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Die Legende vom Spin Doctor

Regierungskommunikation unter Schröder und Blair

AutorStefan Marx
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl292 Seiten
ISBN9783531910086
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Als Ende der 90er-Jahre Tony Blair und Gerhard Schröder an die Macht kamen, war viel die Rede von Neuer Mitte und Spin Doctoring - linke Politik in neuer Verpackung. Stefan Marx, selbst aktiver Beobachter des politischen Geschehens in Berlin und London, beleuchtet die Hinterbühnen der Regierungszentralen unter Tony Blair und Gerhard Schröder. Er vergleicht den Stil der Informationspolitik der beiden Regierungschefs. Der Autor sprach dafür mit 50 Spitzenakteuren aus Polit-PR und Journalismus. Seine Untersuchung zeigt: Der Hype um den angeblich allmächtigen Spin Doctor verdeckt das eigentliche Phänomen - die verzweifelte Suche der Regierenden nach Antworten auf das rasante Tempo der neuen 24-Stunden-Newsmedien.

Stefan Marx hat in München und Bonn studiert und ist freier Journalist und Politikberater in London.

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Leseprobe
3 Das neue Umfeld für politische Kommunikation (S. 53-54)

"I know that tomorrow I have to fill a certain amount of space […] if the government is not gonna make stories, by its announcements or by helping me out on information that I’m interested in, then I’ll find something else to put in the paper. […] it’s to make sure that there is always a meal for this very hungry animal, the media, which wants to eat at all times." Leitender Journalist einer britischen Boulevardzeitung

Für jegliche PR-Arbeit sind die Entwicklungen in Gesellschaft und Medien zentrale Größen, an die sich die Akteure anpassen müssen. Der Autor dieser Arbeit sieht für Regierungskommunikation noch einen dritten wichtigen Bestimmungsfaktor: Wahlkämpfe lassen sich als die olympischen Spiele politischer Kommunikation beschreiben. In dieser Zeitspanne der Verdichtung und Zuspitzung des Wettbewerbs um die Macht werden Rekorde und Spitzenleistungen aufgestellt, an denen sich alle Mitspieler zukünftig orientieren müssen. Deswegen sind hier die Wahlkampagnen ab den 90er-Jahren als Orientierungsmarken der Regierungs-PR berücksichtigt.

3.1 Die Gesellschaft: postmodern und individualisiert

Unsere Zeit hat ihren eigenen kategorischen Imperativ, meint der Soziologe Gerhard Schulze. Kantianische Pflichtethik weiche dem neuen Leitspruch: „Erlebe dein Leben!" Im Zeitschriftenladen, vor dem Fernseher, beim Einkaufen und – so kann man wohl ergänzen – in der Wahlkabine müsse man sich danach richten, worauf man gerade Lust habe. Der Erlebniswert der Angebote überlagere ihren Gebrauchswert.

Das punktuelle event ersetzt traditionelle Bindungen: Kommt der Papst nach Deutschland, jubelt auch manch einer, der die Bibel nie in die Hand genommen hat. Liefern sich im Londoner Unterhaus Premierminister und Oppositionsführer das wöchentliche Rededuell, schalten einige ein, die noch nie wählen gegangen sind. All das lässt sich in die Modernisierungstheorie einflechten: Gesellschaftliche Großgruppen und Sozialgefüge differenzieren sich in komplexere Milieustrukturen aus.

Die Bindungskraft traditioneller Sinnproduzenten wie Parteien oder Kirchen schwächt sich ab. Der britische Soziologe Lord Anthony Giddens fasste das in dem Axiom zusammen, dass wir in posttraditionellen Gesellschaften gar keine Wahl haben, als zu wählen, wer wir sind und wie wir handeln wollen. Die postmoderne Gesellschaft zeigt sich in der Zunahme an Optionen für die individuelle Lebensführung und der Abnahme an Verbindlichkeiten. Das beschert politischen Akteuren Herausforderungen in der Entscheidungs- und Darstellungspolitik. Für unterschiedliche Lebenslagen müssen sie maßgeschneiderte Konzepte finden, anstatt wie früher jeweils homogenen Lebenslagen in den verschiedenen sozialen Klassen zu begegnen. Sie müssen sich auch mehr Gedanken darüber machen, wie sie mit den zerstreuten Zielgruppen kommunizieren.

Die ökonomische Globalisierung durchdringt zudem Lebensbereiche, die früher nationalstaatlich regelbar waren. Viele Probleme, z.B. Umweltfragen oder organisierte Kriminalität, sind auf der Ebene eines Staates nicht mehr sinnvoll lösbar. Währenddessen wachsen die Ansprüche der Bürger an die Regelungs- und Steuerungskompetenzen des Staates: Die Gesellschaft, deren Gruppen differenzierter und deren Biografien unsicherer werden, erwartet in vielen Lebensbereichen Hilfen und Steuerung von der Politik. Im Prozess der Modernisierung habe sich das Bedürfnis nach dem Staat, der alle Probleme löst und entschieden handelt, noch verstärkt, schreiben Walter/Dürr. Der frühere SPD-Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig sieht die Politik vor bisher nicht gekannten Herausforderungen bei der Ausarbeitung und Durchsetzung von Ideen:
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis5
Verzeichnis der Tabellen8
Verzeichnis der Abbildungen10
Vorwort11
1 Einleitung13
1.1 Die Ziele der Arbeit14
1.2 Der vorhandene Forschungsstand und die Quellen der Arbeit17
1.3 Die Forschungsfragen für die Untersuchung20
1.4 Der Aufbau der Arbeit21
2 Regierungskommunikation – Theorien, Bedingungen, Traditionen24
2.1 Zu den verwendeten Begriffen24
2.2 Symbiose oder Dominanz – das Verhältnis von Politik und Medien31
2.3 Die politischen Kommunikationskulturen in beiden Ländern37
3 Das neue Umfeld für politische Kommunikation53
3.1 Die Gesellschaft: postmodern und individualisiert53
3.2 Die Medien: 24 Stunden Nachrichten61
3.3 Die Wahlkämpfe: War Room, Excalibur und Kampa72
4 Die Kommunikationsstile der Regierungen Blair und Schröder79
4.1 Großbritannien: Tony Blairs spin machine79
4.2 Deutschland: Medienkanzler mit Vermittlungsproblem106
5 Untersuchungsdesign und Methoden130
5.1 Die empirische Untersuchung131
5.2 Planung und Ablauf der Experteninterviews134
5.3 Zur Auswertung und Darstellung der Erkenntnisse139
5.4 Gütekriterien zur qualitativen Forschung142
6 Die Sicht der Experten – empirische Erkenntnisse145
6.1 Das wahrgenommene Umfeld für politische Kommunikation145
6.2 Hintergrund und Stellung der Politikvermittlungsexperten167
6.3 Die Macht der PR-Akteure180
6.4 Der Begriff Spin Doctor187
6.5 Die Folgen professioneller PR – der „postmoderne Tanz“200
7 Bilanz – Spin ist tot, lang lebe Spin213
7.1 Der Spin Doctor – ein Medien-Mythos213
7.2 Koch oder Kellner? Zur Bedeutung der Darstellungspolitik223
7.4 Regieren in der Mediengesellschaft236
8 Zusammenfassung246
Literaturverzeichnis256
Abkürzungsverzeichnis279
Anhang I281

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