Bei der Darstellung der historischen Entwicklung der Vormundschaft und der rechtlichen Betreuung gem. § 1896 ff. BGB wurde wegen der fehlenden gesetzestechnischen Trennung zwischen der Fürsorge für Minderjährige und Volljährige auch die Vormundschaft über Minderjährige betrachtet. Im Folgenden wird sich der Verfasser entsprechend der thematischen Aufgabenstellung bei der Darstellung der jeweiligen Rechtsinstitute der Schweizer Eidgenossenschaft, der Republik Österreichs und des Fürstentums Liechtenstein auf die rechtliche Fürsorge für Volljährige, geordnet nach der Schwere des Eingriffs in die verfassungsmäßigen Rechte, beschränken.
Bis zum Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der Schweizerischen Eidgenossenschaft waren das Familienrecht und damit auch das Vormundschaftsrecht je nach Kanton unterschiedlich geregelt. Bis dahin galt die umfassende Haus- und Schirmgewalt des Hausherrn. Dies begründet sich historisch aus der Eigenständigkeit der Gebiete, die ihre Gesetzgebungshoheit nie auf den Bund übertragen hatten. Das derzeit noch geltende Vormundschaftsrecht der Schweiz vom 10. Dezember 1907 (in Kraft seit 1912) ist sowohl öffentliches als auch privates Recht und kennt drei vormundschaftliche Organe. Dies sind die vormundschaftlichen Behörden, der Vormund und der Beistand. „Das Vormundschaftswesen ist heute uneinheitlich und unübersichtlich organisiert. Während in den welschen Kantonen die vormundschaftlichen Behörden in der Regel Gerichte sind, amten an verschiedenen Orten der deutschen Schweiz als Vormundschaftsbehörde Laien, die politisch gewählt sind und keine einschlägigen fachlichen Vorgaben erfüllen müssen.“ [85]
Die vormundschaftlichen Behörden gliedern sich somit in den Verwaltungsapparat der Kantone ein. Diese können Vormundschaften anordnen oder aufheben, einen Beistand einsetzen oder einem beschränkt Handlungsfähigen einen Beirat beigeben. In Ausnahmefällen (wegen Fortführung eines Gewerbes, einer Gesellschaft u. dgl.) kann die vormundschaftliche Behörde ihre Befugnisse, Pflichten und Verantwortlichkeit auf einen Familienrat übertragen. Diese vormundschaftlichen Maßnahmen werden im Amtsblatt des Wohnsitzes und der Heimat der bevormundeten Person veröffentlicht. Die vormundschaftlichen Behörden fungieren als staatliche Aufsichtsorgane, denen durch den Vormund und den Beistand über deren Tätigkeit und Vermögensverwaltung Rechenschaft zu legen ist. Die Oberaufsicht hat die von den Kantonen den vormundschaftlichen Behörden übergeordnete Aufsichtsbehörde. Derzeit wird in der Schweiz an einer Gesamtrevision des Vormundschaftsrechts gearbeitet. Bei der Betrachtung der Rechtsbegriffe für die jeweiligen Rechtsinstitute der Fürsorge für Volljährige muss auch in Betracht gezogen werden, dass die Schweiz mehrere Amtssprachen hat. Seit 1999 hält der Artikel 4 der Bundesverfassung fest, dass die Landessprachen in der Schweiz Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch sind.
Abb. 3 Verbreitung der Landessprachen der Schweiz
Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/36/Sprachen_CH_2000.png abgerufen am 23.11.2006
Im Artikel 70 heisst es jedoch: "Die Amtssprachen des Bundes sind Deutsch, Französisch und Italienisch. Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ist auch das Rätoromanische Amtssprache des Bundes." [86] Es besteht also die Notwendigkeit, alle Gesetze und Rechtsbegriffe sowohl in Deutsch als auch in Französisch und Italienisch abzufassen und zu übersetzen. Die eindeutige Übersetzbarkeit in die jeweilige andere Amtssprache ist somit bereits eine Voraussetzung der Begriffsfindung im Gesetzgebungsprozess.
Abb. 4 Übersicht Vormundschaftsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft
Vormundschaft
Der Vormund hat die gesamten persönlichen und vermögensrechtlichen Interessen des unmündigen oder entmündigten Bevormundeten zu wahren und ist dessen Vertreter. Das Zivilgesetzbuch unterscheidet mehrere Tatbestände, die die Voraussetzung für eine Vormundschaft darstellen. Diese sind: Geisteskrankheit und Geistesschwäche, Verschwendung, Trunksucht, lasterhafter Lebenswandel, Misswirtschaft, Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe und eigenes Begehren wegen Altersschwäche, anderer Gebrechen oder Unerfahrenheit. Die Anordnung der Vormundschaft setzt immer eine vorangegangene Entmündigung voraus. „Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche darf nur nach Einholung des Gutachtens von Sachverständigen erfolgen, das sich auch über die Zulässigkeit einer vorgängigen Anhörung des zu Entmündigenden auszusprechen hat.“ [87] Jede mündige Person, die zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber rechtskräftig verurteilt wurde, wird auf Mitteilung der Strafvollzugsbehörden durch die vormundschaftlichen Behörden unter Vormundschaft gestellt. In den Fällen der Vormundschaft wegen Verschwendung, Trunksucht, lasterhafter Lebenswandel oder der Art und Weise der Vermögensverwaltung dar die Vormundschaft nicht ohne eine Anhörung der betroffenen Person angeordnet werden.
Das Zivilgesetzbuch spricht hier vom „Vormund“ [88] und „Bevormundeten“ [89] oder auch, wie aus den leges barbarorum hervorgegangen, vom „Mündel“ [90]
Beiratschaft
„Die Beiratschaft stellt eine eigenständige vormundschaftliche Massnahme dar und steht zwischen der Beistandschaft und der Vormundschaft. Sie ist mit einer Beschränkung der Handlungsfähigkeit verbunden. Es gibt drei Arten von Beiratschaften: Mitwirkungsbeiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 1 ZGB, Verwaltungsbeiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 2 ZGB und die kombinierte Beiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB. Alle drei Formen wollen eine wirtschaftliche Schwäche des Schutzbedürftigen ausgleichen. Die persönliche Betreuung ist zwar vorgesehen, darf aber nicht den Hauptteil der Beiratschaft ausmachen.“ [91]
Beistandschaft
„Der Beistand ist für einzelne Geschäfte eingesetzt oder mit Vermögensverwaltung betraut.“ [92] Die Beistandschaft hat auf die Handlungsfähigkeit der verbeiständeten bzw. betroffene Person keinen Einfluss. Sie stellt die schwächste Form der staatlichen Fürsorge im Vormundschaftsrecht der Schweiz dar.
Das ZGB benennt den Vertretungsbeistand bei Abwesenheit des Betroffenen „in folgenden Fällen:
1. wenn eine mündige Person in einer dringenden Angelegenheit infolge von Krankheit, Abwesenheit od. dgl. weder selbst zu handeln, noch einen Vertreter zu bezeichnen vermag;
2. wenn der gesetzliche Vertreter einer unmündigen oder entmündigten Person in einer Angelegenheit Interessen hat, die denen des Vertretenen widersprechen;
3. wenn der gesetzliche Vertreter an der Vertretung verhindert ist.“ [93]
Kraft Gesetzes wird ein Verwaltungs- und Vermögensbeistand wie folgt eingesetzt: „Fehlt einem Vermögen die nötige Verwaltung, so hat die Vormundschaftsbehörde das Erforderliche anzuordnen und namentlich in folgenden Fällen einen Beistand zu ernennen:
1. bei längerer Abwesenheit einer Person mit unbekanntem Aufenthalt;
2. bei Unfähigkeit einer Person, die Verwaltung ihres Vermögens selbst zu besorgen oder einen Vertreter zu bestellen, falls nicht die Vormundschaft anzuordnen ist;
3. bei Ungewissheit der Erbfolge und zur Wahrung der Interessen des Kindes vor der Geburt“ [94]
Daneben kann einer Person ein Beistand auf eigenes Begehren gegeben werden, wenn die Voraussetzungen der Bevormundung auf eigenes Begehren vorliegen. [95]
Die persönliche Fürsorge kann demnach zum Aufgabenbereich des Beistandes gehören, zwar in beschränktem und festgelegtem Umfang, was auch bei der auf Dauer angelegten Vertretungsbeistandschaft und besonders bei der Beistandschaft auf eigenes Begehren zutrifft. Es muss jeweils geklärt werden, ob die schutzbedürftige Person vor eigenen schädlichen Handlungen geschützt werden muss, was vor allem mit einer Beiratschaft zu geschehen hat. Zu klären ist auch, ob vorübergehend eine Angelegenheit zu erledigen ist, wozu eine Person nicht in der Lage ist. Die Beistandschaft wird von der Vormundschaftsbehörde am Wohnsitz der bedürftigen...