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Die frühen Skalden-Lieder

Die Götter der Germanen - Band 78

AutorHarry Eilenstein
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl244 Seiten
ISBN9783743129634
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Die Reihe Die achtzigbändige Reihe 'Die Götter der Germanen' stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann - schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeit der Menschen in ihr zu beschreiben. Das Buch In diesem Band werden die Lieder 'Ragnarsdrapa', 'Thor-Lied', 'Thorsdrapa', 'Haustlöng', 'Odins Rabenzauber', 'Darradarliod', 'Eiriksmal', 'Hakonarmal', 'Sonatorrek' und 'Die Ruine' in lyrischer und mythologischer Hinsicht ausführlich dargestellt und erläutert. Dabei wird der Reichtum an Formen und an Inhalten der frühen Skaldenlieder deutlich sichtbar, der von einer ausgefeilten Vielfalt an Reim-Formen über mythologische Bildern bis hin zu derben politisch-sexuellen Anspielungen reicht.

Ich bin 1956 geboren und befasse mich nun seit 40 Jahren intensiv mit Magie, Religion, Meditation, Astrologie, Psychologie und verwandten Themen. Im Laufe der Zeit habe ich ca. 40 Bücher und ca. 50 Artikel für verschiedene Zeitschriften verfasst. Seit 2007 habe ich meine jahrzehntelange Nebentätigkeit ausgeweitet und bin nun hauptberuflich Lebensberater. Dies umfasst die eigentlichen Beratungen, aber auch das Deuten von Horoskopen, Heilungen, Rituale, Hilfe bei Spukhäusern u.ä. Problemen, Ausbildung in Meditation und Feng Shui und vieles mehr. Auf meiner Website www.HarryEilenstein.de finden Sie einen Teil meiner neueren Artikel und auch einen ausführlichen Lebenslauf.

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Leseprobe

II 1. Bragi Boddason: Ragnarsdrapa


ca. 840 n. Chr.

Bragi Boddason, der auch „Bragi inn gamli“, d.h. „Bragi der Alte“ genannt wurde, wird als der Begründer der höfischen Dichtkunst der Skalden angesehen. Möglicherweise ist Bragi, der germanische Ase der Dichtkunst, eine Vergöttlichung dieses Dichters. Vielleicht haben beide aber auch nur zufälligerweise denselben Namen …

Die „Ragnarsdrapa“ ist ein Danklied an den Fürsten Ragnar für den Prunkschild, den Bragi vermutlich von ihm erhalten hat.

Dieses Lied ist im „Dróttkvaett“-Stil („höfischer Stil“) verfaßt worden. Die poetischen Stilmittel dieser und der in den späteren Kapiteln dargestellten Formen sind in den Originaltexten wie folgt gekennzeichnet:

  • Doppelverse sind durch eine Lücke getrennt,
  • Silbenzahl: in Klammern vor dem Vers,
  • Stabreim: fette Buchstaben,
  • Vollreim: unterstrichen und gerade Buchstaben,
  • Halbreim: unterstrichen und kursive Buchstaben.

In dem Kasten rechts neben dem Originaltext sind die lyrischen Strukturen des Textes kurz beschrieben.

Im folgenden wird immer je eine Halbstrophe betrachtet, die in der Ragnarsdrapa fast immer einen abgeschlossenen Satz bildet.

Die Ragnarsdrapa enthält folgende Themen:

  1. Einleitung
  2. Die Völsungen-Saga
  3. Freya (Die Saga über Hedin und Högni)
  4. Gefion
  5. Thor und Jörmungandr
  6. Thiazi
  7. Schluß

Die folgende Tabelle zeigt den Satzbau in den Strophen der Ragnarsdrapa. Die hellgraue und die dunkelgraue Farbe zeigt jeweils einen Satzteil. Die Strophe 1 (Einleitung) besteht z.B. aus einem Vier-Zeilen-Satz (dunkelgrau) und einem zweiten Vier-Zeilen-Satz (hellgrau). Strophe 3 besteht aus einem Vier-Zeilen-Satz und zwei Zwei-Zeilen-Sätzen. Strophe 9 besteht aus einem Acht-Zeilen-Satz.

Der zweite Satz von Strophe 4 endet erst mit den beiden Zeilen in Strophe 5: Er ist ein Sechs-Zeilen-Satz, der sich über zwei Strophen erstreckt. Dies ist jedoch der einzige Verstoß gegen die Regel, daß Sätze mit dem Strophenende enden müssen.

Durch die Anordnung der Themen in jeweils eigenen Spalten haben sich vier „weiße Flächen“ von der Größe einer Halbstrophe ergeben, da die Themen z.T. nicht mit der Strophe, sondern mit der Halbstrophe enden.

II 1. a) Einleitung

Willst Du hören, Raben-Kessel,

wie ich die Flecken-bedeckte Sohlen-Klinge

des Diebes der Thrudr

und meinen Fürsten mit Geschick preise?

Der Name „Raben-Kessel“ könnte zwar ein Eigenname („Hrafna-Ketill“) sein, aber da nicht bekannt ist, daß der Fürst Ragna Lodbröck so genannt worden ist, wird dies eine Kenning sein, die in etwa „Kessel mit dem Göttermet des Rabengottes Odin“ bedeuten könnte und dann sowohl den Fürsten als den bezeichnen, der seinen Gästen Met anbietet, als auch eine Anspielung darauf sein, daß die Großzügigkeit des Fürsten es erst ermöglicht, daß der Skalde Bragi seine durch die Inspiration des Göttermets entstandenen Verse dichten und vortragen kann.

Die „Sohlen-Klinge“ ist ein Schild: Die „Klinge“ ist eine Waffe und die Waffe, die sich unter der „Sohle“ befindet, ist der Schild des Riesen Hrungnir, auf die er sich stellte, als er von Thor angegriffen wurde. Daß Thors Tochter „Thrudr“ entführt worden ist, ist ansonsten nicht bekannt. Lediglich der Zwerg Alwis hat einmal um sie geworben – aber hat das aufgrund einer List des Thor nicht überlebt. Anscheinend spielte auch in dieser Thrudr-Mythe ein Schild eine wichtige Rolle. Da Hrungnir Thrudrs Mutter Sif und die Asin Freya entführen wollte, scheint es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Mythen zu geben. Die Beschreibung des Schildes als „Fleckenbedeckt“ bezieht sich auf die Bilder auf ihm.

Will Sigurds berühmter Sohn

in guter Weise Lohn erhalten

für die Ring-Nabe

des klingenden Rades des Högni?

Ragna Lodbröck wird hier offenbar als (echter oder symbolischer) Nachkomme des „Sigurd“ angesehen. Da Sigurd den Sagen zufolge zur Zeit des Königs Jörmunrek (Ermanerich), also in etwa zwischen 300 und 350 n.Chr. gelebt hat, konnten sich 500 Jahre später (also nach ca. 25 Generationen) eigentlich fast alle Germanen als Nachkommen des Sigurd auffassen.

„Högni“ ist ein Held aus einer der germanischen Sagas. Sein „klingendes Rad“ ist sein Schild. Eine „Ring-Nabe“ ist eigentlich ein Widerspruch, da der Ring der Umkreis und die Nabe das Zentrum ist. Da die germanischen Skalden jedoch eine Vorliebe für Gegensätze hatten, wird man diese Kenning wohl als eine Umschreibung für „der ganze Schild“ auffassen können. Gemeint ist der Schild, den der Skalde Bragi von dem Fürsten Ragnar erhalten hat.

I 1. b) König Jörmunrek

„Jörmunrek“ oder „Ermanarich“ ist der Begründer der Dynastie der Völsungen/Nibelungen, deren Geschichte u.a. in der Völsungen-Saga erzählt wird. Sein Name bedeutet „großer (jörmun) König (rek/rich)“, was sehr wahrscheinlich einst auch ein Titel des Göttervaters Tyr gewesen ist.

Er beherrschte zwischen ca. 330 und 376 n.Chr. ein Reich, das vom Schwarzen Meer bis an die Ostsee reichte und vor allem die Länder der Skythen und der Germanen umfaßte. Er gehörte zu dem gotischen Stamm der Greutungen („Ostgoten“). Sein Reich wurde durch die Hunnen zerstört. Das Datum dieser Schlacht (376 n.Chr.) markiert den Beginn der Völkerwanderungszeit.

Der ursprüngliche Name „Airmanareiks“ hat im Laufe der Zeit viele Varianten erhalten: Armanaricus, Ermanarich, Ermanaric, Eormenric, Hermanaricus, Jörmunrek, u.ä. Dieser König erscheint in vielen germanischen Sagas: Beowulf-Epos, Völsungen-Saga, Thidrek-Saga, Dietrich-Saga, Hildebrandt-Lied, Swanhild-Saga u.a.

In der Edda wird er meistens Jörmunrek genannt. In den nordischen Sagas ist seine Frau Swanhild, die Tochter von Sigurd und Gudrun (Kriemhild). Nach dem (unberechtigten) Vorwurf des Ehebruchs der Swanhild mit Jörmunreks Sohn Randwer läßt Jörmunrek beide töten. Gudrun läßt daraufhin Jörmunrek durch ihre Söhne Hamdir und Sörli ermorden. Die beiden Brüder töten auf dem Weg zu Jörmunrek auch ihren Bruder Erp.

Einst erwachte Jörmunrek

von einem Traum: in der Mitte der blutgetränkten Edlen,

während Schwerter wirbelten:

Ein Streit brach aus in der Halle …

… von Randwers königlicher Sippe,

als die Raben-schwarzen

Brüder des Erp Rache nahmen

für alles bittere Leid.

„Randwers Sippe“ sind die Nibelungen. Er ist der Sohn von des Ostgotenkönigs Jörmunrek.

Die „Brüder des Erp“ sind Hamdir und Sörli, die den Tod ihrer Halbschwester Swanhild rächten.

Der blutige Tau der Leichen

floß über den Sitz des Königs,

fiel auf den Boden; man sah

abgetrennte bluttropfende Füße und Hände.

Hamdir und Sörli töteten Jörmunrek, indem sie ihm „Füße und Hände“ abschlugen und ihn verbluten ließen. Dieses Motiv stammt aus den Mythen des ehemaligen Göttervaters Tyr.

Der „Tau der Leichen“ ist das Blut.

In den Springbrunnen des Ale-Kelches

fiel er kopfüber, Blut-geblendet:

Dies ist auf den Schild, das Blatt des Busches

aus Leifs Land gemalt.

Der „Ale-Kelch“ ist das Trinkgefäß des Königs Jörmunrek. „Ale“ („Bier“) ist hier eine allgemeine Umschreibung für „vornehmes Getränk“ – auch Met und Wein konnten so benannt werden. Der „Springbrunnen“ ist das Getränk, das emporspritzte, als der Kopf des Königs in den Kelch fiel – die Skalden mochten solche Bilder mit entgegengesetzten Bewegungen.

Leif ist ein Seekönig, d.h. ein Wikinger-Fürst. Sein Land ist das Meer. Der Busch des Meeres ist ein Schiff. Die Blätter an diesem Schiff sind die Schilde, die außen an der Bordwand hängen.

Dort umringten sie

den Schützer des Boden-Pferdes des Landes,

sie standen wie der Saum der Segel

an den Masten des...

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