A Prolog
Ich wende mich mit diesem Buch an jeden, der nach Antworten auf die grundlegenden Fragen der Menschheit sucht: Wo kommen wir her, was ist der Sinn unseres Lebens, warum gibt es das Leid in der Welt, was passiert nach unserem Tod? Obwohl sich von alters her Philosophie, Theologie und Naturwissenschaften mit dieser Thematik befassen, ist es bis heute nicht gelungen, eine Theorie zu entwickeln, die diese Fragen in sich schlüssig und widerspruchsfrei beantwortet. Insbesondere versagen insoweit auch alle bekannten Religionen. Diese Lücke möchte ich schließen und die Fragen fundiert beantworten.
Ich werde später begründen, warum ich fest davon überzeugt bin, dass die Bibel die Antworten auf die gestellten Fragen liefert. Deshalb steht die von mir in diesem Buch entwickelte Theorie zum einen auf dem Boden der Bibel. Da es jedoch keine zwei Wahrheiten geben kann, sind das zweite Standbein meiner Theorie die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften. Meine Theorie ist somit sowohl durch die Bibel als auch durch die modernen Naturwissenschaften gedeckt.
Weil ich neben den Naturwissenschaften die Bibel als Fundament heranziehe, wende ich mich im Besonderen an jene Christen, die Zweifel an der offiziellen Lehre ihrer Kirche und deren Auslegung der Bibel haben. Die Zweifel können daher rühren, dass
- kritische Fragen durch die Kirche überhaupt nicht beantwortet werden.
- Fragen als über unseren Verstand hinausgehend auf Gottes Ratschluss beruhend und deshalb als unmöglich zu beantworten erklärt werden.
- die Aussagen der Kirche in sich selbst widersprüchlich sind und die Gesamtlehre deshalb kein sinnvolles in sich logisch geschlossenen Bild ergibt.
- die Aussagen der Kirche in Widerspruch zu den Erkenntnissen der naturwissenschaftlichen Forschung stehen.
Die Zweifel an der traditionellen Auslegung der Bibel treten am deutlichsten bei der so genannten „Theodizee“ auf. Gemeint ist damit die Frage, wie ein allmächtiger und gleichzeitig liebender Gott das unermessliche Leid in der Welt zulassen kann. Bisher ist es nicht gelungen, diesen Widerspruch befriedigend aufzulösen. Die traditionelle christliche Lehre liefert dazu eine „Standardantwort“. Gott hat die Welt ursprünglich gut und frei von jeglichem Leid geschaffen. Die ersten Menschen, Adam und Eva, haben durch Missachtung der göttlichen Gebote gesündigt. Als Strafe Gottes kam das Leid in die Welt, das der Mensch nun als Folge seines Ungehorsams zu ertragen hat.1 Da fragt sich der moderne Mensch natürlich: „Was habe ich denn heutzutage mit dem weit zurückliegenden ,Verbrechen‘ von Adam und Eva zu tun?“ Um aus dieser Klemme herauszukommen, erfand die Kirche die „Erbsünde“. Adams und Evas Sünde vererbt sich immerfort auf alle nachfolgenden Menschen. Damit ist dann z. B. auch erklärt, warum selbst Kleinkinder großes Leid erfahren können, ohne dass man dann dafür Gott verantwortlich machen könnte. Ein Hintertürchen hält sich die Kirche allerdings noch offen. Sie erklärt, dass das Ganze „… ein Geheimnis (ist), das wir nicht völlig verstehen können“2.
Natürlich passt diese Antwort weder zu einem liebenden Gott noch zu universell akzeptierten Moralvorstellungen. Es wird hier eine Sippenhaft als göttlicher Wille dargestellt. Was ist das denn für ein Gott, der mich für Taten verantwortlich macht, die ich persönlich nicht begangen habe? Und noch dazu aus diesem Grund großes Leid über mich bringt. Ein Gott, der seine Geschöpfe liebt und noch dazu ein allmächtiger Gott ist, würde niemals eine Sippenhaft begründen und auch das ganze Leid nicht zulassen. Immer mehr Menschen glauben wegen dieser Widersprüche nicht mehr an die traditionelle christliche Lehre von einem angeblich liebenden und gleichzeitig allmächtigen Gott.
Selbst der hoch angesehene und renommierte Theologe und Publizist Hans Küng kapituliert vor dieser zentralen Frage des Christentums. „Wenn man sich seit Jahrzehnten mit all den Versuchen der Theodizee immer wieder beschäftigt hat, darf man es sicher so direkt sagen: Eine theoretische Antwort auf das Theodizee-Problem, scheint mir, gibt es nicht!“3
Zusätzlich gibt es weitere, mit der Theodizee verwandte Fragen, auf die die christliche Lehre keine nachvollziehbaren Antworten hat:
- Wie kann es sein, dass der ewige Gott die Menschen ausschließlich aufgrund ihres Verhaltens während der im Vergleich zur Ewigkeit lächerlich kurzen Zeitspanne eines Menschenlebens be- und verurteilt? Warum bekommt man keine „zweite Chance“?
- Wo ist Gottes Liebe und Barmherzigkeit, wenn das Urteil ewige Verdammnis und ewige Höllenqualen sein kann?
- Wo ist Gottes Gerechtigkeit angesichts der Tatsache, dass ein Teil der Menschheit in guten Verhältnissen lebt, die deutliche Mehrheit jedoch in bitterer Armut?
- Kurzum, wo ist bei alledem Gottes Allmacht, Liebe, Güte, Barmherzig- und Gerechtigkeit? Einen Gott mit allen diesen Eigenschaften kann es doch offensichtlich nicht geben.
Es ist dieser Mangel an verständlichen Antworten, der zur Abwendung vieler Menschen vom christlichen Glauben führt. Die verkündete Botschaft ist weder verständlich noch widerspruchsfrei und deshalb für den aufgeklärten Menschen insgesamt unglaubwürdig.
Mit diesem Buch stelle ich eine Theorie vor, die nicht nur das Theodizee-Problem, sondern auch die anderen angesprochenen, verwandten Fragen nachvollziehbar beantwortet. Damit dies möglich ist, bedarf es einer theologischen Revolution. Die christliche Lehre muss neu durchdacht werden. Die Revolution muss dazu führen, dass die biblische Botschaft für den heutigen Menschen verständlich, widerspruchsfrei und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften verkündet wird. Dabei darf bei den neuen Ansätzen das Fundament des Christentums, die Bibel, nicht verlassen werden. Der Sinngehalt der biblischen Texte muss erhalten bleiben.
Nun werden Sie vielleicht einwenden, diese Revolution habe doch schon stattgefunden und sei noch in vollem Gange. Denn immer mehr „moderne“ Theologen interpretieren biblische Aussagen abweichend von der herrschenden traditionellen christlichen Lehre. Einer ihrer bekanntesten Protagonisten ist der schon erwähnte Hans Küng, dem deshalb 1979 von Rom die katholische Lehrerlaubnis entzogen wurde. Diese Theologen fordern die „Entmythologisierung“ der biblischen Berichte und berufen sich bei ihren Neuinterpretationen auf die Ergebnisse der historisch-kritischen Bibelforschung. Als Folge werden bisherige Kernpunkte der traditionellen christlichen Lehre über Bord geworfen. Jungfrauengeburt? Gab es nicht, ist eine Legende, die auf alten Mythen beruht. Wunder? Hat es nicht gegeben, sind Erfindungen der Evangelisten. Gottessohnschaft Jesu? Ebenfalls eine Legende. Jesu Worte? Wurden ihm größtenteils erst nach seinem Tod von den Evangelisten in den Mund gelegt. Auferstehung Jesu? Ja, aber keinesfalls wie in der Bibel berichtet: Keine Auferstehung von Jesu Leichnam. Der ist vielmehr genauso verwest wie der jedes anderen Menschen auch. Es gab lediglich eine „geistige“ Auferstehung. Ist das nicht schon die erforderliche theologische Revolution, die die Widersprüche der bisherigen traditionellen Lehre auflöst? Aus zwei Gründen ist das eindeutig zu verneinen:
Erstens hat die „neue Theologie“, die sich aus den Interpretationen der „modernen“ Theologen ergibt, mit den Kernaussagen der Bibel nur noch wenig gemein. Der neue Ansatz verflüchtigt sich weitgehend ins Nebulöse. Die Aussagen sind wenig konkret und mit vielen Worten wird kaum etwas Fassbares gesagt. Die biblische Botschaft wird ausgehöhlt, die Basis der christlichen Lehre wird mehr und mehr verlassen. Ein Beispiel dafür ist Küngs Buch „Was ich glaube“, in dem er seine neue Theologie zusammenfasst.
Zweitens liefert auch die „neue Theologie“ kein rundes, widerspruchsfreies und in sich geschlossenes System. Ganz im Gegenteil werden neue zusätzliche Ungereimtheiten erzeugt, ohne die schon bestehenden zu beseitigen. Dass die alten Fragen nicht gelöst werden, bezeugt Küng selbst durch das bereits angeführte Zitat zur Theodizee.3 Und wenn z. B. behauptet wird, Jesus sei nicht von Geburt an Gottes Sohn gewesen, sondern erst nach seinem Tod durch „Erhöhung“ dazu geworden, führt das zu neuen Widersprüchlichkeiten, ohne bereits bestehende Zweifelsfragen zu beantworten.
Grundsätzlich ist der Weg der modernen Theologen richtig. Da die herrschende Lehre nicht schlüssig ist, stellen sie die verschiedensten Dogmen in Frage, z. B. „die Erbsünde“ oder die „ewige Verdammnis“. Dennoch scheitern die modernen Theologen, weil ihre neue Lehre genauso wenig zu einer insgesamt schlüssigen Lehre führt wie die traditionelle. Wie ich zeigen werde, ist der Hauptgrund für dieses Scheitern, dass sie insbesondere ein Kerndogma der katholischen Kirche bisher nicht entscheidend angegriffen haben. Nämlich die These, dass Gott die...