6 Rahmenbedingungen für Reformen
Ändern wir deshalb traditionelle reduktionistisch-lineare Denkweisen systemisch. „Alles ist mit Allem vernetzt“. Überwiegend linear Denkende sind durchaus keine „Dummköpfe“. Aber „Dürrköpfe“, ja, das sind sie vielleicht...
Denken wir bei der Perspektive „Zukunftsgesellschaft“ also nicht nur an Leistungs- und Gewinnoptimierung. Versuchen wir deshalb so bald wie möglich in unseren Schulen das heute noch weitgehend praktizierte „kontextfreie“ Lernen zu relativieren. Zukünftiges Unterrichten darf wesentlich auch durch die Schüler nach „heterogenitätsorientierten Lernformen“ gestaltet werden. Dabei sind nach dem Prinzip einer „pädagogischen Ursituation“ Lehr-, Lernformen und Lernziele mit ihren tatsächlichen Anlässen und Anwendungen im „richtigen Leben“ zu veranschaulichen.
Denken wir an unsere Lehrer*innen. Denken wir an unsere Kinder. Denken wir an das Spiel des Lebens. Denken wir beispielsweise auch an Migranten, an anderweitig „Auffällige“, im Weitern auch an chronisch Kranke, an Hochbegabte, an Randständige überhaupt.
Wir wollen, wir dürfen sie dort abholen, wo sie tatsächlich stehen. Ihnen irgendwelche „Exzellenzziele“ aufzuzeigen, ohne sie als Persönlichkeit richtig anzunehmen, ist höchst unredlich; zudem auch untauglich.
Diese Hinweise sind als schlichte Hochrechnungen lebensnotwendiger Zukunftsaufgaben anzusehen.
Zukunftsaufgaben dürfen nicht länger vernachlässigt werden. Wir nennen dazu exemplarisch:
die weitere Emanzipation des Menschen,
die Verbesserung der Umwelt- und Klimaverhältnisse,
das Erlernen zukünftiger Überlebensverhaltensweisen,
die Weiterführung der Sentenz: „Geld regiert die Welt“ zu der Frage: „Und wer regiert das Geld?“ …
Reflektieren wie dazu mal die vorgegebenen planetaren Voraussetzungen unserer Lebensbedingungen.
Unsere Zukunft ist inhaltlich nicht festlegbar. Schon deshalb dürfen wir alte Lebensziele nicht einfach fortschreiben. Wir dürfen unseren Kindern frei und froh und tolerant begegnen. Dann haben sie die Chance, bildungsfroh zu bleiben und noch zukunftsoffener zu werden.
6.1 Zu den Zukunftsspielen
Unsere plötzlichen „Rundschläge“ beziehungsweise die „Querdenkereien“ stören natürlich systematische Denker. Das ist, wir geben es zu, zunächst sogar unsere Absicht.
Du sollst, liebe Leser*in, den Text nicht immer schnell „überfliegen“ können. Zumindest manchmal darfst Du auch etwas ärgerlich werden. Oft wirst Du jedoch, wie wir hoffen, auch Spaß dabei haben. Jedenfalls sollen diese „Emotionalisierungen“ Deine Bereitschaft zum Miterleben fördern. Und „spannend“ wollen wir es ja auch machen.
Im derzeitigen Bildungsbetrieb sollen die Linienlehrer bei alledem auch noch „bildungsoffen“ bleiben. Wir meinen dagegen, dass die armen Lehrer ihre derzeit armen Schüler nicht dauernd auf den „Ernst“ der Bildungsanstrengungen hinweisen sollen.
Ha, ha ...
Die Ergebnisse unserer gemeinsamen „Ist-Kann-Analysen“ kennen auch wir (selbstverständlich) nicht hinreichend. Bildung ist ein „offenes System“, eine Vorbereitung für die Zukunft. Niemand kann ein zukünftiges Lehren und Lernen festlegen. Wir wollen uns gemeinsam mit Ihnen, den Lehrerlesern, den Nichtlehrerleser*innen, den Eltern, den Schülern, den Student*innen, mit den Wissenschaftler*innen und, und, und ... auf die neuen (und hoffentlich überraschend schönen) Ergebnisse freuen.
Selbstverständlich liefert auch die übliche fachspezifische Forschung „Ergebnisse“. Diese Ergebnisse können aber erst dann praktisch wirksam werden, wenn nach dem „Warum“, wenn nach dem „Wann“, wenn nach dem „Wo“, nach dem „Wie“ ihrer Umsetzbarkeit gefragt worden ist.
Im systemischen Denkaspekt wird ein systematisch vielfach reflektiertes schulisches Organisationssystem oft zu schnell kritisiert.
Systemisches Denken kann Systematiken natürlich nicht völlig ersetzen. Beide „Rückführungen“ sind zukünftig zu integrieren und zu ergänzen.
Freiheit ist ja auch keine „Beliebigkeit“. Neue Zusammenhänge können wir nicht einfach „mal so“ und „mal anders“ auslegen. Der starke Spruch von Alexander Mitscherlich: „Erziehen und Regieren richtet sich in Realsituationen nie nach Programmen“ ist eine gute These. Sie meint jedoch keine Willkür im konkreten Erziehungshandeln.
Mitscherlich meinte wohl auch, zumindest im Nebengang, die schöne Möglichkeit der guten Lehrer*in, in der konkreten Situation auch selbst bereichert zu werden, auf Ideen ihrer Schüler*innen eingehen zu können, sie in das Bildungsgeschehen konstruktiv und motivierend einzubeziehen, für pädagogische Ursituationen und Zukunftsmöglichkeiten offen zu sein.
Diese frei und freudig stimmende Aufgabe ist auch ein spannendes Geschäft: „Es gibt nichts Erregenderes, als den Menschen im Kampf mit einer ihm notwendig überlegenen Umwelt“ (Albert Camus).
Denken wir ruhig mal wieder daran, dass der Mensch auch viele gute Möglichkeiten hat. Unterricht kann auch Spaß machen. Unsere Welt ist schön. Zudem haben wir ja auch keine andere. Aber Zeit, ja, die brauchen Lehrer dazu. Zeit, ja, Zeit …
6.2 Einladung zu neuem Spiel
Wir werden mit einigen Fallbeschreibungen, mit systemischen Herleitungen, mit Differentialdiagnosen auch unerlässliche Rahmenbedingungen für ein „Begreifen“ und für „Handlungsfertigkeiten des Begreifens“ anbieten. Wir werden zeigen, wie dergestalt manchem Leiden der Lehrer tatsächlich abzuhelfen ist.
Wir motivieren Dich, liebe Leser*in, dazu zunächst wieder einmal mit einem starken Spruch: „Wer etwas verhindern will, sucht Gründe. Wer etwas Neues machen will, sucht dafür einen Weg.“ (Volksmund)
Solche Hinweise bewirken noch keine Alltagshandlungsfertigkeiten. Zudem können sie auch nicht durchgängig gelten. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen. Selbstverständlich kann andererseits auch nicht jeder in seiner professionellen Arbeit seinen Weg ganz alleine suchen.
Lehren und Lernen sind längst wissenschaftlich begründbar geworden. Lehren kann gelernt, und Lernen kann gelehrt werden.
Warum sollen da zukunftsoffene nationale und internationale Systeme nicht die Rahmenbedingungen bereitstellen?
Dazu nochmals: liebe Lehrer*innen, Sie wollen zukünftig (sagen wir: vorgestern) Ihre Schüler nicht weiter mit dem derzeit üblichen „Schul-Muss“ konfrontieren.
Sie wollen sie stattdessen zum „Bildungsspiel“ immer wieder neu einladen.
Dazu laden wir Sie hier zu diesem Vergnügen der Erforschung neuer Verhältnisse ein.
Erinnern wir an den bekanntesten Zungenherausstrecker der Weltgeschichte. Dieser Albert Einstein wörtlich: „Es ist die Kunst des Lehrers, die Freude am Schaffen und am Erkennen zu erwecken.“
Hier fragen wir wieder einmal durchaus „zusammenhanglos plötzlich“: Wie vertragen sich eigentlich weltweite Bildungsvergleichsstudien mit dem deutschen Bildungsföderalismus? Auf „hohen“ Ebenen wird in sehr differenzierenden Gremien entschieden, dass in der konkreten Situation in der Handlungsdynamik des Unterrichtens alle dasselbe zu machen haben. Dabei sollen sie aber gefälligst den spezifischen Ausführungsanweisungen ihrer Landesministerien und der diesen nachgeordneten Schulbürokratien folgen und das weitgehend noch bestehende „Kommunikationsverbot“ der Bundesländer untereinander beachten.
Und die Animositäten unter Fachkollegen, das gruppendynamisch übliche, jedoch fachlich derzeit kaum reflektierte und schon deshalb oft „aufgeschaukelte“ Gezänk und Getrickse zwischen Kollegen (und in Kollegien), an das erinnern wir hier ebenfalls.
Das alles spielt nicht nur im vorliegenden Zusammenhang eine üble Rolle. Aber wir erinnern „hier“ und „da“ einfach mal daran, um das Elend der Lehrer immer wieder von verschiedenen Ausgangspunkten und auf verschiedenen Ebenen nachvollziehbar zu machen.
7 Veranschaulichungen
7.1 Eine Situation aus dem Schulalltag
Unser (unglaubliches, aber miterlebtes) Beispiel fängt damit an, dass ein Schüler morgens seinen Lehrer am Parkplatz abpasst, um ihm, höflich-nachsichtsuchend-beflissen, mitzuteilen, dass er das Berichtsheft für Chemie leider vergessen habe. Dieser Lehrer ist darüber ungehalten. Er beschließt nun seinerseits, dieses „Vergessen“, (gerade) dieses Schülers, nicht zu vergessen, obwohl er jetzt (im Gehen) sein Merkbuch nicht zücken kann, um eine entsprechende Gedächtnisstütze zu haben.
Zudem bleibt er „freundlich“. Der Schüler hat ihn ja auch „höflich-beflissen“ informiert. Und er, der Lehrer, hat ja auch ein entsprechendes Image bei seinen Schülern. Er gilt als ein aufgeschlossener, gerechter, humorvoller, für seine Schüler „erreichbarer“ Lehrer. Das will er nicht enttäuschen. Gerade bei diesem Schüler hat er allerdings den Verdacht, dass dieser diese besondere Masche der besonderen Ansprache des Lehrers besonders pflege. Er ist als Fahrschüler immer etwas früher in der Schule als die umwohnenden Lehrer. Und da hat er dann Zeit, sich stichhaltige Entschuldigungen zusammenzuzimmern.
Und damit wird er konfrontiert, obwohl er, der Lehrer, heute Morgen wegen eines Banalkonfliktes mit seiner ebenfalls berufstätigen Frau nicht frühstücken konnte und sich eigentlich in der Schul-Cafeteria noch einen Imbiss holen wollte. Den wollte er vor dem Unterrichtsbeginn im (Steh-)Gespräch mit einer Kollegin essen. Diese Kollegin wiederum, wollte „dringend“...