1.1 Brand, Blitzschlag, Explosion, Implosion, Luftfahrzeuge
Eigentlich weiß man auch schon ohne die Definitionen der Hausratversicherungsbedingungen ganz gut, was es bedeutet, wenn es irgendwo brennt. Dennoch kann es auch bei der Frage nach einem Brand zu Abgrenzungsproblemen kommen. Das Miss- geschick des Hobbykochs, z. B., wenn ihm der Braten „verbrannt“ ist, würde noch keinen Versicherungsfall darstellen.
Was tatsächlich unter Brand zu verstehen ist, steht in § 2 Abs. 2 VHB.
„Brand ist ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag.“
Unter einem bestimmungsgemäßem Herd versteht man den Ort, an dem ein Feuer brennen soll, also zum Beispiel der Docht einer Kerze oder der offene Kamin. Sachen, die dort verbrennen, sind also nicht versichert, da sie ja bestimmungsgemäß verbrennen. Dies trifft für die Kerze und das Kaminholz zu. Wer also häufig den Kamin nutzt, kann die Kosten für das Kaminholz nicht von der Hausratversicherung erstattet bekommen. Eigentlich logisch. Wenn aber durch die Kerze oder durch das brennende Kaminholz ein Feuer entsteht, das auf andere Sachen übergreift, so hat das Feuer seinen bestimmungsgemäßen Herd verlassen und genügend Kraft gehabt, sich auszubreiten. Also: Brennt die Kerze ganz runter und entzündet dadurch erst den Adventskranz und danach den ganzen Hausrat, dann wird der gesamte Hausrat – aber nicht die Kerze – erstattet.
Demgegenüber ist zum Beispiel die Brandstiftung ein Feuer ohne einen bestimmungsgemäßen Herd, denn die Einrichtung der Wohnung ist ja an sich nicht zum Brennen bestimmt. Gleiches gilt für ein Feuer, das aufgrund eines technischen Defekts eines Haushaltsgerätes entstanden ist.
Schäden durch starke Hitze sind aber erst dann ein Brandschaden, wenn es zu einer offenen Lichterscheinung kam. Wer also lediglich das Bügeleisen zu lange auf dem Bügelbrett hat stehen lassen, bekommt das Bügelbrett mit Brandfleck nicht erstattet (sog. „Sengschaden“[12]). Erst wenn der Stoff Feuer fängt und es zu einer offenen Flamme kommt, liegt ein Brand vor.
Hierzu nun unser erster Schadensfall, bei dem wir die Frage des Brandes noch genauer unter die Lupe nehmen wollen. Gleichzeitig gehen wir auf die schon kurz angesprochenen Themen „versicherte Sachen“ und „Obliegenheitsverletzungen“ ein. Wie schon kurz erwähnt, gibt es zu jeder Gefahr auch immer klar definierte Ausschlüsse, die man jeweils mitprüfen muss. Aber das machen wir für die Gefahr „Brand“ jetzt einfach gemeinsam in unserem Fall „Brandgefährlich …“:
Schadensfall 1: „Brandgefährlich …“
Daniel hat eine Hausratversicherung nach den VHB. Er bewohnt eine Mietwohnung, in die er bei Einzug auf seine Kosten einen Teppichboden eingebracht hat. Er hatte den Teppichboden direkt auf unbewohnbarem Estrich verlegt.
In der Vorweihnachtszeit lässt Daniel eine brennende Kerze auf dem Wohnzimmertisch stehen und geht für wenige Minuten aus dem Raum, um die Toilette aufzusuchen. Andere Personen halten sich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Wohnung auf. Als Daniel wieder ins Wohnzimmer zurückkommt, sieht er dass die Kerze aus unerklärlichen Gründen auf den Teppichboden gefallen ist und dort einen „Brandschaden“ (2 cm großer schwarzer Fleck) verursacht hat.
Muss der Versicherer den Schaden erstatten?
Abwandlung des Schadensfalls 1:
Die Kerze fällt auf dem Tisch um. Die darauf liegende Tischdecke sowie der Adventsschmuck fangen Feuer. Das herabtropfende Wachs, brennende Stofffetzen und Tannenzweige setzen den Teppichboden in Brand, der innerhalb weniger Sekunden auch vollständig verbrennt. Es entsteht ein Gesamtschaden in Höhe von 12.000 €. Daniel kann sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen.
Muss der Versicherer den Schaden erstatten?
Lösung
Der Versicherer könnte zum Ersatz des entstandenen Schadens am Teppichboden nach § 1 Satz 1 VVG i. V. m. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 (a) und Abs. 2, § 6 VHB verpflichtet sein. Dann müsste es sich bei dem 2 cm großen schwarzen Fleck auf dem Teppichboden um einen Brandschaden an versichertem Hausrat im Sinne der VHB handeln. Voraussetzung hierfür ist, dass eine versicherte Sache durch eine versicherte Gefahr zerstört oder beschädigt oder infolgedessen abhandengekommen ist.
I. Versicherte Sache
„Versichert ist der gesamte Hausrat in der im Versicherungsschein bezeichneten Wohnung (Versicherungsort)“, § 6 Abs. 1 Satz 1 + Abs. 3 VHB.
Definition: Hausrat, § 6 Abs. 2 (a) VHB
„Zum Hausrat gehören alle Sachen, die dem Haushalt des Versicherungsnehmers zur privaten Nutzung (Gebrauch bzw. Verbrauch) dienen.“
Ein Teppichboden dient dem Gebrauch. Da er auch vom Mieter auf dessen Kosten eingebracht wurde [13], gehört er definitiv zum Hausrat und nicht zur Wohngebäudeversicherung [14]. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Raum erst durch den Teppichboden bewohnbar wurde, da ansonsten nur Estrich vorhanden war. Dies hätte nur Relevanz, wenn Daniel der Eigentümer des Gebäudes wäre. Es bleibt also dabei: bei dem Teppichboden handelt es sich in diesem Fall um versicherten Hausrat.
Zwischenergebnis
Im vorliegenden Fall ist der Teppichboden über die Hausratversicherung von Daniel (Mieter) versichert. Somit wurde eine versicherte Sache im Sinne der Hausratversicherung beschädigt.
II. Versicherte Gefahr
Vorliegend könnte sich die Gefahr eines Brandes nach § 2 Abs. 1 (a) und Abs. 2 VHB verwirklicht haben.
Definition: Brand, § 2 Abs. 2 VHB
„Brand ist ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag.“
Definition: Feuer
„Verbrennungsvorgang mit (offener) Lichterscheinung“[15]
Eine Kerze ist ein bestimmungsgemäßer Herd – die Kerze soll ja brennen – so dass das Abbrennen einer Kerze allein noch keinen Brandschaden im Sinne der VHB darstellt. Die erste Alternative („… ohne einen bestimmungsgemäßen Herd…“) scheidet daher aus. Nach der zweiten Alternative („… oder …“) kann ein Brand aber durchaus von einem bestimmungsgemäßen Herd ausgegangen sein, wenn das Feuer diesen bestimmungsgemäßen Herd (hier die Kerze) verlassen hat und sich sodann aus eigener Kraft auszubreiten vermag. An der Ausbreitungsfähigkeit des Feuers bestehen im vorliegenden Fall allerdings erhebliche Zweifel!
Hinweis
Wenn eine Kerze vom Tisch fällt, wird diese meist durch den Luftzug gelöscht, bevor sie auf dem Teppichboden aufkommt. Wenn – aus welchem Grund auch immer – die Flamme in diesem Fall nicht ausgegangen ist, so brennt sie aber stets nach oben weiter, auch wenn die Kerze waagrecht liegt. Das Feuer hat aber auch dann den bestimmungsgemäßen Herd noch nicht verlassen! Erst wenn das Feuer auch auf andere Gegenstände übergreift („Verbrennungsvorgang mit [offener] Lichterscheinung“) und sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag, liegt ein Brandschaden vor!
Hier kam es lediglich zu einem Fleck auf dem Teppichboden, ohne dass es am Teppichboden zu einem Verbrennungsvorgang mit offener...