2. KAPITEL
»Engagement«
VON KARL-OTTO KAISER
Engagement ist eine der Säulen unserer Gesellschaft. Insbesondere Politiker wie zum Beispiel Bundespräsident a. D. Roman Herzog betonen dies bei jeder Gelegenheit. Doch es sind nicht nur Spitzenpolitiker, die Engagement erwarten. Unternehmen und Hochschulen erwarten es ebenso. Ja mehr noch, einige von Ihnen fordern es gerade zu. Damit die Chancen auf einen Studienplatz richtig gut sind, reicht ein exzellentes Zeugnis allein schon lange nicht mehr. Das gilt noch mehr für Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Topunternehmen. Ob nach dem Abitur oder nach dem Examen an einer Hochschule macht dabei kaum einen Unterschied. Ja, selbst als Unternehmer bedarf es in manchen Branchen vielfältigen Engagements, um bei den Kunden im Gespräch zu bleiben. Ausgeprägte Soft Skills sind deshalb unverzichtbar.
Morgens, halb zehn in Deutschland. Etwas nervös nimmt Julia K. auf dem Stuhl Platz und blickt in die Gesichter der drei Personen ihr gegenüber: eine Professorin, ein Mitarbeiter der Universität und eine Studentin. Die nächsten 30 Minuten werden darüber entscheiden, ob Julia im kommenden Semester einen Studienplatz erhalten wird. Denn es gibt, wie jedes Semester, auch dieses Mal wieder eine große Flut an Bewerbern: weit über 1000 Interessenten und dennoch nur 120 Studienplätze, die zu vergeben sind.
In Stunden wie dieser scheint die Zeit stillzustehen und der Puls rast. Das sind Stunden, in denen vielleicht eine große Karrierelaufbahn beginnt. Das sind Stunden, die irgendwie ein wenig an »Deutschland sucht den Superstar« erinnern – die Jury direkt gegenüber: Die eigene Personality entscheidet, wie es weitergeht. Entweder wird man aufgenommen und erhält den Recall oder man ist aus dem Rennen und darf heimgehen.
Hier ist der Recall, du bist eine Runde weiter!
Ein paar Tage später kommt die Zusage per Post. Julia hat ihren Studienplatz für Betriebswirtschaftslehre bekommen. Sie hat es also geschafft und springt vor Freude auf und ab.
In ein paar Monaten wird Sie zufällig von der Professorin erfahren, was am Ende geholfen hat, ihren Studienplatz zu sichern: Es war ihr Engagement während der Schulzeit. Julia engagierte sich in einer Schülerfirma namens JUKon und die Studienauswahlkommission hat in den Auswahlgesprächen gezielt nach Bewerbern Ausschau gehalten, von denen auszugehen ist, dass diese sich auch im Studium auf dem Campus engagieren werden. Die Vergangenheit von Julia wurde entsprechend interpretiert und brachte ihr Pluspunkte – wertvolle Pluspunkte.
Somit hat sich Julia gegen viele andere Bewerber durchgesetzt, die teilweise sogar bessere Noten vorweisen konnten. Es ist eben immer das Gesamtpaket, das letztlich entscheidet.
Bei Bewerbungen um einen Job sieht es ähnlich aus. Topunternehmen der deutschen Wirtschaft bewerten Bewerber unter anderem nach folgenden Kriterien:
▪Examensnote
▪Studiendauer
▪Auslandserfahrung
▪Sprachkenntnisse
▪Ausbildung / Lehre
▪Promotion
▪MBA
▪außeruniversitäre Aktivitäten
▪soziale Kompetenz
▪Praktika
In der Einstufung zwischen unwichtig und wichtig wird die Examensnote oft unter 100 Prozent bewertet, die beiden Kriterien »außeruniversitäre Aktivitäten« und »soziale Kompetenz« aber immer mit 100 Prozent. So betonen die führenden Personalexperten wie Prof. Dr. Jörg Knoblauch schon lange, dass Menschen wegen ihrer fachlichen Eigenschaften eingestellt werden, dann aber wegen ihrer Persönlichkeit und ihres Charakter wieder entlassen werden müssen. Das ist die Personalfalle. Es macht eben einen spürbaren Unterschied, ob ein Mensch topengagiert arbeitet oder ob er nahezu keinerlei Begeisterung für die Arbeit und das Umfeld zeigt.
Ich kenne einige mittelständischen Unternehmer, die sogar sagen, dass Sie einen Bewerber nur dann einstellen, wenn er parallel zu seinem Studium oder seiner Ausbildung ehrenamtliches Engagement geleistet hat. Sie erkennen daran, ob dieser junge Mensch bereit dazu ist, mehr zu leisten, als gefordert wird. Es sind auch Kriterien wie diese, die es erlauben, einen Menschen zu beurteilen.
Sie werden später im 14. Kapitel »Performance« Ausführliches darüber lesen. Mir geht es jetzt speziell darum, Ihnen aufzuzeigen, wo Sie sich überall engagieren können. Vor allen Dingen möchte ich Ihnen daran zeigen, dass Sie selbst sogar am meisten davon profitieren können.
Engagement auf dem Campus
Das Klima in jeder Hochschule und Universität wird von jenen Studenten geprägt, die sich parallel zum Studium ehrenamtlich engagieren. Plattformen dafür gibt es einige. Sei es in der Fachschaft, in studentischen Initiativen, studentischen Vereinigungen oder anderen ähnlichen Konstellationen.
Das Engagement lohnt sich dabei in mehrerlei Hinsicht und kann von großer Bedeutung für die Zukunft sein. Die folgenden Gründe sprechen jedenfalls dafür, dass Sie sich parallel zum Studium engagieren:
▪Förderung der eigenen Soft Skills, die auf den Beruf vorbereiten
▪stärkere Entwicklung der eigenen Persönlichkeit
▪Kontakt zu Studenten aus höheren Semestern und damit Zugriff auf wertvolle Tipps für die Prüfungsvorbereitung
▪verantwortungsvolle Projekte, die eine gute Referenz im Lebenslauf darstellen
▪spannende Kontakte knüpfen
Es gibt dabei viele Arten von Engagement. Angefangen von Projekten auf dem Campus, die eine Bereicherung des studentischen Alltags ermöglichen, bis hin zu ehrenamtlichem Engagement für jene, die dringend Hilfe brauchen.
Mein Coach, der Student
Ein sehr innovatives Projekt ist an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen am Bodensee entstanden. Nach einer Podiumsdiskussion über Bildungsgerechtigkeit mit dem ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück gründeten zwölf Studenten der Zeppelin-Universität »Rock your life« als Pilotprojekt am Standort Friedrichshafen.
Das Projekt wurde in verschiedenen lokalen und überregionalen Medien gelobt und erhielt mehrere Preise sowie Auszeichnungen. Aufgrund der positiven Resonanz – und natürlich erster Erfolge am Pilotstandort – wurde daraufhin eine gemeinnützige GmbH gegründet, um »Rock your life« deutschlandweit an vielen Hochschulstandorten zu etablieren.
Der Erfolg eines Menschen hängt in Deutschland stark vom sozio-demografischen Hintergrund ab. Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Milieus haben seltener Zugang zu höherer Bildung. Sie erfahren oft nicht die Unterstützung und Förderung, die sie für ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Berufsleben brauchen. Mit der gemeinnützigen Bildungsinitiative »Rock your life« sollen gezielt sozial benachteiligte Schüler aus bildungsund integrationsfernen Milieus – in der Regel Hauptschüler – über ihre letzten zwei Schuljahre von einem dafür speziell ausgebildeten Studenten begleitet werden. Ziel ist die Verbesserung der Chancen der Schüler, nach ihrem Abschluss einen Ausbildungsplatz zu bekommen oder eine weiterführende Schule zu besuchen. Die engagierten Studenten organisieren sich dazu in lokalen Vereinen an Hochschulstandorten in Deutschland. Derzeit existieren bundesweit 18 Standorte, an denen sich etwa 600 Studenten ehrenamtlich engagieren.
Die Schirmherrschaft tragen Prof. Dr. Gesine Schwan, Peer Steinbrück und Cem Özdemir. Unterstützt wird »Rock your life« unter anderem durch die »BMW Stiftung Herbert Quandt«, die Vodafone-Stiftung, die Zeppelin-Universitätsgesellschaft und viele andere Sponsoren und Förderer.
Die Konzeption von »Rock your life« sieht wie folgt aus:
▪»Rock your life« qualifiziert Studenten als Coaches.
▪Die Coaches begleiten einen Schüler eins zu eins während der letzten beiden Jahre der Schulzeit.
▪Zudem wird ein bundesweites Unternehmensnetzwerk aufgebaut, über welches Schüler die Möglichkeit haben, sich über verschiedene Berufsfelder zu informieren.
▪Gezielte Medienarbeit soll das negative Fremdbild von Hauptschülern verändern.
Du hast eine Idee? Mach sie zu deinem Projekt!
Sie möchten Ihren eigenen Weg gehen? Sie haben großartige Visionen und möchten diese verwirklichen? Dann machen Sie es doch einfach! Mit Ihren persönlichen Talenten und Fähigkeiten sind Sie jederzeit in der Lage, eigene Projekte zu starten.
So hat die Mitautorin Claudia Flor, die heute eine internationale Künstlerin ist, zu ihrer Studienzeit eine Ausstellung durchgeführt, bei der sie Zeichnungen von bedrohten Tierarten präsentierte. Diese Bilder wurden zusätzlich mit Informationen über die Tiere ergänzt. Im Rahmen dieser Veranstaltung gab es dann auch eine Spendenaktion, und natürlich wurde ihr Projekt mehrfach in der Presse vorgestellt. Überhaupt ist es eine...