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Die Ordnung der Freiheit und ihre Feinde

Vom Aufstand der Verlassenen gegen die Herrschaft der Eliten

AutorThomas Mayer
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783960922278
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Der Zusammenbruch der Sowjetunion wirkte einst wie ein großartiger Sieg der liberalen Ordnung über die sozialistische Unterdrückung. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Von »links« wird sie für die Finanzkrise sowie eine ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen kritisiert. Von »rechts« wird sie als Bedrohung für nationale Identität und Wohlstand durch fremde Mächte verschrien. Das führt zu bizarren Verbrüderungen der politischen Linken und Rechten gegen einen gemeinsamen Feind: die liberale Ordnung. Angesichts der enormen Leistungen der liberalen Ordnung wirken die Anfeindungen absurd. Warum verteufeln die Menschen ein Prinzip, das nachweislich zu Wohlstand beigetragen und ein Leben in Freiheit ermöglicht hat, und fordern stattdessen eine sozialistische Gesellschaftsordnung, obwohl alle politischen Systeme, in denen diese gelebt wurde, gescheitert sind? Manager Magazin-Bestsellerautor Thomas Mayer zeigt, warum wir den Prinzipien des Liberalismus verdanken, was wir erreicht haben und was wir sind. Und er gibt einen Ausblick darauf, was passiert, wenn die Prinzipien der liberalen Gesellschaftsordnung nicht mehr verstanden und stattdessen von Politikern, die an menschliche Instinkte statt an den Intellekt appellieren, ausgehebelt werden: Wir verlieren alles - unsere Freiheit und unseren wirtschaftlichen Wohlstand.

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutschen Bank Gruppe und Leiter der Deutsche Bank Research. Bevor er in die Privatwirtschaft wechselte, bekleidete er verschiedene Funktionen beim Internationalen Währungsfonds in Washington und beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

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Leseprobe

1

Kein Ende der Geschichte


Nach dem Scheitern des »real existierenden Sozialismus« Ende der 1980er Jahre schien der Sieg der liberalen Wirtschaftsordnung und der sie begründenden liberalen Gesellschaftsordnung gesichert. Daher rief im Jahr 1989 der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama das Ende der Geschichte aus:

»What we may be witnessing is not just the end of the Cold War, or the passing of a particular period of post-war history, but the end of history as such: that is, the end point of mankind’s ideological evolution and the universalization of Western liberal democracy as the final form of human government.«3

Was auf den ersten Blick skurril erscheint – kann es denn ein Ende der Geschichte in der Zeit geben? –, war aus der Sicht eines Politikwissenschaftlers nach dem Fall der Sowjetunion durchaus konsequent. Sozialismus und Kommunismus waren im 19. Jahrhundert der Gegenentwurf zu Kapitalismus und liberaler Wirtschaft. Karl Marx hatte prophezeit, dass eine internationale Revolution das kapitalistische System beseitigen und dem Sozialismus den Weg bahnen würde. Daraus würde sich der Kommunismus entwickeln – das Ende der Geschichte.4

Marx’ Theorie wurde im größten Experiment der Geschichte getestet und mit schrecklichen Folgen für alle Teilnehmer an diesem Experiment widerlegt. Die liberale Wirtschaftsordnung siegte. Besiegelte dieser Ausgang also das Ende der Geschichte des Titanenkampfes der unterschiedlichen Gesellschaftssysteme und Wirtschaftsordnungen? So schien es. 1989 war Marx erledigt. Oder etwa nicht?

Heute kann von einem Ende der Geschichte im Sinne Fukuyamas keine Rede mehr sein. Anderthalb Jahrzehnte nach dem Zerfall der Sowjetunion erlebte die »freie Welt« ihre größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit der Großen Depression der 1930er Jahre. Kredite fielen aus, Banken wankten und zogen die Wirtschaft in die Rezession. Die Schuld schob man dem »Neoliberalismus« in die Schuhe. Die liberale Wirtschaftsordnung ist seither schwer angeschlagen. Hatte man nicht den Teufel (Kommunismus) mit dem Beelzebub (Liberalismus) ausgetrieben? Zwar schafften es die politischen und wirtschaftlichen Eliten nach der Großen Finanzkrise von 2007/2008 und der sich daran anschließenden Großen Rezession von 2008/2009 noch einmal, das Heft in der Hand zu behalten. Um nicht in die politische Wüste geschickt zu werden, versprachen sie ihren Wählern eine sanfte wirtschaftliche Landung, die Bestrafung der angeblich für die Finanzkrise verantwortlichen Banker und Spekulanten und eine strengere staatliche Hand zur Disziplinierung der angeblich unmenschlichen Marktkräfte. Barack Obama in den USA, Angela Merkel in Deutschland, François Hollande in Frankreich und David Cameron in Großbritannien schienen eine Zeit lang als die besten Garanten für die erfolgreiche Fortführung der Geschichte.

Doch die Landung der Wirtschaft war weniger sanft als von vielen erwartet. Die Banker und Spekulanten machten weiterhin Geschäfte und die angekündigte Disziplinierung führte nur zu einem undurchdringlichen und teilweise in sich widersprüchlichen Dickicht von Regulierungen. Schließlich entzauberte die Völkerwanderung von 2015 die politischen Schutzpatrone. Die von den staatlichen Eliten anscheinend nicht zu kontrollierende Zuwanderung aus ärmeren und von Kriegen gebeutelten Regionen in die komfortablen Sozialsysteme der westlichen Welt brachte das durch Globalisierung und Finanzkrise ohnehin randvolle Fass der Unzufriedenheit einer kritischen Masse in den Bevölkerungen zum Überlaufen. Die Briten stimmten für Brexit, die Amerikaner wählten Donald Trump, die Franzosen stärkten Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon den Rücken und die Italiener gaben 70 Prozent ihrer Wählerstimmen den Populisten Luigi Di Maio, Matteo Salvini und Silvio Berlusconi. Die Osteuropäer verfielen einem längst überwunden geglaubten Nationalismus und befehdeten die Europäische Union. In Deutschland stimmten rund 22 Prozent der Wähler bei der Bundestagswahl 2017 für rechts- oder linkspopulistische Parteien und Angela Merkel erlebt ihre Kanzlerdämmerung.

Die Protestwähler werfen dem Wohlfahrtsstaat, von dem sie Schutz erwarten, den Flirt mit der liberalen Wirtschaftsordnung vor. Dieser Flirt begann nach dem Scheitern des Sozialismus in den 1990er Jahren, als sozialdemokratische Politiker und ihre Berater einen »Dritten Weg« zwischen Kapitalismus und Sozialismus suchten. Dies konnte nicht gut gehen. Aber statt das Scheitern des Sozialismus zu akzeptieren und einzusehen, dass er auch mit Beimischung einiger liberaler Elemente nicht zu retten ist, sehen die enttäuschten Anhänger des Wohlfahrtsstaats nun den Liberalismus als ihren Feind.

Sie attackieren ihn von zwei Seiten her. Auf der politischen Linken wird die liberale Wirtschaftsordnung für die Finanzkrise, eine angeblich »ungerechte« Verteilung von Einkommen und Vermögen und den Raubbau an der »Umwelt« verantwortlich gemacht. Auf der politischen Rechten wird die liberale Wirtschaftsordnung als Bedrohung für nationale Identität und Wohlstand durch fremde Mächte gesehen. Gemäß der alten Regel, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist, schaffen die Angriffe gegen den Liberalismus gelegentlich bizarre Koalitionen zwischen der politischen Linken und Rechten.

Angesichts der enormen Leistungen der liberalen Wirtschaftsordnung wirken die gegen sie gerichteten Anfeindungen auf den ersten Blick befremdlich. Warum halten viele Menschen an Prinzipien der Gesellschaftsordnung fest, die auf beispiellose Weise historisch getestet und widerlegt wurden? Warum bekämpfen sie dagegen eine Ordnung, die ihnen ein Leben in Freiheit und Wohlstand ermöglicht? Dafür gibt es einen Grund: das emotionale Verlangen nach Geborgenheit und menschlicher Nähe, das die liberale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht befriedigen kann. Dieses Verlangen schuf nach dem Zusammenbruch des Sozialismus den Wohlfahrtsstaat, der die Menschen und die Natur behüten und lenken will. Doch der hat seine Mündel enttäuscht. Nun sinnen sie auf Rache.

Zweck dieser Streitschrift ist es, eine Lanze für den Liberalismus zu brechen. Manch einer wird da gleich abwinken. Oft höre ich, man habe genug von Diskussionen über die verschiedenen »Ismen«. Das seien doch Fragen von gestern, die längst nicht mehr gestellt zu werden brauchen. Leute, die so reden, loben dann im nächsten Satz meist den »Pragmatismus«. Was aber soll nun dieser »Ismus« sein? Kurz, man kommt um eine Ortsbestimmung nicht herum. Diese soll hier erfolgen, indem die Ordnung der Stammesgesellschaft und ihrer Nachfolger derjenigen der liberalen Gesellschaft entgegengestellt wird.

Den Prinzipien des Liberalismus verdanken wir, was wir erreicht haben und was wir sind. Doch die Prinzipien der liberalen Gesellschaftsordnung werden kaum noch verstanden. Dies gibt konstruktivistischen und opportunistischen Politikern, die an menschliche Instinkte statt an den Intellekt appellieren, die Gelegenheit, sie auszuhebeln oder mindestens zu verwässern. Die Erosion des Liberalismus ist keine folgenlose Episode in der Ideengeschichte. Sie kostet uns Freiheit und wirtschaftlichen Wohlstand. Wenn wir das nicht verstehen, werden wir alle verlieren.

Im anschließenden Kapitel beschreibe ich den Weg, auf dem wir von der Familie über die Stammesgesellschaft zur organisierten Gesellschaft gekommen sind. Dieser Weg erwies sich zwar als Holzweg, weil die Organisationsprinzipien der Familie und der Stammesgesellschaft sich nicht auf die große Gesellschaft übertragen lassen, in der die Beziehungen der Mitglieder untereinander anonym sind. Doch steckt in uns die Sehnsucht nach der Geborgenheit der Familie und des Stamms, so dass uns die organisierte Gesellschaft als Paradies auf Erden erscheinen kann. Das Herz siegt oft über den Verstand, auch wenn die Architekten der organisierten Gesellschaft meist die Hölle statt des Paradieses auf Erden schufen.

Das dritte Kapitel widmet sich der Antwort des Liberalismus auf das Problem, anonyme Beziehungen in der großen Gesellschaft zum Nutzen aller zu organisieren. Am Anfang steht die Überzeugung, dass der Mensch nicht anderer Menschen untertan zu sein hat. Für die Entstehung der Überzeugung von der Freiheit des Menschen spielte sicherlich die christliche Lehre eine Rolle, nach der jeder Mensch das Geschöpf eines Gottes ist, der über dieser Welt angesiedelt ist. Daher kann kein Mensch beanspruchen, auf einer höheren Stufe des Seins als ein anderer Mensch zu stehen, und jeder Mensch ist frei, über seine Handlungen selbst zu entscheiden, ohne von einem anderen gezwungen zu werden. Damit dies für jeden Menschen möglich ist, muss jedoch die Freiheit des einen dort enden, wo die Freiheit des anderen beginnt. Über die Zeit hat die menschliche Gesellschaft sich Regeln geschaffen, welche die zur größtmöglichen Freiheit aller notwendigen Grenzen der Freiheit Einzelner ziehen. Dadurch, dass sie den Freiheitsraum des Einzelnen maximiert, hat die liberale Gesellschaft ihren Mitgliedern einen bis dahin nicht gekannten Wohlstand gebracht.

Kapitel 4 befasst sich mit der Geschichte des Liberalismus in Deutschland. Zwar gehören deutsche Philosophen zu den Wegbereitern des Liberalismus, doch hatte es der Liberalismus schwer, in Deutschland Fuß zu fassen. Ein Grund waren die Geburtswehen bei der Schaffung des deutschen Nationalstaats, ein anderer Grund die frühe Entwicklung des Sozialstaats in Reaktion auf die Entwicklung der Sozialdemokratie. Trotz des Scheiterns der sozialistischen Staatsform auf deutschem Boden ist der Sozialstaat die bevorzugte Staatsform geblieben, weil er die Geborgenheit vermittelt, welche...

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