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E-Book

Die Große Transformation

Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels

AutorUwe Schneidewind
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl528 Seiten
ISBN9783104907284
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Vom Präsidenten des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie: Eine global verantwortete Zukunftsvision. Konkret und anschaulich! Seit 30 Jahren diskutieren wir die Wende zu einer nachhaltigen Entwicklung: als Energiewende, als Ernährungswende, als Mobilitätswende. Dahinter steht die Idee einer »großen Transformation«. Damit ist der umfassende Umbau von Technik, Ökonomie und Gesellschaft gemeint, um mit den sozialen und ökologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umzugehen. Die Blaupausen für die Wende liegen vor. Aber es tut sich wenig. Uwe Schneidewind zeigt mit den Erfahrungen des Wuppertal Institutes auf, wie die Kunst einer Zukunftsgestaltung aussieht, die Zukunftsvisionen mit einem aufgeklärten Innovations- und Transformationsverständnis verbindet.

Uwe Schneidewind, geb. 1966, ist Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Bergischen Universität Wuppertal. Er ist u.a. Mitglied im Club of Rome und im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU).

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Leseprobe

1. »Making Utopia possible«  Eine Einführung in das Buch


Wird die Welt des Jahres 2050 eine bessere und nachhaltigere sein? Wer und was entscheidet eigentlich, in welche Richtung sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten entwickeln? Werden neue Technologien oder ein massiver kultureller Wandel die Hoffnungen auf eine Zivilisation befeuern, die Menschen gleiche Entwicklungschancen überall auf der Welt ermöglicht – trotz begrenzter ökologischer Ressourcen? Hat angesichts zunehmender ökologischer und sozialer Herausforderungen der Kapitalismus in seiner heutigen Form noch eine Zukunft? Oder wird er gerade zur Lösung der Herausforderungen gebraucht? All das sind Fragen, mit denen sich die Diskussion zur »Großen Transformation« beschäftigt.

Eines scheint dabei klar: Das 21. Jahrhundert verspricht ein weiteres Jahrhundert des massiven Umbruchs in der Menschheitsgeschichte zu werden. Oft scheint uns die Zukunft dabei »zu ereilen« – mit technologischen, ökonomischen, politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Dynamiken. Ist es möglich, die aktuellen systemischen Dynamiken so zu verstehen, dass sie sich von Akteuren in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in konstruktive Impulse umwandeln lassen? Was sind wissenschaftlich basierte »Erzählungen«, die Orientierung geben für die Gestaltung eines menschengerechten 21. Jahrhunderts?

Das vorliegende Buch stellt sich diesen Fragen und baut mit seinem Titel auf zwei prominenten Schlüsselpublikationen der letzten 70 Jahre auf: Karl Polanyis »Great Transformation« und der dort gelieferten grandiosen Analyse der Entbettungsmechanismen des modernen Kapitalismus sowie dem Hauptgutachten »Welt im Wandel« des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) aus dem Jahr 2011. Letzteres nutzte den Begriff der »Großen Transformation«, um die Epochenumbrüche des 21. Jahrhunderts im Lichte einer Nachhaltigen Entwicklung zu kennzeichnen, und hat damit die Nachhaltigkeitsdebatte der letzten Jahre sehr beeinflusst.

Der Begriff der »Großen Transformation« in der 2011 vom WBGU eingebrachten Form wird damit zur Grundlage für ein identitätsstiftendes transdisziplinäres Narrativ. Es verdichtet ökologische, technologische, ökonomische, sozial- und kulturwissenschaftliche Erkenntnisse zu einem Hoffnung gebenden Gestaltungsprogramm. Es ist eng verbunden mit dem Selbstverständnis des Wuppertal Instituts, das seit seiner Gründung Anfang der 1990er Jahre ökologische, technologische, ökonomische und gesellschaftliche Perspektiven verbindet, um die Utopie einer Nachhaltigen Entwicklung zu ermöglichen. Dieses Buch führt in die Erzählung der »Großen Transformation« ein und stützt sich dabei auf zentrale Konzepte und Theoriebausteine der Debatte sowie die Erfahrungen des Wuppertal Instituts.

Mit dem Anspruch, diese unterschiedlichen Aspekte des Nachhaltigkeits- und Transformationsdiskurses aufeinander zu beziehen, wagen wir ein ambitioniertes Unterfangen – ähnlich tollkühn, wie es schon der WBGU 2011 mit seiner Referenz auf Karl Polanyi getan hat. Die Arbeit des Wuppertal Instituts ist aber von der Überzeugung getragen, dass nur systemische Herangehensweisen, die auch einen breiten inter- und transdisziplinären Brückenschlag nicht scheuen, Orientierung in einer komplexer werdenden Wirklichkeit bieten. Dies gilt umso mehr in einer Zeit, in der im Wissenschaftssystem angesichts zunehmender Spezialisierung der Mut zu solchen Entwürfen eher ab- als zunimmt. Daher freuen wir uns, dass Sie sich als Leserin und Leser auf diese Reise einlassen.

Vor diesem Hintergrund greift das Buch das Konzept der Großen Transformation auf: Die Große Transformation beschreibt einen massiven ökologischen, technologischen, ökonomischen, institutionellen und kulturellen Umbruchprozess zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Dieser Prozess ist keine gesichtslose systemische Dynamik, sondern von Menschen initiiert und geprägt und damit grundsätzlich auch gestaltbar. Den Kompass und die Ansatzpunkte für diese Gestaltung zu verstehen und zu nutzen, bedarf es vieler Akteurinnen und Akteure und einer besonderen (transformativen) »Literacy«, d.h. einer Kompetenz, diese Dimensionen in ihrem Zusammenspiel zu verstehen, und der Kunstfertigkeit, dieses Verständnis in Beiträge zu einer Nachhaltigen Entwicklung umzusetzen. Diese »Zukunftskunst« in ihrer Mehrdimensionalität wird im Zentrum des Buches stehen.

Die vier Dimensionen der Zukunftskunst. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schneidewind, 2013, S. 83

In diesem Sinne stützen wir uns auf bestehende konzeptionelle und theoretische Zugänge, die einen Hinweis darauf geben, wie die Umbruchphase im 21. Jahrhundert in eine menschengerechte Vision münden kann: gleiche und hinreichende Entfaltungschancen für die Menschen auf diesem Planeten, heute und zukünftig – innerhalb der bestehenden planetaren Grenzen. Genau das steckt hinter der ursprünglichen Nachhaltigkeitsdefinition der Brundtland-Kommission aus dem Jahr 1987. Die Kommission bezeichnete Nachhaltige Entwicklung als eine Entwicklung, »die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.« Heute ist die Welt von einer solchen Vision noch weit entfernt: in ökologischer Hinsicht, mit Blick auf soziale Gerechtigkeit und in der Art des globalen Wirtschaftens.

Wir werden unter Rückgriff auf aktuelle Debatten aufzeigen, wie ein Umsteuern dennoch gelingen kann, wie sich Wirtschaftsordnung und technologische Möglichkeiten weiterentwickeln können, wie diese Veränderungen in geeignete institutionelle Rahmen und insbesondere in einen kulturellen Wandel einzubetten sind. Wir werden einen Blick auf die Rolle werfen, die dabei Politik, Unternehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zukommen, und darauf, mit welchen Ressourcen und welcher Haltung sich jeder individuell als Pionierin und Pionier des Wandels in den Prozess der Großen Transformation einbringen kann.

Drei Besonderheiten zeichnen das Buch als Beitrag zur aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte aus:

  1. Es ist integrativ: Es liefert einen übergeordneten Rahmen, aus dessen Blickwinkel eine große Zahl bestehender Konzepte der aktuellen Nachhaltigkeits- und Transformationsdebatte aufeinander bezogen werden.

  2. Es ist ökonomisch pluralistisch: Es setzt sich – hier ganz im Sinne Karl Polanyis – aktiv mit der Zukunft unserer Wirtschaftsordnung als einem Kernelement einer gelingenden Nachhaltigkeitstransformation auseinander.

  3. Es ist akteursorientiert: Es stellt aufbauend auf seiner Analyse am Ende Akteure ins Zentrum und definiert die Anforderungen an Politik, Unternehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in der Großen Transformation.

Das Buch versteht sich als Beitrag zu einer »transformativen Wissenschaft«. Damit ist eine Wissenschaft gemeint, die Veränderungsprozesse informieren und auch aktiv anstoßen möchte. Es liefert ein »Narrativ«,[1] einen hermeneutischen Versuch, der aufbauend auf sehr unterschiedlichen Theorieansätzen Akteuren in der Transformation eine Orientierung gibt.

Das Buch gliedert sich in drei Teile, um seinen Anspruch einzulösen (vgl. Abb. 1.2):

Aufbau des Buches

(1) Teil A entwickelt den spezifischen Ansatz des Buches: Er führt in Nachhaltigkeit als eine kulturelle Revolution und als ein zentrales Zivilisationsprojekt des 21. Jahrhunderts ein. Auf dieser Grundlage entwickelt er das den Leser durch das gesamte Buch begleitende Konzept der »Zukunftskunst«. Schließlich legt er die theoretischen Grundlagen dafür, Transformationsprozesse zu verstehen, und zeigt in diesem Lichte, warum die aktuelle Wirtschaftsordnung ein Dreh- und Angelpunkt für eine »Große Transformation« ist. Die dann folgenden Kapitel ordnen die Eckpunkte der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte in den entwickelten Bezugsrahmen ein. Es wird deutlich, warum die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) den zentralen Kompass für den Nachhaltigkeitsdiskurs markieren, warum das Denken in »planetaren Grenzen« so wichtig für eine »Zukunftskunst« ist und wie sich dies in Visionen auf der Energie- (»Dekarbonisierung«) und Ressourcen-Ebene (»8-Tonnen-Gesellschaft«) übersetzen lässt.

 

(2) Teil B beschreibt die Arenen der Großen Transformation. Sieben spezifische »Wenden« bilden den Kern der Großen Transformation: Die Kombination aus einer (1) »Wohlstands- und Konsumwende« auf der einen sowie einer (2) »Energiewende« und einer (3) »Ressourcenwende« auf der anderen Seite bilden die grundlegenden Sphären der Großen Transformation. Diese übergeordneten Transformationen vollziehen sich in oft eng miteinander vernetzten Sektorwenden, wie insbesondere der (4) Mobilitätswende und der (5) Ernährungswende sowie in zentralen Transformationsräumen – hier insbesondere der (6) Urbanen Wende sowie der (7)...

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