weihnachtsbäume aus den Fenstern geworfen werden, um Platz zu machen für neue Möbel? Oder waren Sie vielleicht schon einmal in Lynchburg / Tennessee zu Gast, in dieser kleinen Destillery, in der Menschen mit viel Ruhe und Bedacht Whiskey herstellen – liebevoll eingefangen in den Werbespots von Jack Daniels? Legendär sind auch die »G’schichten« aus dem Paulaner-Garten, bei dem wir immer wieder neu erfahren, wie die Bayern charmant und bierselig mit alltäglichen Situationen umgehen.
Die Macht dieser Geschichten ist begründet in unser aller Entwicklung: Kommunikationsexperten sind sich heute sicher, dass ein soziales Miteinander nur möglich ist, indem wir uns Geschichten erzählen. Auch in der Politik, wo Geschichten erzählt werden, die sich manchmal als Märchen entpuppen. Erinnern Sie sich noch an das Kanzlerduell Schröder / Stoiber im Jahr 2002? Während Edmund Stoiber die Arbeitslosenquote des Ruhrgebiets bis hinters Komma genau aufsagen konnte, erzählte Gerhard Schröder die Geschichte eines Langzeitarbeitslosen mit vier Kindern aus Dortmund, der keine Chance auf einen neuen Job hat. Was glauben Sie: Was funktioniert besser? Was ist überzeugender? Storytelling ist eines...