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E-Book

Die Bio-Revolution

Die erfolgreichsten Bio-Pioniere Europas

AutorGeorg Schweisfurth
VerlagChristian Brandstätter Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783850337946
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Der Name Schweisfurth steht seit den 80er-Jahren für ökologische Pionierarbeit in Deutschland. Der Vater leitete einmal den größten fleischverarbeitenden Konzern Europas, das Unbehagen über die damit verbundene Massentierhaltung führte jedoch zum Umstieg auf ökologische Landwirtschaft. Zu einem Zeitpunkt, als es für einen solchen Schritt noch wenige Vorbilder gab und 'Bio' ein Synonym für verschrobene Weltverbesserer ohne Geschäftssinn war. Spätestens mit der Gründung der Bio-Supermarktkette 'basic' zeigte Georg Schweisfurth, dass 'Bio- Genuss für alle' möglich ist. In seinem neuen Buch zieht er Bilanz: Erleben wir, angesichts von Klimawandel und Lebensmittelskandalen, endlich eine echte 'Bio-Revolution'? Wo steht 'Bio' heute? Wo findet man funktionierende Modelle, und welche Lösungsansätze für eine Landwirtschaft der Zukunft bieten sie? Georg Schweisfurth ist zu mehr als 20 Vorzeige-Bio-Betrieben in Europa gereist und hat mit den leidenschaftlichen Pionieren und Pionierinnen über autochthone Tierarten und Weinsorten, traditionelle Anbaumethoden und modernes Marketing, über Erfolge und Rückschläge diskutiert. Vom traditionellen Rohschinkenproduzenten in Andalusien bis zur ältesten deutschen Bio-Brauerei - die ungewöhnlichen Erfolgsgeschichten dieser Menschen geben uns einen unverstellten Einblick in das wahre Gesicht der Bio-Branche und zeigen, wie jeder einzelne von uns für eine gesündere Umwelt und eine zukunftsfähige Landwirtschaft kämpfen kann.

Georg Schweisfurth war 1986 Mitinitiator der Herrmannsdorfer Landwerkstätten, seit 1996 ist er Geschäftsführer des ökologischen Seminarhotels Gut Sonnhausen, 1997 war er Mitbegründer der basic AG und bis 2004 in deren Vorstand. Er engagiert sich in verschiedenen Gremien und Institutionen, u.a. in der Schweisfurth-Stiftung und im Aufsichtsrat von Greenpeace Deutschland. Zu seinen Veröffentlichungen zählen Biofood (2001), Der echte Geschmack (2010, mit Kille Enna) sowie Bewusst anders (2012).

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Leseprobe

Roswitha Huber Schule am Berg, Rauris, Hohe Tauern, Österreich www.schule-am-berg.at

 

Die Eigenbrötlerin


Die Bäuerin und Bäckerin Roswitha Huber hält nichts von grauer Theorie: In ihrer Schule am Berg legen Kinder wie Erwachsene Hand an. Sie alle lernen hier auf 1200 Meter Seehöhe von der hartnäckigen Netzwerkerin, wie man echtes Sauerteig-Brot bäckt – und mehr.

Die Reise in die Hohen Tauern erwarteten wir mit Freude und Spannung. Meine erste Reise auf der Suche nach den schönsten und tiefgründigsten Bio-Projekten in Europa! An einem klaren, kalten Dezembertag brachte uns mein alter Chevrolet Blazer immer weiter hoch in die Zentralalpen, in die Einsamkeit und zu jenem Ort, an dem sich seit vielen Jahren eine bemerkenswerte Frau für den Erhalt des bäuerlichen Handwerks und gegen den Verlust der Verbindung der Menschen mit der Natur einsetzt: Roswitha Huber.

Wir sollten Rucksack, warme Wandersachen und feste Bergschuhe mitnehmen, hatte Roswitha ein paar Tage vorher empfohlen, denn man wisse nicht, ob man wegen des vielen Schnees trotz Geländewagen bis hinauf zu ihrer „Schule am Berg“ auf 1200 Meter Seehöhe fahren könne. Im Nationalpark Hohe Tauern ist in diesem Jahr früh viel Schnee gefallen, die Berge reichen bis über 3000 Meter hinauf. Es verspricht, ein ganz besonderes Erlebnis zuwerden. Also waren meine Assistentin Veneta und ich gerüstet.

Man muss schon hoch hinaus, um heutzutage noch zu ursprünglichen Plätzen zu kommen. Der Weg durch den tiefen Schnee war beschwerlich, und wir fühlten beim Gehen, dass sich die Menschen früher auch nur so fortbewegen konnten. Ein atemberaubender Blick in eine ungestörte Landschaft begleitete uns. Der Mensch lebt heute so weit von der Natur entfernt und hat kaum die Möglichkeit, den Städten zu entfliehen. Er ist den Jahreszeiten entfremdet, kennt die natürlichen Prozesse nicht mehr und ist derart entwurzelt, dass er immer öfter depressiv und einsam wird.

Brot-Netzwerkerin

Roswitha hatte ich auf ihrem Brotfest in Rauris an einem sonnigen, warmen Spätsommerwochenende 2009 kennengelernt und ich spürte damals sofort, dass eine einzigartige Frau vor mir stand, die ein ganz wichtiges mitteleuropäisches Kulturerbe verteidigt. Über Jahre hat sie neben ihrer pädagogischen Arbeit und der Holzofenbäckerei auf ihrem Berghof, der Kalchkendlalm hoch über Rauris, Holzofenbäcker in der ganzen Welt besucht und ein Netzwerk geschaffen, über das diese vom Aussterben bedrohte Gattung von Bäckern Austausch pflegt, gegenseitige Unterstützung lebt und jedem das Gefühl vermittelt, nicht hoffnungslos allein auf der Welt zu sein. Hier in Rauris in einer alten Scheune treffen sich alle zwei bis drei Jahre Bäcker aus Frankreich, Griechenland, Österreich, Afrika und von anderswo her. Roswitha sorgt mit ihrer angeborenen Hartnäckigkeit und Ausdauer dafür, dass das Kulturgut des echten Bäckerhandwerks mit Holzofen und Roggensauerteig nicht ausstirbt, indem sie zu diesem Fest Journalisten, Kulturschaffende, Politiker, Bio-Bäuerinnen, Backofenspezialisten, Lehrer und Interessierte einlädt.

Schon bei den Vorbereitungen war mir bewusst, dass ihr Beitrag zur „Bio-Revolution“ ganz wichtig sein würde: die alpenländische Brotbackkunst, aber auch Roswithas pädagogischer Lebensauftrag, Kinder praktisch an dieses Handwerk, das bäuerliche Leben und alles, was darum herum zu wissen ist, heranzuführen. Wo kommen wir her? Wo wollen wir hin? Das ist wichtig, und die Eltern wissen es zumeist nicht mehr.

Bäckerei und Schule am Berg

Es empfing uns eine strahlende Roswitha, die dabei war, die Katzen zu bändigen und deren Reste zu entsorgen, den Schnee ums Haus herum wegzuschaufeln und Holz aus dem Schuppen zu holen, um das Feuer im Brotbackofen zu entfachen. Eingepackt in Wolle bis zum Kragen, eine weiße Bäckerschürze umgebunden. „Viele Brote wollen wir heute backen, es gibt viele Bestellungen im Tal!“ Im Winter sind keine Kinder da, das heißt, das pädagogische Programm fällt aus. Obwohl diese Erfahrung für die Kinder auch sehr gut wäre. Sie weiß: Die Sinne der Kinder werden hier mehr geschärft als durch Computerspiele zu Hause im Tal. Die Sonne verschwand schon um drei Uhr nachmittags hinter den schneebedeckten mächtigen Felswänden, die den Weg hinauf Richtung Süden flankieren, und es wurde schnell bitterkalt.

 

Der große Saal auf der Kalchkendlalm, der als Workshop-, Vortrags- und Speisesaal sowie Notunterkunft dient.

Roswitha stammt aus Oberösterreich und kam als Volksschullehrerin ins Rauriser Tal. Dort heiratete sie den Bauern Andreas Huber vom Pirchnerhof im Seidlwinkltal. Ihre Schwiegermutter Theresia betrieb auf dem Pirchnerhof, dem „Haupthof“ der Familie Huber, eine Pension für die Sommerfrischler, so wie sich viele Bäuerinnen im Tal mit dem Tourismus befassten, dabei ihre selbstgemachten Produkte vermarkten konnten und für die Gäste kochten. Die heutige „Schule am Berg“ war bis 1956 ein ganzjährig bewohnter Bauernhof. Seither wird der Hof als Alm bewirtschaftet, das Milchvieh ist nur im Sommer oben. Mehr als 50 Jahre war das Haus nicht bewohnt, bis Roswitha mit ihrem Mann Haus und Stall herrichtete, um dort ihre Bäckerei und die „Schule am Berg“ aufzumachen. 1956 hatte Roswithas Schwiegervater das alte Bauernhaus mit seinem klitzekleinen Stall gekauft, mit der Scheune und dem alten freistehenden Backofen. Bis dahin lebte dort eine Bauernfamilie von den wenigen Früchten der Natur, mit ein paar Milchkühen, Schafen, Hühnern und einem Schwein. Die Sommer sind kurz und voll harter Arbeit, die Winter lang und unwirtlich. So ein Leben ist nicht jedermanns Sache und die Annehmlichkeiten des Lebens in einem zentralgeheizten Haus mit dem Supermarkt nebenan wurden zur Verführung.

Brot als Vehikel

„Ich würde heute nicht das machen, was ich hier tue, wäre ich in Rauris geboren“, sagt Roswitha. Die Alm neu zu beleben, das war ihr Ziel. Die Idee hinter der „Schule am Berg“ war, einen eigenen Ort zu haben, um das Thema natürliche Landwirtschaft, alte Arbeitsweisen und bäuerliches Wissen pädagogisch zu verarbeiten. Das Brot ist dabei nur ein Vehikel, um ihre Themen auf praktisch erlebbare Weise an die Kinder zu bringen. Man bäckt es an einem Tag und am Abend kann es jedes Kind mit nach Hause nehmen. Das geht beim Käse nicht. Allerdings ist das Brotbacken in diesen kargen Regionen Europas auch tief in der bäuerlichen Tradition verankert. Nur der Roggen, der heute hier völlig verschwunden ist, gedieh unter diesen klimatischen Bedingungen. Bis 1956 wurde auf 1200 Meter Höhe Roggen angebaut. Erst jetzt beginnt Roswitha wieder mit dem Anbau. Die handwerkliche Aufbereitung des eigenen Getreides an Ort und Stelle ist das Ziel.

Bis in die sechziger Jahre gab es noch ein selbstverständliches Wissen über bäuerliche Zusammenhänge. Durch die einsetzende Spezialisierung ist dieses Wissen verloren gegangen. Früher ist jedes Kind noch in einen Stall gekommen, beim Großvater oder beim Onkel, und hat das Leben auf dem Land erleben können. Ein Leben ganz nah an der Natur und bei den Tieren mit seinen Härten und Freuden, mit Unwettern, warmen gleißenden Sonnentagen und zu früh einsetzendem Schneefall. Mit der Einsamkeit und Zurückgeworfenheit auf sich selbst. Heute gibt es das nicht mehr. Deswegen ist es ein Thema für die Schule geworden. Roswitha füllt jedoch eine Lücke, denn nur die prak tische Erfahrbarkeit von Landwirtschaft und Natur ist das, was bei den Kindern wirkt. Auch die jungen Lehrer von heute kennen die bäuerliche Landwirtschaft nicht mehr. Deshalb stellt sich oft die Frage: Lässt man das Thema an der Schule ganz fallen, oder belässt man es im Oberflächlichen?

 

Das frisch gebackene, duftende Vollkorn-Sauerteigbrot wird aus dem alten Holzofen geholt: Das volle Korn, die natürliche Säuerung und das Holzfeuer – „The Big Three“, wie ich sie bezeichne – machen das Brot nicht nur sehr schmackhaft und vollwertig, sondern auch wochenlang haltbar.

Der Wert unverbauter Regionen

Roswitha Huber treibt ihr Thema nun schon seit 18 Jahren voran. Begleiten tut sie das Brot schon länger. Der örtliche Pfarrer erinnerte sie kürzlich daran, dass sie ihm schon vor über 20 Jahren von ihrer Idee erzählt hatte – der fand diese damals eher „fad“. Vielleicht konnte er sich darunter nichts Rechtes vorstellen, denn in dieser Zeit war eine natürliche Bio-Landwirtschaft in den Köpfen der Menschen so weit weg wie nie zuvor. Es war selbstverständlich und „modern“, dass man industrielle Maßstäbe an die Landwirtschaft und die Lebensmittelherstellung anlegte, und das hieß: mehr Investitionen für mehr Ertrag – Spezialisierung – Monokultur – Einsatz der Errungenschaften der Chemie und des Food-Designs – Globalisierung. Heute, 20 Jahre...

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