Es ist schon komisch mit diesem Arzt- und Therapeutenberuf. Einerseits soll das Sichkümmern um andere Menschen der direkte Weg zur Glückseligkeit sein, andererseits sitzen Ärzte und Therapeuten – die vermeintlichen „Kümmerer“ selbst – zuhauf, so könnte man meinen, in psychiatrischen Kliniken und psychosomatischen Praxen, um (und das ist leider wirklich so) in zunehmendem Maße ihr Burn-out, ein chronisches Unglück, ihre Lebenskrise oder Sucht, das Ich-komme-einfach-nicht-mehr-klar-Syndrom oder schlicht eine „banale“ Depression behandeln zu lassen. Oder man wartet auf eine Spontanremission und macht so weiter wie bisher, nur schlechter. Oder man therapiert sich mithilfe ärztlicher Muster selbst oder nutzt andere medizinische und nicht medizinische Hilfsmittel, mit und ohne Erfolg. Ähnliches gilt, so scheint es, für die Seelsorger in anderen professionellen Gewändern.
Warum also kann man das Glück, das doch so nah und selbstverständlich scheint, beruflich nicht erzwingen, wieso kommt es nicht von allein?
► Glück – so nah und doch so fern Schon der Volksmund sagt: „Wahres Glück kommt von innen.“ Gilt das auch für Ärzte, Psychologen und/oder Therapeuten? Ist nicht der Patient der eigentliche Schlüssel zum Glück? Und falls ja, warum macht die Arbeit mit ihm mich manchmal unglücklich? Warum begegne ich ihm – oder er mir – zunehmend mit Feindseligkeit? Und erst die Gesundheitspolitik …! Ich habe mein Studium doch auch angetreten, „weil ich anderen helfen wollte“, Freude an den Menschen und ihren Geschichten hatte. Und nun das. Der materielle Verdienst hält jetzt als Ersatz und „Schmerzensgeld“ für entgangene innere Belohnung oder äußerlich verursachten Kummer her. Ist die Bezahlung dafür üppig genug? Geht das noch lange gut?
► Moderne Glücksforschung Die moderne Glücksforschung sagt uns tatsächlich, dass mehr Einkommen bis zu einer gewissen Grenze auch mehr Glück bedeuten kann. Geld und Verdienst als Glücksboten, nicht endogene Botenstoffe und intrinsische Belohnung: Weltweit wird heute angenommen, dass bis zu einem Durchschnittseinkommen von etwa 15000–20000 US-Dollar pro Jahr und Kopf ein unmittelbarer, fast linearer Zusammenhang zwischen Geld und Glücklichsein besteht. Dabei gibt es durchaus Unterschiede, die vom politischen System, dem soziokulturellen Gefüge (der Befindlichkeit), ja, sogar von klimatischen Verhältnissen abhängen. Aber die stellen diese enge Korrelation nicht grundsätzlich infrage.
In den USA, so berichteten im Herbst 2010 der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und sein Kollege, Ökonom Angus Deaton von der Princeton University, nach Auswertung von über 450000 Fragebögen, tritt spätestens ab einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 75000 US-Dollar ein Sättigungseffekt ein. Diese einfache Interpretation ist heute umstritten, aber oberhalb dieses Einkommens führt ein weiterer Zuwachs wohl nicht mehr automatisch zu einem erhöhten Glücksgefühl. Höchstens die Zufriedenheit im Sinne des subjektiven Abgesichertseins und Unabhängigseins nimmt möglicherweise noch weiter zu, was sicher nicht zu verachten ist. Aber das emotionale Wohlbefinden scheint zu stagnieren. Und die Entkopplung des Glücksgefühls von den Einkünften findet, wie gesehen, schon bei weit geringerem Jahreseinkommen statt. Irgendwo zwischen 15000 und 75000 US-Dollar wird das Glück also abgehängt und bleibt auf der Strecke. Zu dumm, dass wir in Mitteleuropa, insbesondere auch in Deutschland, Krisen hin oder her, im Durchschnitt über den genannten Einkommensgrenzen liegen. Es müssen also andere Faktoren herhalten, um unser Glück weiter zu mehren. Nicht nur in fernen buddhistischen Ländern (z. B. im Königreich Bhutan), sondern gar im Herzen Europas (z. B. in Großbritannien) werden heute daher von offizieller Seite Glücksindikatoren und Wohlfühlfaktoren gemessen und den klassischen volkswirtschaftlichen Erhebungsinstrumenten für das gesellschaftliche Wohlergehen und den Fortschritt an die Seite gestellt. Der britische Premierminister David Cameron zitierte in diesem Zusammenhang im Herbst 2010 zur Begründung aus einer 40 Jahre alten Rede von Robert Kennedy: „Das Bruttoinlandsprodukt misst nicht die Gesundheit unserer Kinder, die Qualität ihrer Erziehung, die Freude, die sie beim Spielen haben. Es misst nicht unsere Weisheit, unsere Bildung, unser Mitgefühl und unsere Vaterlandsliebe. Es misst alles, außer dem, was das Leben lebenswert macht.“
Hätten Sie gewusst, dass die glücklichsten Menschen weltweit, laut der Universität Rotterdam, in Costa Rica leben (Platz 1), gefolgt von Dänemark und Island (Plätze 2 und 3) sowie Kanada und der Schweiz (gemeinsam auf Platz 4 und 5)? Deutschland befindet sich auf Platz 22. Trotz methodischer Schwächen solcher Untersuchungen scheint eine wesentliche Bedingung für eine glückliche Bevölkerung zu sein, dass ein minimaler Wohlstand (s. oben) gegeben sein muss, gekoppelt an eine geringe soziale Ungleichheit. Das heißt, die Einkommensunterschiede zwischen „oben“ und „unten“ sind nicht so gravierend, die Einkommensschere ist nicht so weit geöffnet und ein Aufstieg bzw. eine Durchlässigkeit ist grundsätzlich möglich – es besteht eine „gefühlte“ Chancengleichheit.
Spannend also, wenn die genannte Einkommensgrenze überschritten wird – dann führt mehr Geld, d. h. mehr Wohlstand, nicht automatisch zu mehr Wohlbefinden; die Korrelation zwischen Durchschnittseinkommen und allgemeiner Zufriedenheit ist aufgehoben. Natürlich muss man unterscheiden zwischen ganzen Bevölkerungen einerseits und Individuen andererseits, und was statistisch für ein ganzes Land gilt, muss für den Einzelnen nicht zutreffen. Wir sprechen daher ja auch von „Durchschnitt“! Und dennoch finden wir hier vielleicht einen wichtigen Wegweiser auch zu unserem eigenen Glück. Das haben wir doch irgendwie auch immer schon gewusst: „Geld allein macht nicht glücklich.“ Ein wenig davon schadet allerdings nicht. Aber was macht denn nun glücklich? Was ist überhaupt Glück und wie kann man es erreichen?
► Glück ist … Glück ist offenbar, wie eine einfache Befragung auf der Straße in Deutschland ergibt, so etwas wie „Liebe“ und „Zufriedenheit, tief drinnen“, „jemandem helfen zu können“, auch „Nächstenliebe zu zeigen“ oder einfach, „wenn man mit der Freundin ist“ bzw. „wenn man alles hat, was man braucht“, d. h. „kein Streben nach Geld mehr im Vordergrund steht, sondern man den eigenen Weg gehen kann, nicht immer mehr haben wollen muss, einfach bei sich sein kann“ oder „genau richtig ist“. Und nicht zuletzt: „der 1. Schrei meines Kindes“!
Die Glücksforschung könnte also Recht haben. Geld und Reichtum per se machen nicht glücklich, wohl aber das soziale Zusammengehören, das Helfen, insbesondere Menschen, die in Not sind, in der Fachsprache auch prosoziales Verhalten genannt oder Altruismus und Mitgefühl – oder eben Liebe. Glücklich macht das Gefühl, gebraucht zu werden. Wie nennt es einer der Befragten: „Glück ist ein inneres Lächeln, eine Intuition, eine innere Stimme, die mich in die Freiheit leitet, dahin, etwas Wichtiges und Richtiges zu tun.“ Haben wir alle eine solche innere Stimme? Und wenn ja, warum sind wir schwerhörig geworden?
► Gewöhnungseffekt und Konkurrenzneid Die Wissenschaft vom Glück kann einige Dinge zu Erhellung dieser Fragen beitragen. So wird beispielsweise die Gesundheit (auch die Gene) als eine Voraussetzung für das Glück gesehen. Gesundheit jedoch kann man sich nur bis zu einer gewissen Grenze kaufen; sie hängt auch von den Lebensverhältnissen, aber eben auch vom individuellen Verhalten ab: Ich selbst habe etwas mit meiner Gesundheit zu tun. So können materielle, äußerliche Dinge oftmals wichtige Determinanten und Rahmenbedingungen von Glück wie von Gesundheit gleichermaßen sein, gewissermaßen die Voraussetzungen dafür, aber sie allein...