Interieur der Blauen Moschee. Isfahan, Iran.
Die Kunst Persiens:
vom Altertum bis zum 19. Jahrhundert
Der dem Leser hiermit vorliegende Bildband besteht aus zwei Teilen. In einer umfassenden Einleitung wird, wenn auch nur in ganz allgemeinen Zügen, der Versuch unternommen, die Entwicklung der Kunst Persiens, beginnend mit dem ersten Eindringen persischer Völker in das iranische Hochland während des 10. bis 8. Jahrhunderts v. Chr. bis in das 19. Jahrhundert hinein, zu beschreiben. In den ausführlichen Erläuterungen zu den im Bildteil des Buches wiedergegebenen Kunstgegenständen werden nicht nur allgemeine Angaben wie Entstehungszeit, Beschreibung des Objekts, Fundort, Technik der Herstellung usw. gemacht, sondern häufig werden auch kurze wissenschaftliche Berichte über die in verschiedenen Museen der ehemaligen UdSSR aufbewahrten Gegenstände der persischen Kunst eingefügt, die unserer Meinung nach besonders typisch sind und somit besondere Aufmerksamkeit verdienen. Ein Teil dieser Objekte wird in diesem Band erstmals veröffentlicht.
Wir haben uns bemüht, nach Möglichkeit nur die für die Kunst Persiens charakteristischen Werke auszuwählen, und keine, die außerhalb der Grenzen des heutigen Iran entstanden sind (in Transkaukasien, Mittel- und Zentralasien usw.), auch dann nicht, wenn dies unter starkem Einfluss der persischen Kultur geschah.
Der Bildteil soll unsere Idee anschaulich machen. Wir sind davon überzeugt, dass die Kunst des Iran, die sich vom 10. bis zum 7. Jahrhundert v. Chr. herausbildete und natürlich auch Zeiten des Aufschwungs und Niedergangs kannte und ungeachtet stürmischer und oft tragischer politischer Veränderungen, trotz grundlegender ideologischer Wechsel, trotz ausländischer Invasionen und der mit ihnen einhergehenden Umwälzungen in der Wirtschaft des Landes im Verlauf ihrer gesamten Entwicklung bis in das 19. Jahrhundert hinein einheitlich, individuell und zutiefst traditionell war.
Bei unserem Versuch, einen allgemeinen Abriss der Entwicklung der Kunst des Iran in einem derart umfassenden Zeitraum zusammenzustellen, konnten wir auf kunstgeschichtliche Charakteristiken und Analysen nicht eingehen. Die Besonderheiten von „Morphologie“ und „Syntax“ der Kunst des Nahen Ostens, die sich grundlegend von denen des Westens unterscheiden, das Fehlen von ausreichendem Quellenmaterial, die unzureichende Auswertung von Kunstgegenständen ganzer Epochen, die Verschiedenheit der kunsthistorischen Begriffe und eine Reihe anderer Argumente dienen als Beweis für die unbestreitbare Tatsache, dass es gegenwärtig noch nicht möglich ist, eine vollständige und ernsthafte Analyse der Kunstdenkmäler des Nahen Ostens zu geben. Jetzt geht es vor allem darum, die Kunstgegenstände historisch zu interpretieren, sie somit als Quellen zur Kulturgeschichte dieser oder jener Epoche auszuwerten, sie als Hilfsmittel zum Schließen vorhandener Lücken in unseren Kenntnissen über die Ideologie der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Iran zu verwenden. Die in dieser Form gestellte Aufgabe führt (zumindest beim gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse) unausweichlich zur Schaffung von Näherungsmodellen der Kunstentwicklung. Trotzdem lassen sich unschwer Parallelen zu anderen, vor allem schriftlichen Zeugnissen der entsprechenden Periode erkennen. Bei kunstgeschichtlichen, den Iran betreffenden Forschungen jedoch treten einige schwer lösbare Probleme auf, denn es gibt nur sehr wenige Kunstdenkmäler des Altertums, d. h. vom Entstehen der iranischen Kunst bis zum Ende der Herrschaft der Sassaniden-Dynastie. Die Hauptgefahr bei der Erarbeitung von Modellen für die Kunst dieser Zeit besteht somit darin, dass man geneigt ist, die Verbindungslinien zwischen den wenigen Fakten zu gerade zu ziehen.
Die Charakterisierung wird somit stark vereinfacht, wodurch wiederum neue Probleme entstehen. Die Schaffung derartiger Modelle ist ziemlich schwierig, da man gezwungen ist, alle vorhandenen Zeugnisse auszuwerten, beginnend mit der Ikonographie der Kulturdenkmäler bis hin zu linguistischen Studien, und nur wenn sich die verwendeten Bausteine in keinem Fall widersprechen, kann eine gewisse Überzeugung von der Richtigkeit des erhaltenen Modells entstehen. Mit anderen Worten: Es ist notwendig, ein sehr umfangreiches und vor allem verschiedenartiges Quellenmaterial auszuwerten.
Anders verhält es sich mit der Schaffung von Modellen des Mittelalters. Eine sehr große Anzahl von Kunstgegenständen verführt dazu, die sie verbindenden Linien zu sehr abschweifen zu lassen. Das Material selbst und der Vergleich der schriftlichen Quellen mit den Informationen, die aus eventuell vorhandenen Inschriften hervorgehen, verleiten den Forscher dazu, an jedem einzelnen Gegenstand alle Seiten seiner Entwicklung zu berücksichtigen. Im Endeffekt besteht die Gefahr, im Meer der Fakten, seien es auch solche, die von niemandem angezweifelt werden, zu ertrinken, ohne gewisse Haupttendenzen der Entwicklung der entsprechenden Periode überhaupt erkannt zu haben.
Eine andere Gefahr besteht darin, in den „wissenschaftlichen“ Fehler zu verfallen, bedeutende politische oder ideologische Veränderungen einerseits (zum Beispiel die Ablösung der zoroastrischen Religion durch den Islam oder die Eroberung des Iran durch die Seldschuken) und Veränderungen in der Kunst andererseits in einem zu engen Zusammenhang zu sehen. Weitere Schwierigkeiten, vor denen die Wissenschaftler stehen, sind Ungenauigkeiten in der Datierung von Objekten, das Fehlen von Angaben über ihren Fundort u. v. a. m.
Wir haben den Versuch unternommen, genau zwischen den beiden verschiedenen Arten der Kunst zu unterscheiden: den Prestigeobjekten, die ideologische, offizielle, dynastische und andere derartige Konzeptionen widerspiegeln und den handwerklichen oder, besser gesagt, kommerziellen Werken, an denen der Geschmack derer, die diese Werke bestellt haben, bzw. bestimmte lokale Traditionen des Kunsthandwerks oder Veränderungen und Weiterentwicklungen handwerklicher Methoden bedeutend besser zu erkennen sind. Es ist selbstverständlich, dass diese beiden Kategorien eng miteinander verbunden sind und dass ihr zeitgleiches Vorkommen dazu beitragen kann. Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass die Prestigeobjekte Veränderungen in der gesellschaftlichen Struktur deutlicher aufzeigen, während die handwerklichen eine wichtige Stütze (manchmal beinahe die einzige) bei der Datierung und Lokalisierung der Gegenstände darstellen. Außerdem bringen letztere die Veränderungen in der Wirtschaft des Landes besser zum Ausdruck als die sozialen Veränderungen, die nur teilweise erkennbar sind.
Im Altertum (beginnend spätestens mit der Epoche der Meder) sind die Prestigeobjekte diejenigen, die unmittelbar mit der herrschenden Dynastie verbunden sind, die auf Bestellung der Herrscher des Iran direkt an deren Höfen angefertigt wurden und somit ihren Geschmack und die zu dieser Zeit vorherrschende Ideologie reflektieren. Man sollte sie vielleicht besser „proklamativ” nennen. Sie gehören alle zu einer bestimmten Periode in der Geschichte des Alten Orients, zur Periode der „Weltmächte“, und vermitteln ein umfassendes Bild vom Niveau der Kunst in diesem Gebiet und nicht nur einzelner Dynastien. Für diesen Zeitraum ist die zeitliche Einordnung in Abhängigkeit von den Dynastien jedoch die einzige Möglichkeit wissenschaftlicher Periodisierung. Im Mittelalter kam die Rolle der „proklamativen“ Kunstwerke anderen Objekten zu als im Altertum. Das lag in den grundlegenden Veränderungen des staatlichen Charakters, der Struktur und der Ideologie der Gesellschaft begründet. Man kann nicht sagen, dass im Mittelalter die Periodisierung nach Dynastien ihre Bedeutung ganz verloren hatte. Doch Dynastien zerfallen, haben nur noch lokale Bedeutung, und die Vielfalt der Themen wie auch die technischen Fertigkeiten verringern sich natürlich. Ebenso verändert sich der Prestigebegriff. Nicht mehr die Darstellung der Ideen der herrschenden Dynastien, sondern die Demonstration des sozialen Status spiegelt sich in den Kunstgegenständen wider. Ansehen wird nicht mehr durch Herkunft, sondern durch Reichtum und Einfluss bestimmt.
Für diese Epoche ist es bedeutend schwieriger, allgemeine Modelle der Kunstentwicklung zu schaffen. Grund dafür sind die zunehmende Dezentralisierung, die Erweiterung des Umfangs der Prestigeobjekte, die neu auftretenden Schwierigkeiten bei ihrer Interpretation und schließlich die Annäherung der Prestigeobjekte an die handwerklichen Erzeugnisse. Es ist derzeit nur möglich, die Kunstgegenstände nach „technischen“ Merkmalen chronologisch einzuordnen, d. h. auf der Grundlage der Auswertung der Massenprodukte, vor allem der handwerklichen Objekte. Wenn wir bestimmte Etappen der Kunstentwicklung des Iran im Mittelalter beobachten, können wir dabei nicht sagen, wodurch die bedeutenden Veränderungen in verschiedenen Kunstrichtungen hervorgerufen wurden, ja wir wissen nicht einmal in allen Fällen, ob es sich überhaupt um solche Veränderungen oder nur um einen Wandel technischer Verfahren oder des Zeitgeschmacks handelt.
Die in dieser Einführung getroffenen Feststellungen sind längst nicht alle ausreichend begründet, viele von ihnen sind umstrittene Hypothesen. Somit kann es ohne Weiteres geschehen, dass es uns genau so geht wie dem Sohn eines Padischah in einer Geschichte von Dschalal ad-Din ar-Rumi. Der Sohn dieses Padischahs beschäftigte sich einst mit dem Studium der Magie und lernte, Gegenstände, die er nicht sehen konnte, zu erraten. Sein Vater hielt einen Ring mit einem Edelstein in der Hand...