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E-Book

Die Räuber

Ein Schauspiel (Fassung von 1781)

AutorFriedrich von Schiller
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl158 Seiten
ISBN9783640207558
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Klassiker aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, , Veranstaltung: -, Sprache: Deutsch, Abstract: Maximilian, regierender Graf von Moor, hat zwei Söhne, Karl und Franz. Karl, der älteste, ist auf der Universität in Leipzig, Franz fühlt sich vom Schicksal betrogen und intrigiert gegen seinen Bruder. Er verschafft sich das Alleinerbe, in dem er durch gefälschte Briefe seinen Vater zur Enterbung von Karl bringt. Der ganze Kummer des Vaters schwächt ihn so sehr - für seinen Jüngsten ist er jetzt nicht mehr von Wert - dass er ihn umbringen lassen will. Der mit dem Mord beauftragte Diener hält den alten Grafen mit einem Minimum an Nahrung für eine spätere Erpressung (er will die Geliebte von Karl, Amalia) am Leben. Durch die Enterbung erzürnt und vom Leben enttäuscht beschließt Karl, eine Räuberbande zu gründen. Mit dieser raubt und mordet er. Durch Zufall findet die Räuberbande das Verließ (Turm) des Vaters und die Intrige des Bruders wird aufgedeckt. Franz bringt sich bei der nächsten Konfrontation selbst um. Der Vater stirbt vor Gram. Die alte Geliebte Amalia hält an Karl auch noch als einem Räuber fest, doch der Räuber-Schwur steht dagegen. Karl bringt Amalia auf deren Wunsch um. Er löst die Bande auf und stellt sich selbst dem Gericht.

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Leseprobe

Erster Akt.


 

Erste Scene.


 

Franken.

 

Saal im Moorischen Schloss.

 

Franz. Der alte Moor.

 

Franz. Aber ist euch auch wohl, Vater? Ihr seht so blaß.

 

D. a. Moor. Ganz wol, mein Sohn, – was hattest du mir zu sagen?

 

Franz. Die Post ist angekommen – ein Brief von unserm Korrespondenten in Leipzig –

 

D. a. Moor. Begierig. Nachrichten von meinem Sohne Karl?

 

Franz. Hm! hm! – So ist es. Aber ich fürchte – ich weiß nicht – ob ich – eurer Gesundheit? – Ist euch wirklich ganz wol, mein Vater?

 

D.a. Moor. Wie dem Fisch im Wasser! Von meinem Sohne schreibt er? – Wie kommst du zu dieser Besorgniß? Du hast mich zweymal gefragt.

 

Franz. Wenn ihr krank seyd – nur die leiseste Ahndung habt es zu werden, so laßt mich – ich will zu gelegnerer Zeit zu euch reden, halb vor sich. Diese Zeitung ist nicht für einen zerbrechlichen Körper.

 

D. a. Moor. Gott! Gott! was werd ich hören?

 

Franz. Laßt mich vorerst auf die Seite gehn, und eine Träne des Mitleids vergießen um meinen verlornen Bruder – ich sollte schweigen auf ewig – denn er ist euer Sohn: Ich sollte seine Schande verhüllen auf ewig – denn er ist mein Bruder. – Aber euch gehorchen ist meine erste traurige Pflicht – darum vergebt mir.

 

D. a. Moor. O Karl! Karl! wüßtest du wie deine Aufführung das Vaterherz foltert! Wie eine einzige frohe Nachricht von dir meinem Leben zehen Jahre zusetzen würde – mich zum Jüngling machen würde – da mich nun jede, ach! einen Schritt näher ans Grab rückt!

 

Franz. Ist es das, alter Mann so lebt wol – wir alle würden noch heute die Haare ausraufen über eurem Sarge.

 

D. a. Moor. Bleib! – Es ist noch um den kleinen kurzen Schritt zu thun – laß ihm seinen Willen, indem er sich niedersetzt. Die Sünden seiner Väter werden heimgesucht im Dritten und vierten Glied – laß ihns vollenden.

 

Franz nimmt den Brief aus der Tasche. Ihr kennt unsern Korrespondenten! Seht! Den Finger meiner rechten Hand wollt ich drum geben, dürft ich sagen, er ist ein Lügner, ein schwarzer giftiger Lügner – – Faßt euch! Ihr vergebt mir, wenn ich euch den Brief nicht selbst lesen lasse – Noch dörft ihr nicht alles hören.

 

D. a. Moor. Alles, Alles – mein Sohn, du ersparst mir die Krücke.

 

Franz liest. „Leipzig, vom 1. May. – Verbände mich nicht eine unverbrüchliche Zusage dir auch nicht das geringste zu verhelen, was ich von den Schicksalen deines Bruders auffangen kann, liebster Freund, nimmermehr würde meine unschuldige Feder an dir zur Tyranninn geworden seyn. Ich kann es aus hundert Briefen von dir abnehmen, wie Nachrichten dieser Art dein brüderliches Herz durchbohren müßen, mir ists als säh ich dich schon um den Nichtswürdigen, den Abscheulichen“ – – Der alte Moor verbirgt sein Gesicht. Seht, Vater! ich lese euch nur das glimpflichste – „den Abscheulichen in tausend Thränen ergossen,“ ach sie floßen – stürzten stromweis von dieser mitleidigen Wange – „mir ists, als säh ich schon deinen alten, frommen Vater Todtenbleich“ – Jesus Maria! ihr seyds, eh ihr noch das mindeste wisset?

 

D. a. Moor. Weiter! Weiter!

 

Franz. „Todtenbleich in seinen Stuhl zurücktaumeln, und dem Tage fluchen an dem ihm zum erstenmal Vater entgegengestammelt ward. Man hat mir nicht alles entdecken mögen, und von dem wenigen das ich weis erfährst du nur weniges. Dein Bruder scheint nun das Maas seiner Schande gefüllt zu haben; ich wenigstens kenne nichts über dem was er wirklich erreicht hat, wenn nicht sein Genie das meinige hierinn übersteigt. Gestern um Mitternacht hatte er den großen Entschluß, nach vierzig tausend Dukaten Schulden – ein hübsches Taschengeld Vater – nachdem er zuvor die Tochter eines reichen Banquiers allhier entjungfert, und ihren Galan einen braven Jungen von Stand im Duell auf den Tod verwundet mit sieben andern, die er mit in sein Luderleben gezogen dem Arm der Justiz zu entlauffen“ – Vater! Um Gotteswillen Vater! wie wird euch?

 

D. a. Moor. Es ist genug. Laß ab mein Sohn!

 

Franz. Ich schone eurer – „man hat ihm Steckbriefe nachgeschickt, die Beleidigte schreyen laut um Genugthuung, ein Preiß ist auf seinen Kopf gesetzt – der Name Moor“ – Nein! Meine armen Lippen sollen nimmermehr einen Vater ermorden! zerreißt den Brief. Glaubt es nicht, Vater! glaubt ihm keine Silbe!

 

D. a. Moor weint bitterlich. Mein Nahme! Mein ehrlicher Name!

 

Franz fällt ihm um den Hals. Schändlicher, dreimal schändlicher Karl! Ahndete mirs nicht, da er noch ein Knabe den Mädels so nachschlenderte mit Gaßenjungen und elendem Gesindel auf Wiesen und Bergen sich herumhezte, den Anblick der Kirche, wie ein Missethäter das Gefängniß, floh, und die Pfennige, die er euch abquälte dem ersten dem besten Bettler in den Hut warf, während daß wir daheim mit frommen Gebeten, und heiligen Predigtbüchern uns erbauten? – Ahndete mirs nicht da er die Abentheuer des Julius Cäsar und Alexander Magnus und anderer stockfinsterer Heyden lieber las als die Geschichte des bußfertigen Tobias? – Hundertmal hab ichs euch geweissagt, denn meine Liebe zu ihm war immer in den Schranken der kindlichen Pflicht, – der Junge wird uns alle noch in Elend und Schande stürzen! – O daß er Moors Nahmen nicht trüge! daß mein Herz nicht so warm für ihn schlüge! Die gottlose Liebe, die ich nicht vertilgen kann, wird mich noch einmal vor Gottes Richterstuhl anklagen.

 

D. a. Moor. Oh – meine Aussichten! Meine goldenen Träume!

 

Franz. Das weis ich wol. Das ist es ja was ich eben sagte. Der feurige Geist, der in dem Buben lodert, sagtet ihr immer, der ihn für jeden Reiz vom Größe und Schönheit so empfindlich macht; diese Offenheit die seine Seele auf dem Auge spiegelt, diese Weichheit des Gefühls, die ihn bey jedem Leiden in weinende Sympathie dahinschmelzt, dieser männliche Muth der ihn auf den Wipfel hundertjähriger Eichen treibet, und über Gräben und Pallisaden und reißende Flüße jagt, dieser kindische Ehrgeitz, dieser unüberwindliche Starrsinn, und alle diese schöne glänzende Tugenden, die am Vatersöhnchen keimten, werden ihn dereinst zu einem warmen Freund eines Freundes, zu einem treflichen Bürger, zu einem Helden, zu einem großen großen Manne machen – seht ihrs nun Vater! – der feurige Geist hat sich entwickelt, ausgebreitet, herrliche Früchte hat er getragen. Seht diese Offenheit, wie hübsch sie sich zur Frechheit herumgedreht hat, seht diese Weichheit, wie zärtlich sie für Koketten girret, wie so empfindsam für die Reitze eine Phryne! Seht dieses feurige Genie, wie es das Oel seines Lebens in sechs Jährgen so rein weggebrannt hat, daß er bei lebendigem Leibe umgeht, und da kommen die Leute, und sind so unverschämt zu sagen: c’est l’amour qui a fait ça! Ah! seht doch diesen kühnen unternehmenden Kopf, wie er Plane schmiedet und ausführt, vor denen die Heldenthaten eines Kartouches und Howards verschwinden! – Und wenn erst diese prächtigen Keime zur vollen Reife erwachsen, – was läßt sich auch von einem so zarten Alter Vollkommenes erwarten? – Vielleicht Vater erlebet ihr noch die Freude, ihn an der Fronte eines Heeres zu erblicken, das in der heiligen Stille der Wälder residiret, und dem müden Wanderer seine Reise um die Hälfte der Bürde erleichtert – vielleicht könnt ihr noch, eh ihr zu Grabe geht, eine Wallfahrt nach seinem Monumente thun, das er sich zwischen Himmel und Erden errichtet – vielleicht, o Vater, Vater, Vater – seht euch nach einem andern Nahmen um, sonst deuten Krämer und Gaßenjungen mit Fingern auf euch, die euern Herrn Sohn auf dem Leipziger Marktplatz im Portrait gesehen haben.

 

D. a. Moor. Und auch du mein Franz auch du? O meine Kinder! wie sie nach meinem Herzen zielen!

 

Franz. Ihr seht, ich kann auch witzig seyn, aber mein Witz ist Skorpionstich. – Und dann der trockne Altagsmensch, der kalte, hölzerne Franz, und wie die Titelgen alle heißen mögen, die euch der Contrast zwischen ihm und mir mocht eingegeben haben, wenn er euch auf dem Schooße saß oder in die Backen zwickte – der wird einmal zwischen seinen Gränzsteinen sterben, und modern und vergeßen werden, wenn der Ruhm dieses Universalkopfs von einem Pole zum andern fliegt – Ha! mit gefaltnen Händen dankt dir o Himmel! der kalte, trockne, hölzerne Franz – daß er nicht ist wie dieser!

 

D. a. Moor. Vergib mir mein Kind; zürne nicht auf einen Vater, der sich in seinen Planen betrogen findet. Der Gott der mir durch Karln Tränen zusendet, wird sie durch dich mein Franz aus meinen Augen wischen.

 

Franz. Ja Vater aus euren Augen soll er sie wischen. Euer Franz wird sein Leben dran sezen das eurige zu verlängern. Euer Leben ist das Orakel, das ich vor...

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