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Die deutsche Berichterstattung zum Völkermord in Ruanda: Eine qualitative Inhaltsanalyse

AutorAgata Waleczek
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl54 Seiten
ISBN9783955497736
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Von April bis Juli 1994 wurden in einem ostafrikanischen Land von der Größe Brandenburgs circa 800.000 Menschen, zumeist mit Macheten, abgeschlachtet. Die tägliche Todesrate der geplanten und systematisch ausgeführten Massaker, die der Völkermord in Ruanda einforderte, war fünfmal höher als die der Todescamps der Nationalsozialisten. Sowohl den Medien, als auch den Vereinten Nationen wurde im Zusammenhang mit dem Genozid in Ruanda vorgeworfen, im Angesicht der Krise versagt zu haben. Die multiple Unfassbarkeit dieses Völkermordes - als Menschenrechtsverbrechen und kommunikative Niederlage - fordert eine kommunikationswissenschaftliche Auseinandersetzung umso mehr heraus, als dass der Forschungsstand zur deutschen Berichterstattung zum Genozid in Ruanda nicht umfangreich ausfällt. Die vorliegende Studie fasst die gegebenen Umstände als Chance auf, einen Beitrag zu einem wenig erforschten Gebiet zu leisten. Die Studie versucht nachzuvollziehen, wie sich das Genozid 1994 in Ruanda abgespielt hat und wie darüber in Deutschland und international berichterstattet wurde. Eine zentrale Bedeutung wird hier bei der Berichterstattung zum Genozid in der Süddeutschen Zeitung zukommen. Wie hat deren Afrikakorrespondent Michael Birnbaum über den Völkermord berichtet?

Agata Waleczek, B.A., wurde 1987 in Rybnik/Polen geboren. Ihr Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin schloss die Autorin im Jahre 2011 mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfo

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4.2, Internationale politische Reaktionen: Dem Völkermord waren nicht nur national, sondern auch international Warnungen vorausgegangen, an denen sich das Zustandekommen einer brutalen Krisensituation hätte erahnen lassen können. Zu diesen Warnungen zählen mehrere Meldungen des Befehlshabers der UN-Friedenstruppen Roméo Dallaire, in denen dieser zum Handeln aufruft. In einem Telegramm an seine Vorgesetzten vom 11. Januar 1994 setzte er diese davon in Kenntnis, dass ein Blutbad vorbereitet wird (vgl. Des Forges 2002: 38) und dass er die Beschlagnahmung von Waffen durchführen wird - dies jedoch wurde ihm vom Stab des Generalsekretariats der Vereinten Nationen untersagt, da dieser Gewaltausbrüche wie in Somalia nach Waffenbeschlagnahmungen befürchtete (vgl. Des Forges 2002: 211). Die Telegramme Dallaires waren nicht die einzigen Warnungen gewesen: In der Zeit zwischen November 1993 bis April 1994 gab es diverse Anzeichen für den sich zuspitzenden Konflikt; dazu zählt ein Anfang Dezember 1993 von ranghohen Militärs an Dallaire gesandter Brief, in dem vor geplanten Massakern gewarnt wurde und die Pressemitteilung eines Bischofs, in der davon die Rede war, dass Waffen an die zivile Bevölkerung ausgegeben würden (vgl. Des Forges 2002: 38). Weitere Hinweise lieferten die Berichte von Nachrichtendiensten, die über geheime Treffen informierten, bei denen Angriffe gegen Tutsi, Hutu-Oppositionelle und UN-Friedenstruppen besprochen wurden und nicht zuletzt die offensichtliche und für jedermann, der ein Radio besaß nachweisbare Aufwiegelung der ruandischen Bevölkerung zum Mord in Presse und Rundfunk (vgl. Des Forges 2002: 38). 'Ausländische Beobachter gingen nicht jedem Hinweis nach, doch die Vertreter Belgiens, Frankreichs und der USA waren über die meisten Vorgänge gut informiert' (Des Forges 2002: 38). Der Völkermord war für diese Staaten vorhersehbar. Wie wurde darauf reagiert? Dallaire forderte Anfang 1994 mehrmals ein erweitertes Mandat, eine Vergrößerung der Truppen sowie mehr Ausrüstung (vgl. Des Forges 2002: 38). Seinen Forderungen wurde nicht nachgekommen, was daran liegt, dass das UN-Sekretariat, vielleicht um nicht ein Missfallen seitens der USA zu riskieren, es unterließ, dem Sicherheitsrat den Ernst der Lage und die Dringlichkeit von Dallaires Bitte zu vermitteln (vgl. Des Forges 2002: 38). Des Forges merkt an, dass diese Informationen für die ohnehin gut informierten Staaten USA und Frankreich keinen Unterschied gemacht hätten, jedoch zu einer falschen Beurteilung der Situation in Ruanda durch andere Mitglieder des UN-Sicherheitsrates führten (vgl. Des Forges 2002: 38/39). Sowohl die den Völkermord bagatellisierende Ansicht des angeblich regierungsfreundlichen Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs Roger Booh-Booh, als auch Dallaires verstärkte Forderungen nach einem Einschreiten wurden dem Sicherheitsrat durch die UN-Mitarbeiter in einer beruhigenden Version präsentiert (vgl. Des Forges 2002: 39). Trotz all dieser die Lage verklärenden Umstände, gaben sich Ende April die Tschechische Republik, Spanien, Neuseeland und Argentinien mit den vom Sekretariat vorgelegten Informationen nicht zufrieden (vgl. Des Forges 2002: 39). Eine gründlichere Recherche ergab, dass es sich um Völkermord handelte, sodass der Sicherheitsrat von diesen Ländern zu einer neuen Friedensmission mit erweitertem Mandat gedrängt wurde (vgl. Des Forges 2002: 39). Am 8. Juni wurde schließlich die UNAMIR-II-Mission genehmigt (vgl. Des Forges 2002: 763), die sich jedoch durch mangelnde finanzielle Mittel in einer bürokratischen Verzögerungstaktik erschöpfte. Im Juni, als die meisten Tutsi bereits tot waren, schickte Frankreich schließlich im Rahmen der Opération Turquoise Soldaten ins Land - nach eigenen Angaben zu humanitären Zwecken, in Wirklichkeit jedoch auch, um einen Sieg der anglophonen RPF zu verhindern (vgl. Des Forges 2002: 786). Des Forges vertritt die These, dass eine frühere und bessere Informierung der nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrates die Gewalt vielleicht hätte abwenden können (vgl. Des Forges 2002: 39). Es wird darüber gestritten, ob der Völkermord als '[...] schwärzeste[r] Punkt in der Geschichte der Vereinten Nationen' (Bitala 2004) vermeidbar gewesen wäre. 'Although some lives could have been saved by intervention of any size at any point during the genocide, the hard truth is that even a large force deployed immediately upon reports of attempted genocide would not have been able to save even half the ultimate victims' (Kuperman 2000: 94/95). Dass ausgerechnet dieser Gedanke die informierten Staaten von einer Intervention abhielt, ist äußerst fragwürdig. Immerhin war Ruanda als aufstrebendes Entwicklungsland durchaus auf ein gutes Image im Westen angewiesen. Des Forges spricht von einer Wachsamkeit der ruandischen Regierung auf internationale Reaktionen, begründet durch die Abhängigkeit Ruandas von ausländischen Finanzhilfen (vgl. Des Forges 2002: 125). Dass das Habyarimana-Regime allerdings kein Eingreifen der Geberländer im sich zuspitzenden Konflikt befürchten müsste, zeichnete sich bereits 1991 ab, als der Rat unabhängiger Berater an die Geberländer ignoriert wurde, darauf zu drängen, die ethnische Klassifizierung aufgrund von Ausweispapieren zu unterlassen (vgl. Des Forges 2002: 125). Für eine Intervention der Vereinten Nationen sprach außerdem die geringe Fläche des Landes von nur 29.338 km² (vgl. Prunier 1998: 1) und die Informiertheit mancher westlicher Mächte im Voraus, die diesen einen monatelangen Planungsspielraum für eine Intervention hätte einräumen können. Außerdem ist Kupermans Argument schon aus einer ethischen Sichtweise unhaltbar, da man, wenn es um Menschenleben geht, nicht quantitativ denken darf (vgl. Generalversammlung der Vereinten Nationen 1948) - selbst, wenn nicht einmal die Hälfte der Opfer hätte gerettet werden können, wäre ein Einsatz menschenrechtlich notwendig gewesen. So gesehen ist Grills Begründung des Verhaltens der Weltgemeinschaft mit der Zwecklosigkeit einer Intervention aufgrund der Unzugänglichkeit und Unübersichtlichkeit Ruandas, eine Ausrede (vgl. Grill 1994: 11). Wichtiger ist folgendes Zitat des Journalisten: 'Was sollte die Weltgemeinde da schon tun, vorausgesetzt, sie hätte überhaupt Interesse daran?' (Grill 1994: 11).
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