PHARAO THUTMOSIS III.
(1483 v. Chr.–1425 v. Chr.)
„Der sich über seine Stärke freut, der die Herrscher der Fremdländer schlägt, die ihn angreifen, weil sein Vater Re ihm Siege über jedes Land insgesamt und die Stärke des Schwertes für seine Armee verliehen hat, um die Grenzen Ägyptens auszuweiten …“ Dieser alte ägyptische Text auf einem Obelisken verherrlicht einen Pharao, der lange Zeit kaum Beachtung fand. Doch jener Herrscher, der als „Napoleon Ägyptens“ bezeichnet wird, war wohl die größte militärische Begabung und der bedeutendste Eroberer unter den Pharaonen.
Der 1496 v. Chr. geborene Thutmosis erhielt ab seinem vierten Lebensjahr eine geistliche Ausbildung im Amun-Tempel zu Theben. Da er als Sohn der Zweitfrau des Pharaos in der Thronfolge nicht an erster Stelle stand, war er für die Laufbahn eines Priesters vorgesehen. Sein Vater Thutmosis II., der während seiner kurzen Regierungszeit kränklich war, starb recht jung. Am Hof entbrannte ein Streit um die Nachfolge, der durch einen Spruch des Amun-Orakels zugunsten von Thutmosis III. entschieden wurde. Der kleine Prinz wurde im Jahre 1490 v. Chr. zum neuen Pharao geweiht, die eigentliche Regentschaft übernahm jedoch die Erstfrau des verstorbenen Pharao, Hatschepsut.
Bald wurde die Regentin selbst als Pharaonin bezeichnet und sie entwickelte eine sehr kraftvolle Herrschaft. Sie trat als große Bauherrin auf, galt es doch, die Spuren der noch nicht lange zurückliegenden Besetzung des Landes durch die Hyksos zu beseitigen. Unter Hatschepsut wurde auch die militärische Macht Ägyptens verstärkt, wovon Thutmosis später profitieren sollte. Durch die Invasion der Hyksos waren das Pferd und der Wagen als Fortbewegungs- und Kampfmittel in Ägypten bekannt geworden.
Der Machtanspruch der „Pharaonin“ Hatschepsut ging so weit, dass sie in einem von ihr errichteten Tempel Thutmosis III. nur als Nebenfigur darstellen ließ. Ansonsten taucht sie auf Inschriften gleichbedeutend mit ihrem Stiefsohn auf. Der junge Pharao hatte sich, neben der ständigen Vorbereitung auf seine Rolle als Herrscher, mit Kulthandlungen und Opferriten zu beschäftigen. Außerdem hatte er die Einsetzung von Würdenträgern und die Einrichtung von religiösen Stiftungen zu vollziehen. Die politische Macht jedoch lag allein in Hatschepsuts Händen.
Ab seinem 15. Regierungsjahr begann Thutmosis III. sich politisch stärker zu engagieren und sich vermehrt mit ihm genehmen Leuten zu umgeben. Noch zur Zeit der Mitregentschaft Hatschepsuts unternahm der junge Pharao seine ersten Feldzüge, deren Ziele Syrien und Nubien waren.
Das Ende von Hatschepsut liegt im Dunkeln. Sie verschwindet nach ihrem 20. Regierungsjahr einfach aus den Quellen und Aufzeichnungen. Möglicherweise wurde sie von Thutmosis beseitigt, der die Stiefmutter dafür gehasst haben könnte, dass sie ihm die Macht so lange vorenthalten hatte. Vielleicht starb sie aber auch eines natürlichen Todes. Die spätere Entfernung ihres Namens und ihrer Figur von vielen Bauten und Reliefs deutet jedoch eher auf ein unsanftes Ende der „Pharaonin“ hin. Thutmosis jedenfalls war danach der uneingeschränkte Herrscher Ägyptens.
Der Pharao ließ seine Feldzüge in einer Art Tagebuch aufzeichnen, weshalb seine Unternehmungen im Gegensatz zu den Taten vieler anderer Herrscher Ägyptens gut dokumentiert sind. In den 20 Jahren seiner Alleinherrschaft sollte es Thutmosis gelingen, die Grenzen seines Reiches zielbewusst im Norden bis an den Euphrat und im Süden bis zum 4. Katarakt des Nils auszuweiten.
Als die Herrschaft Hatschepsuts, aus welchen Gründen auch immer, zu Ende ging, spitzte sich die Lage in Gebieten zu, auf die Ägypten schon lange Anspruch erhob: Palästina und Syrien. Ägyptens Konkurrent, das Reich Mitanni, war ein Bündnis mit den Herren einiger Städte Syriens eingegangen. Treibende Kraft hinter dieser Allianz war der Fürst von Kadesch. Große Teile seines Herrschaftsgebietes in Palästina und Syrien hatte der Pharao bereits verloren, nur die Festung Scharuhen im Süden Palästinas stand noch unter ägyptischer Kontrolle.
Thutmosis handelte rasch und machte sich mit seinem Heer auf den Weg, um die Truppen des feindlichen Bündnisses zu anzugreifen. Der Ausgangspunkt der Unternehmung war die ägyptische Festung Sile am heutigen Suezkanal. Von dort marschierte die Armee des Pharao die Küste des Mittelmeers entlang. Nach zehn Tagen erreichte Thutmosis die Stadt Gaza, die mit Ägypten verbündet war, und nach weiterem Marsch schließlich die Stadt Jehem, von wo Aufklärungseinheiten ausgeschickt wurden, um die Lage und den Standort des Gegners zu erkunden. Diese fanden heraus, dass sich der Fürst von Kadesch mit seinen Verbündeten und deren Truppen in der Stadt Megiddo aufhielt und beabsichtigte, der Armee des Pharao in der Küstenebene vor der Stadt eine Schlacht zu liefern.
Thutmosis boten sich drei verschiedene Möglichkeiten zum Anmarsch gegen den Feind. Nach einer längeren Beratung mit seinen Offizieren entschied er sich für den beschwerlichsten und gefährlichsten Weg, da er annahm, der Gegner rechne nicht damit, dass der Pharao dieses Risiko eingehen würde. So führte Thutmosis, dem Widerspruch seiner Ratgeber zum Trotz, die Armee durch den Engpass von Aruna. Mann für Mann mussten sie die Schlucht passieren und wären hier eine leichte Beute für den Feind gewesen. Der Marsch durch den Engpass dauerte drei Tage und die ägyptische Armee schwebte während dieser Zeit in großer Gefahr. Doch wie der Pharao erwartet hatte, dachten der Fürst von Kadesch und seine Verbündeten nicht daran, dass er diesen Weg nach Megiddo wählen könnte – der Pass wurde nicht überwacht. Thutmosis’ Beispiel zeigt, dass ein erfolgreicher Heerführer gewisse Risiken eingehen, das Unerwartete tun und die Überlegungen des Feindes voraussehen muss.
Während er mit einem Teil seiner Männer ein Lager aufschlug, ließ der Pharao bereits in der Nacht einen anderen Truppenteil gegen den Nordwesten Megiddos vorrücken. Dadurch wurde die feindliche Koalitionsarmee überrascht. Sie konnte nicht rechtzeitig auf den Angriff reagieren und floh in Richtung der Stadt. Deren Tore wurden so rasch geschlossen, dass ein Teil der Leute über die Mauern heraufgezogen werden musste. Die ägyptischen Krieger aber plünderten nun ausgiebig das Lager ihres Feindes und machten reiche Beute.
Da sich der Gegner nun in der Stadt befand, musste Thutmosis zu deren Belagerung schreiten. Weil sich diese in die Länge zog, schickte der Pharao einige Truppeneinheiten bis in die Gegend von Damaskus. Alle Städte auf ihrem Weg leisteten Thutmosis den Treueeid.
Nach einigen Monaten Belagerung griff der Hunger in Megiddo derart um sich, dass die gegnerischen Fürsten gezwungen waren, Verhandlungen mit dem Pharao aufzunehmen. Thutmosis verlangte hohe Tributzahlungen und den Treueschwur auf Ägypten, doch war er bereit, die Fürsten in ihren Positionen zu belassen. Er dürfte sich so großzügig gezeigt haben, weil er einen solch überwältigenden Sieg errungen hatte. Sorgen bereitete nur der Umstand, dass der Fürst von Kadesch entkommen war und somit weitere Auseinandersetzungen bevorstanden.
Über die Unterwerfung der Fürsten berichtet ein zeitgenössischer Text prahlerisch: „Die Fürsten dieses Fremdlandes aber kamen an auf ihren Bäuchen, um die Erde vor der Gottesmacht Seiner Majestät zu küssen und Atemluft für ihre Nasen zu erflehen – weil seine Kraft so groß war und weil die Gottesmacht des Amun gegen alle Fremdländer so groß war …“
Es wird dem Pharao hoch angerechnet, dass er die Bewohner Megiddos ganz gegen die Gewohnheit jener Zeit nicht niedermetzeln ließ. Er nahm nur einige hundert Gefangene mit und natürlich viel Beute, an der seine Männer schwer zu tragen hatten. Die Fürsten der syrischen Städte mussten nun an Ägypten Tribut zahlen und jeweils einen ihrer Söhne an den Hof des Pharao entsenden. Diese Prinzen sollten dort im Sinne von Thutmosis erzogen werden und eines Tages gute Verbündete werden.
Thutmosis bereitete wohl damals schon seinen großen Feldzug gegen das Mitanni-Reich vor, deshalb sicherte er nach dem Sieg bei Megiddo in weiteren Feldzügen die Küstengebiete, um Palästina und Syrien auf Dauer kontrollieren zu können. Er ließ die eroberten Städte befestigen und mit einer Garnison und Vorratslagern versehen. Vor allem für den Bau von Schiffen brauchten die Ägypter Holz von guter Qualität, an welchem es in ihrer Heimat mangelte. Die Zedern des Libanon waren wohl mit ein Grund für die Unterwerfung dieses Gebietes.
Der Feldzug gegen das nordsyrische Reich Mitanni, der achte seiner militärischen Karriere, war wohl der größte und erfolgreichste des Pharao. Allerdings ist hier die Überlieferung recht lückenhaft, die entsprechenden Texte sind nur schlecht erhalten. Sicher scheint, dass Thutmosis von den Phöniziern Schiffe bauen ließ, die dann zerlegt auf von Ochsen...