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Die deliktische Haftung für Sportverletzungen im Wettkampfsport

ugleich ein Beitrag zur Dogmatik der Verkehrspflichten im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB -

AutorAstrid Götz
VerlagVerlag Versicherungswirtschaft
Erscheinungsjahr2009
ReiheDüsseldorfer Reihe 1
Seitenanzahl367 Seiten
ISBN9783862981113
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,99 EUR
Das Massenphänomen "Sport" ist in besonderem Maße durch das Spannungsverhältnis zwischen der Verrechtlichung sportlicher Betätigung und der Autonomie des Sports geprägt. Schwerpunkt dieser Arbeit ist die juristische Analyse der hinter der haftungsrechtlichen Beurteilung von Sportverletzungen im Wettkampfsport stehenden Dogmatik. Haftungsrechtlicher Anknüpfungspunkt für die rechtliche Behandlung von Sportverletzungen ist § 823 Abs. 1 BGB. Die Autorin prüft die von Rechtsprechung und Literatur herangezogenen dogmatischen Begründungswege zur Haftungsfreistellung bei sportregelkonformem Verhalten und entwickelt auf dieser Basis einen eigenen dogmatischen Lösungsweg. Besondere Bedeutung wird der Verkehrspflichtenkonzeption sowie dem Verhältnis der Sportregeln und deren Bedeutung im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB beigemessen. Es werden die entscheidenden Kriterien für die Bestimmung der Verhaltenspflichten im Sport herausgearbeitet, so dass bei auftretenden Haftungsfragen sowohl die Interessen der Rechtsordnung als auch diejenigen der Sportler in ausreichendem Maße berücksichtigt werden können. Es wird aufgezeigt, wo die Grenze zwischen haftungsrechtlich zu privilegierenden und nicht mehr zu tolerierenden Verhaltensweisen im Sport zu ziehen ist. Konkretisierend erfolgt zum Abschluss eine Auseinandersetzung mit haftungsrechtlichen Einzelfragen im Fußball.

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Leseprobe
II. Rechtfertigung für mildere Beurteilung bei Sportverletzungen (S. 123-124)

Generell ist zu konstatieren, dass im Rahmen sportlicher Betätigungen andere Maßstäbe an die deliktische Verantwortlichkeit gestellt werden sollten als im alltäglichen Leben416. Denn in diesem Bereich entstehen dadurch, dass von der Normalität abweichende Handlungsweisen die Sportwelt prägen, im Verhältnis zu den im Alltag vorherrschenden Lebensverhältnissen ungleich höhere Risiken. Die Ausübung einer Sportart ist nun einmal zweifelsohne mit gewissen Risiken verbunden, die sich nicht gänzlich vermeiden lassen.

Während im täglichen Leben jegliche „Angriffe“ auf die körperliche Integrität der Tabuzone zugeordnet werden, sind vor allem bei Wettkampfsportarten körperliche Nähe und Auseinandersetzung nahezu unvermeidbar und darüber hinaus intendiert. Dies macht eine andere rechtliche Bewertung erforderlich, wenn man die Bedeutung und die Werte des Sports für die Gesellschaft wahren und einer Sportart nicht ihren Reiz und ihre Attraktivität nehmen möchte. Geht man in Anbetracht der in vielen anderen Bereichen zu verzeichnenden Normendichte von einem bewussten Verzicht des Gesetzgebers auf eine normative Regelung des Sportbereichs aus, so lässt dies darauf schließen, dass der Staat kein besonderes zivilrechtliches Interesse an diesem Gebiet hat.

Vielmehr scheint er darauf zu vertrauen, dass der Sport seine Angelegenheiten primär selbst regeln kann. Dies schließt im Grundsatz eine von den sonstigen rechtlichen Maßstäben des Deliktsrechts mildere rechtliche Bewertung nicht aus. Schiffer spricht hinsichtlich der strafrechtlichen Bewertung davon, dass die Grenzen, bis zu denen noch von einer „tatbestandslosen Bagatelle“ gesprochen werden kann, hinausgeschoben werden könnten.

Mit Blick auf das betroffene Rechtsgut führt Schiffer zudem einen weiteren Gesichtspunkt auf, der die milderen Maßstäbe rechtfertige. So begründet er die „Verschiebung der Harmlosigkeitsgrenze“ bei Sportverletzungen durch die unterschiedliche Motivation und Angriffsrichtung. Sport . werde im Unterschied zum Beruf und Straßenverkehr freiwillig und ohne einen ökonomischen Zwang betrieben. Dies führe zu einer differenzierenden Bewertung des Rechtsguts, die sogar nicht nur zulässig, sondern sogar geboten sei.

Es erscheint indes zweifelhaft, ob man dieser Argumentation in Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung des Sports heutzutage uneingeschränkt folgen kann. Denn zumindest im Profisport wird der Sport nicht mehr nur noch freiwillig betrieben. Vielmehr bestehen vertragliche Verpflichtungen der Sportler, die diese weitgehend einschränken. Ein Unterschied zum „normalen“ Beruf besteht insofern nicht. Dennoch ist aber im Grundsatz richtig, dass man sich der sportlichen Betätigung im Unterschied zu anderen Bereichen des Lebens aus Freude an der Bewegung und der gesundheitsfördernden Wirkung freiwillig hingibt.

Der Umstand der freiwilligen Teilnahme an sportlichen Aktivitäten ist bei der Beurteilung haftungsrechtlicher Fragen vom Grundsatz her zu beachten. Insofern kann man Körperverletzungen im Sport von anderen Körperverletzungen unterscheiden. Denn wer sich zum Zwecke der Ausübung einer Sportart, und sei es auch nur aus Anlass des eigenen Vergnügens, als Teilnehmer potentiellen Gefahren aussetzt, ist von vornherein weniger schutzwürdig419 . Dies kann als allgemeine Grundwertung bezeichnet werden, die bei der Lösung der Problematik nicht vergessen werden darf. Dies bedeutet freilich nicht grenzenloses Ausgesetztsein von Gefahren.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Die deliktische Haftung für Sportverletzungen im Wettkampfsport1
Geleitwort der Herausgeber6
Vorwort10
Inhaltsverzeichnis12
Abkürzungsverzeichnis22
Einleitung26
A. Ziel der Arbeit28
B. Gang der Untersuchung30
1. Kapitel: Das Phänomen „Sport“32
A. Bedeutung des Sports in der Gesellschaft33
B. Aspekt der Kommerzialisierung und Professionalisierung – Sport als Wirtschaftsgut40
C. Autonomie des Sports58
D. Sport als teilweise außerrechtlicher Lebensbereich?64
E. Gefahren der Verrechtlichung des Sports73
2. Kapitel: Inhaltliche und rechtliche Bedeutung des Sportrechts78
A. Grundsätzliches78
B. Definition des Begriffs „Sport“79
C. Querschnittsmaterie „Sportrecht“81
D. Einteilung der Sportarten nach dem Grad der Gefährdung86
E. Erscheinungsformen des Sports90
F. Vorliegen einer Sportverletzung bei der Sportausübung als Ausgangspunkt99
3. Kapitel: Bedeutung und Einordnung der Sportregeln106
A. Funktionen der Sportregeln107
B. Einteilung der Sportregeln in verschiedene Kategorien109
C. Rechtliche Bindung an die Sportregeln121
D. Allgemeine Einordnung und Rechtsnatur der Sportregeln133
4. Kapitel: Dogmatische Einordnung der Haftung bei Sportverletzungen144
A. Ausgangslage für die dogmatische Einordnung146
B. Meinungsstand anhand des dreistufigen Tatbestands des § 823 Abs. 1 BGB bei sportregelkonformem Verhalten155
5. Kapitel: Auflösung des Haftungsproblems durchRückgriff auf die Verkehrspflichtenhaftung imTatbestand des § 823 Abs. 1 BGB206
A. Entscheidende Kriterien einer sachgerechten Lösung206
B. Dogmatische Einordnung der Sportlerhaftung unter Heranziehung der Verkehrspflichtenkonzeption208
C. Verkehrspflichten als deliktische Verhaltenspflichten (Sorgfaltspflichten)225
D. Einordnung der Verkehrspflichten im Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB227
E. Zwischenergebnis: Relevanz der Verkehrspflichtenhaftung bei Sportverletzungen228
F. Bestimmung der Verkehrspflichten im Sport229
6. Kapitel: Reichweite des sportgerechten Verhaltens –Grenzen der Einhaltung der Verkehrspflichten270
A. Haftungsrechtliche Relevanz jedes Sportregelverstoßes271
B. Maßgebliche Gesichtspunkte für die Grenzbestimmung274
C. Das Scheitern weiterer Anknüpfungspunkte hinsichtlich der Reichweite verkehrsgerechten Verhaltens275
D. Abgrenzung haftungsrechtlich relevanter und irrelevanter Gefahren284
E. Prüfung des Verschuldens295
F. Mitverantwortlichkeit des geschädigten Sportlers nach § 254 BGB299
7. Kapitel: Haftungsrechtliche Einzelfragen beim Fußball306
A. Gefährdungspotential beim Fußball307
B. Abgestuftes System der Verhaltensanforderungen nachLeistungsklassen308
C. Einzelfragen allgemeiner Haftungsmaßstäbe für die Verkehrspflichten bei verschiedenen Spielsituationen317
D. Bestimmung der Verkehrswidrigkeit einzelner Abwehrmethoden329
E. Schmerzensgeldanspruch von Profisportlern gegen den Ligaverband340
F. Haftungsgrundsätze bei spontanen sportlichen Betätigungen oder Sportarten ohne offizielles Regelwerk344
G. Abschließendes Fazit zur Lösung haftungsrechtlicher Fragen im Sport348
8. Kapitel: Zusammenfassende Ergebnisse352
Literaturverzeichnis362

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