„Everyone knows what satisfaction is, until asked to give a definition. Then it seems, nobody knows.“[75]
Die Kundenzufriedenheit – als Maßstab der Markt- und Kundenorientierung von Unternehmen – hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Erfolgsfaktor in der Unternehmenswelt entwickelt und gilt seit dem Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt als Grundlage eines jeden Marketingkonzeptes. Der Einfluss des Zufriedenheitsniveaus auf das Konsum-/Kundenverhalten gilt in der Literatur als wissenschaftlich belegtes Phänomen. In aktuellen Diskussionen zur Steigerung der Produkt-/Dienstleistungsqualität innerhalb kundenorientierter Managementkonzepten wird das Konstrukt der Kundenzufriedenheit vielfach als gesamtunternehmerische Führungsaufgabe verstanden.[76] Besonders die unternehmenserfolgsrelevanten Besonderheiten, wie bspw. Wieder- und Zusatzkäufe, Weiterempfehlungen, Beschwerden und Kundenrückgewinnung nach Kündigungen, veranlassten viele Unternehmen in der Vergangenheit dazu, beträchtliche Summen in Kundenzufriedenheitssysteme zu investieren. In Anbetracht ihrer enormen wirtschaftlichen Bedeutung und Komplexität ist es daher schlüssig, dass zu diesem Thema eine Vielzahl an individuellen Theorien existiert.[77]
Um eine Aussage über die Vorteilhaftigkeit einer qualitätsorientierten Unternehmensführung zu treffen, bedarf es zuvor, die Entstehung von Kundenzufriedenheit darzustellen.
Kundenzufriedenheit wird als ein zentrales Bindeglied zwischen unternehmerischen Aktivitäten und dem Kundenverhalten verstanden.[78] In der Literatur wird ihre Entstehung vorwiegend als Resultat eines psychischen Vergleichsprozesses definiert. Die bekannteste und anerkannteste Theorie hierzu stellt das Confirmation/Disconfirmation-Paradigma oder das Diskonfirmations-Paradigma dar.[79] „Die Kernaussage des C/D-Paradigma lautet, dass Kundenzufriedenheit aus dem Vergleich der tatsächlichen Erfahrung bei Inanspruchnahme einer Leistung (Ist-Leistung) mit einem bestimmten Vergleichsstandard (Soll-Leistung) des Kunden resultiert.“[80]
Entspricht die wahrgenommene Leistung der erwarteten Leistung, so empfindet der Kunde Bestätigung (Konfirmation), was wiederum in Zufriedenheit mündet. Wenn die Ist-Leistung den Vergleichsstandard übertrifft, erfährt der Kunde eine gesteigerte Zufriedenheit (positive Diskonfirmation). Wird die Erwartungshaltung unterschritten, entsteht Unzufriedenheit (negative Diskonfirmation).[81]
Abbildung 1: Confirmation/Disconfirmation-Paradigma
Quelle: Homburg, C. (Hrsg.) (Kundenzufriedenheit, 2012), S. 21, modifiziert.
Als Soll-Leistung oder Erwartungswert werden aktuelle Bedürfnisse, Konsumerfahrungen, Normen, Idealvorstellungen, Leistungsversprechen, Wertvorstellungen und soziale Normen verstanden, die sich vor der Inanspruchnahme der Leistung gebildet haben.[82] Die Ist-Komponente wird in der Literatur als die subjektiv wahrgenommene Leistung definiert, die einen indirekten (Vergleichsprozess), aber auch direkten Einfluss auf die Kundenzufriedenheit hat.[83] Der direkte Einfluss auf die Kundenzufriedenheit begründet sich durch die Wahrnehmung des Leistungsniveaus und des tatsächlichen Nutzens der Ist-Leistung (vgl. Abbild-ung 1).[84]
Diesem theoretischen Modellierungsrahmen wird seit den 1970er Jahren sowohl in der Theorie als auch in der Praxis eine hohe Wichtigkeit beigemessen und hat mittlerweile eine enorme Verbreitung erreicht. Die Theorie des C/D-Paradigmas stützt sich auf Erkenntnisse aus der Sozialpsychologie, wonach ein Individuum die Wahrnehmung einer Sache primär durch die Feststellung einer Abweichung zu einem Vergleichsstandard feststellt und diesen durch die Wahl geeigneter Produkte zu erreichen versucht (Helson, Adoption-Level-Theory 1964). Dieser Vergleichsstandard (Adaptionsniveau) kann sich durch die Wahrnehmungen von Abweichungen anpassen und ist daher nicht als fix anzusehen. So können beispielsweise Konsumerfahrungen oder Mund-zu-Mund-Propaganda diese Erwartungshaltung beeinflussen.[85]
Im Folgenden werden weitere, das C/D-Paradigma ergänzende Erklärungsansätze aus der Sozialpsychologie dargestellt, welche das Konstrukt der Kundenzufriedenheit differenzierter betrachten. Zu nennen sind vor allem die Assimilationstheorie, die Kontrasttheorie und die Assimilations-Kontrast-Theorie (vgl. Abbildung 1).[86]
Die Assimilationstheorie, die in der Literatur oftmals auch als Konsistenztheorie bezeichnet wird, besagt, dass bei Über- oder Untererfüllung der Erwartungen die Kunden nachträglich die Erwartungs- bzw. die Wahrnehmungskomponente anpassen. Dies ist auf das menschliche Bestreben nach einem kognitiven Gleichgewicht zurückzuführen. Erfährt ein Kunde bei einem Kauf eine Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Leistungen (kognitive Dissonanz), nimmt er ein psychisches Spannungsgefühl wahr. Daraufhin aktiviert dieser umgehend einen Mechanismus zur Wiederherstellung der kognitiven Konsonanz (kognitives Gleichgewicht).[87] Diese nachträgliche Angleichung wird auch Assimilationseffekt genannt.[88]
Bei der Kontrasttheorie, basierend auf Helsons Adaption-Level-Theory, handelt es sich wie bei der Assimilationstheorie um das Phänomen der nachträglichen Korrektur von Erwartungen bzw. Wahrnehmungen der Ist-Leistung aufgrund einer positiven oder negativen Diskonfirmation.[89] Entgegen dem Assimilationseffekt, der die Diskrepanz nachträglich verkleinert, bewirkt der Kontrasteffekt eine nachträgliche Übertreibung der Unterschiede. Dies zieht nach sich, dass der Kunde die Ist-Leistung als noch besser oder, im negativen Fall, als noch schlechter wahrnimmt, als sie tatsächlich ist.[90] Die Assimilations-Kontrast-Theorie vereint die beiden zuvor genannten Theorien. Sie besagt, dass das Eintreten des Assimilations- oder des Kontrast-Effektes maßgeblich durch das Ausmaß der Soll-Ist-Diskrepanz bestimmt wird. Im Akzeptanzbereich, also einer nur geringfügigen Abweichung von Soll und Ist-Leistungen, greift der Assimilationseffekt. Im Indifferenzbereich, umschrieben als den Bereich der etwas größeren Diskrepanz, erfolgt keine nachträgliche Anpassung. Im Ablehnungsbereich jedoch hat die Diskrepanz die kritische Größe erreicht und der Kunde übertreibt nachträglich die Soll- oder Ist-Leistungen. Das führt wiederum zu einer vergrößerten Diskonfirmation (Kontrasttheorie).[91]
In der Gesamtschau der dargelegten Theorien zur Kundenzufriedenheit wird die wichtige Stellung des C/D-Paradigmas durch ihren übergeordneten integrativen Rahmencharakter deutlich. Ihre abstrakten Aussagen über die Entstehung der Zufriedenheit finden auch in wissenschaftlichen Diskussionen und in Fachkreisen überwiegend Anerkennung.[92] Resümierend ist zu bemerken, dass Kundenzufriedenheit durch einen komplexen inneren Vergleichsprozess entsteht, der hauptsächlich durch erwartete und tatsächliche Leistung geprägt ist. Aus den Konsequenzen einer Diskonfirmation lässt sich eine Handlungsempfehlung für Unternehmen ableiten. Diese sollten die Steuerung der Erwartungshaltung ihrer Produkte auf ein realistisches Niveau angleichen, da sich übersteigerte Erwartungen negativ auf die Zufriedenheit auswirken können.[93]
Nach den Ausführungen zur grundlegenden Entstehung von Kundenzufriedenheit soll nun der maßgebliche Leitgedanke der positiven Korrelation von Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität/Preisbereitschaft dargelegt werden. Dazu werden zunächst Erkenntnisse aus der Lerntheorie dargestellt, da sie Loyalitätsverhalten grundlegend erläutern.
In der Literatur wird Lernen als Prozess einer langfristigen Veränderung der Verhaltensweise infolge von Erfahrungen und Gedanken (Kognitionen) verstanden.[94] Im Hinblick auf die Auswirkungen von Kundenzufriedenheit wird dem lerntheoretischen Modell besondere Wichtigkeit beigemessen. Das klassische Verhaltensmodell – wie es oftmals auch bezeichnet wird – definiert menschliche Verhaltensweisen als Erfahrungsprozess und unterscheidet dabei zwischen folgenden Lernformen:
klassisches Konditionieren,
operantes Konditionieren sowie
Modelllernen.[95]
Beim klassischen...