Was kann der normale Sparer aus den vorangegangenen Kapiteln lernen? Eine Haltung des berauschenden Verkonsumierens des Ersparten kann es nicht sein. Gerade auch in einem nicht nachhaltigen Umfeld wie dem gegenwärtigen kann die nachhaltige, das heißt werterhaltende, womöglich auch wertsteigende Anlage gelingen.
Der Sparer lernt zum einen, dass die Flutung der Märkte mit billigem Geld zu neuen Rekordpegelständen in vielen Märkten geführt hat, bei denen vormals »sichere Häfen« untergegangen sind. Das Geld, das nach wie vor auf den Konten havarierter Banken oder bei Lebensversicherungen, denen das Wasser bis zum Hals steht, geparkt wird, könnte leicht in den Strudel geraten und mit in die Tiefe gerissen werden. Gleichzeitig überhitzen die Märkte für Vermögenswerte: Weite Teile der Finanzmärkte befinden sich in einem anderen Aggregatzustand als die Realwirtschaft und allerorts bilden sich Blasen, die, gefüllt mit heißer Luft, rasant in die Höhe steigen. Doch wer zu hoch steigt, fällt bekanntlich auch tief. Mit jähen Abstürzen muss der Anleger jederzeit rechnen.
Zudem hat der normale Sparer gelernt, dass eine gesunde Skepsis gegenüber den Empfehlungen seines Bankberaters nicht ganz unangebracht ist. Er weiß nun, dass Geld – sei es auf dem Girokonto, investiert in Staatsanleihen oder daheim verschlossen im Tresor – nirgendwo »todsicher«63 aufgehoben ist: Banken und Staaten gehen mitunter bankrott, und die Einleger beziehungsweise Gläubiger können dafür haften, das Bargeld im Tresor kann durch Inflation entwertet oder von Einbrechern gestohlen werden. Auf die althergebrachten Sparformen sollte man sich besser nicht mehr verlassen. Erst recht sollte man sich nicht darauf verlassen, dass das Rentensystem in seiner heutigen Form die Finanzkraft besitzt, zukünftigen Generationen im Alter die finanziellen Sorgen zu nehmen. Wer das böse Erwachen im Ruhestand vermeiden will, der kommt nicht umhin, sich ein gewisses finanzielles Grundwissen anzueignen und mit klassischen Sparparadigmen zu brechen.
Zentral ist zudem die Erkenntnis, dass unser Geldsystem, welches auf Schulden beziehungsweise auf deren Ausweitung beruht, nicht immerfort wird bestehen können und mittlerweile mehr und mehr an seine Grenzen stößt. Die Schulden sind nicht nachhaltig und bleiben nur durch ein gewisses Maß an Neuverschuldung tragbar. Doch das bedeutet andererseits auch, dass die Forderungen nicht nachhaltig sind: Mit dem Ausfall von Schulden schrumpfen auch die finanziellen Vermögenswerte. Diese oft vernachlässigte Dimension unseres Geldsystems sollte man sich jedes Mal in Erinnerung rufen, wenn von einem Schuldenschnitt oder Schuldenabbau die Rede ist. Die Aderlässe in Zypern und Griechenland sind Symptome dieser systemischen Nichtnachhaltigkeit, wobei mittelfristig mit einem häufigeren Auftreten dieser Symptome zu rechnen ist.
Von der Tatsache, dass sich die Märkte gut entwickeln, sollte sich der Anleger nicht einlullen lassen. Aus der Gefahrenzone sind wir nämlich längst noch nicht heraus. Wir wissen nicht, wann und in welchem Ausmaß das Schuldgeldsystem das nächste Mal von Grund auf erschüttert wird. Als Anleger sollte man jedoch weiterhin auf derartige Szenarien gefasst sein und dementsprechend umsichtig agieren. In einer Zeit, in der die Gefahr besteht, dass die Schulden und Guthaben in erheblichem Umfang abschmelzen, sollte man den realen Kapitalerhalt bereits als Erfolg ansehen. Denn der Anleger kommt nicht umhin, die Spielregeln des Status Quo als gegeben hinzunehmen.
Selbstverständlich darf der Leser an dieser Stelle keine todsicheren Tipps von uns verlangen, da solche notwendigerweise unseriös sind. Ein guter Investor zeichnet sich dadurch aus, bestimmte Hypothesen, die er hinsichtlich der Marktentwicklungen hat, jederzeit zu verwerfen, wenn ihn der Markt eines Besseren belehrt. Denn es geht nicht darum, recht zu haben, sondern darum, zumindest die Kaufkraft zu erhalten. Viele Hypothesen guter Investoren sind daher nicht von Dauer.
Wesentlich nachhaltiger als Anlagetipps sind Prinzipien und strukturelle Handlungsempfehlungen sowie einige Strategien, die den verschiedenen Zukunftsszenarien Rechnung tragen. Zugleich helfen sie dem Anleger, nicht bei jeder kleinsten Regung des Marktes hektisch alles, was gestern noch Gültigkeit zu haben schien, über Bord zu werfen. Ein prinzipien- und strategieloses Verhalten eignet sich nicht zum nachhaltigen Vermögensaufbau. Zudem ist der Anleger dann nur mehr ein Getriebener und nicht mehr Herr des Handelns.
Wodurch zeichnen sich eigentlich erfolgreiche Portfoliomanager aus? Wie agieren sie auf den Märkten? Was sind ihre Methoden und Strategien? Im Gegensatz zu den Vorgehensweisen der Zentralbanken, die auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Forschung beruhen, haben Trader, die ihre Strategien auf der modernen Finanztheorie aufbauen und komplexe mathematische und ökonometrische Modelle basteln, in den Märkten das Nachsehen. Im Oktober 1987 fielen Anleger, die die Portfoliotheorie von Nobelpreisträger Harry M. Markowitz blind angewandt hatten, auf die Nase. Im August 1998 ging der damals größte Hedgefonds, Long-Term Capital Management (LTCM), infolge eines inadäquaten Risikomanagements spektakulär pleite. Als Direktoren wirkten keine Geringeren als die für ihre Optionspreistheorie mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Myron S. Scholes und Robert C. Merton. Trotz energischen Eingreifens der New Yorker Fed hatte LTCM einen Verlust von 4,5 Milliarden US-Dollar (rund 10 Milliarden in heutigen US-Dollar) zu verzeichnen, eine allgemeine Finanzkrise konnte gerade so verhindert werden. Auch die Finanzinnovationen und das Risikomanagement, die zu der Bauchlandung in Form der Finanzkrise ab 2007 führten, waren eine direkte Übertragung ökonomischer und finanzwissenschaftlicher Theorien auf die Praxis an den Finanzmärkten. Kurzum: Wer an den Märkten mit Strategien agiert, die durch den neuesten Stand der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung gestützt sind, begibt sich auf Glatteis. Oder wie Friedrich Dürrenmatt meinte: »Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer trifft sie der Zufall.«
Während an den volkswirtschaftlichen Fakultäten sowie in den Zentralbanken eine ziemlich ausgeprägte Falsifikationsresistenz hinsichtlich der Grundlagen der Geld- und Währungsordnung vorherrscht und weiterhin an fragwürdigen Theorien festgehalten wird, haben erfolgreiche Trader seit jeher einen kritischen Abstand zu solchen gewahrt. In der Praxis dominieren seit jeher Heuristiken. Darunter sind Methoden zu verstehen, die trotz beschränkten Wissens und erhöhten Zeitdrucks zu brauchbarem, weil wahrscheinlichem Handlungslösungen kommen. Und auch wenn viele erfolgreiche Trader mithilfe von Modellen operieren, so sind sie sich doch der Beschränkungen derselben bewusst und begehen nicht oder zumindest weitaus seltener den Fehler blinder Modellgläubigkeit.
Aber was noch wichtiger ist: Es gibt keinen allgemeinen Trading-Ansatz, der für jeden gleichermaßen funktioniert. Vielmehr ist es für jeden Trader wichtig, seinen ganz eigenen Stil zu finden, der für ihn persönlich funktioniert. Viele Trader nutzen beispielsweise einen systematischen Ansatz, das heißt, sie stellen im Vorfeld Regeln auf, die die Vorgehensweise als Reaktion auf verschiedene Marktsituationen definieren. Andere arbeiten diskretionär, sie fällen ihre Trading-Entscheidungen aus Erwägungen heraus, die von außen nicht einsehbar sind. Wieder andere nutzen eine Mischform dieser beiden Ansätze.
Vergleichen wir einmal die Fähigkeit, makroökonomische Phänomene zu analysieren, mit der Fähigkeit, Klavier zu spielen. Tonleitern, Harmonien, Modulationen, Blattspiel, Triller, Improvisationstechniken, die Nuancierung des Anschlags und so weiter lassen sich erlernen und schlussendlich ist man fähig, Klavier zu spielen. Doch ist man damit schon ein Künstler? Nein. Ein Künstler zeichnet sich dadurch aus, seinem Klavierspiel eine individuelle Note zu geben, die technischen Fertigkeiten als Gestaltungsmittel zu nutzen und etwas Neues zu kreieren. Ähnlich verhält es sich beim Trader: Zu wissen, wie die makroökonomische Situation zu bewerten ist, reicht nicht aus. Ein Trader muss konkrete Trading-Ideen entwickeln, diese strukturieren und implementieren. Die Umsetzung seiner Ideen am Markt entscheidet darüber, ob er ein guter, mittelmäßiger oder ein schlechter Trader ist.
Nehmen wir einmal an, der Markt ist heiß gelaufen und befindet sich in einer Blase, die man durchaus als irrational empfinden könnte. Was macht ein guter Trader? Geht er short? Das könnte ziemlich in die Hose gehen, da es schwer vorauszusagen ist, wann genau eine Marktblase platzt. Oftmals legen Märkte gerade in der Endphase von Blasen noch einmal einen fulminanten Anstieg hin, ehe sie abrupt zusammenbrechen. Wer das Platzen der Blase zu früh erwartet und leerverkauft, kann – der richtigen Erkenntnis zum Trotz, dass der Markt einmal einbrechen muss – erhebliche Verluste einfahren. Eine Blase an sich mag irrational sein, doch es kann mitunter sinnvoll sein, die Blase nach oben hin mitzutragen – genauso, wie ein Bank-Run an und für sich genommen irrational sein kann, es für den Einzelnen aber durchaus von Vorteil ist, im Falle eines solchen als einer der Ersten am Geldautomaten zu stehen.
Um die Blase nach oben zu traden, bieten sich beispielsweise Optionen an, die das Verlustpotenzial begrenzen, falls dem Markt doch bereits an dieser Stelle die Luft ausgeht. Andererseits könnte man sich auch auf andere Märkte fokussieren, die von der Blase nur indirekt betroffen sind, in denen sich die makroökonomisch fundierte Hypothese jedoch...