Die ausgesuchten Texte sind eine Auswahl von drei der zehn erschienenen Bände, der Peter und der Prof- Krimis des Norwegers Ingvar Ambjørnsen. Die zwischen 1988 und 2000 auf Deutsch erschienenen Titel haben in Ambjørnsens Heimatland so großen Erfolg, dass sie Vorlage für drei Kinofilme, eine Comicserie und verschiedene Hörspiele waren. In norwegischen Schulen wird Peter und der Prof bereits seit Jahren gelesen (vgl. Schmitz 1994: 103). Es kann durchaus behauptet werden, dass diese Krimireihe in Norwegen einen Kultstatus erreicht hat. Laut einer Untersuchung aus dem Jahr 1995 galt Ambjørnsens Reihe bei den Lesern zwischen 15 und 25 als der meist gelesene Autor (vgl. Hansen 1997: 248). Die Reihe die zehn Bände umfasst erschien im Original zwischen den Jahren 1987 bis 1995.
Die bei der Analyse berücksichtigten Bücher wurden zum einen auf Grund der in den Bänden verarbeiteten Themen und zum anderen auf Grund der dargestellten Handlungsräume gewählt. Anhand der ausgesuchten Bände soll überprüft werden, ob die Krimireihe in ihrer Gänze einen weiten Zeitraum, sprich eine weitläufige erzählte Zeit umfasst, oder ob es sich bei den Erzählungen um singuläre Erlebnisse handelt, die im zeitlosen ‚Irgendwann’ stattfinden. Auch im Hinblick auf die Analyse der Figurenkonzeption empfiehlt sich die Auswahl der Bücher Endstation Hauptbahnhof (1989)[14], Flammen im Schnee (1995) und Nach dem Orkan (1996), da sich innerhalb der einzelnen Bände eine Entwicklung der Figuren feststellen lässt. Durch einen Vergleich der Krimis kann sowohl die Art der Entwicklung, als auch die Figurenkonzeption untersucht werden.
Da Raum und Zeit zu den zentralen Bestandteilen fiktionaler Wirklichkeitsdarstellung zählen (vgl. Nünning 2001: 129), sind diese ebenfalls Gegenstand der Analyse. Bezüglich des Aspektes der Raumdarstellung wurden die Bände so ausgesucht, dass sowohl der Handlungsraum der Großstadt, als auch der ländliche Handlungsraum abgedeckt werden.[15] Unter Berücksichtigung beider Handlungsorte lässt sich überprüfen, ob die Raumdarstellung im konkreten Fall, mit den Ergebnissen der Theorie übereinstimmt.
Der fünfzehnjährige Peter lernt in einem Fast Food Restaurant in Oslo durch Zufall die gleichaltrige Lena kennen, in die er sich sofort verliebt. Da er sich eigentlich eine Hose kaufen sollte, die Hälfte des Geldes aber verspielt hat, bietet ihm Lena ihre Hilfe an. Sie gibt vor von dem verbliebenen Geld eine Hose zu kaufen, stiehlt jedoch das benötigte Kleidungsstück. Zuhause in der Bentsebrugata 12 in Oslo / Torshov, in der auch der Prof und seine Familie leben, erfährt Peter vom Prof, dass im Jungenheim ‚Hoffnung’ zwei Jugendliche randaliert haben und nun flüchtig sind. Sie finden schnell heraus, dass ihr gemeinsamer Freund Filla einer der flüchtigen Täter ist. Ein Gespräch der beiden Detektive mit dem Heimleiter verläuft ergebnislos. Das Motiv für die Tat, die Heimküche zerstört zu haben, bleibt unklar. Beim Verlassen des Heimes entdecken sie auf dem Auto des Heimleiters eine grundierte Fläche, unter welcher - wie sich später herausstellt - das Wort ‚Hurenkunde’ geschrieben steht. Die beiden erinnern sich, dass in der Presse mehrfach berichtet wurde, dass eine Gruppe von Aktivisten seit längerer Zeit die Autos von Kunden des ‚Babystriches’ besprüht, um diese zu brandmarken. Als Peter und der Prof endlich den geflüchteten Filla und seinen Freund Stein finden, erfahren sie, dass sich der Heimleiter Skånseth und einige seiner Freunde mit drogenabhängigen Mädchen vergnügen, zu denen auch Steins Schwester Nina und Lena gehören. So erklärt sich das Motiv, welches zu dem Zwischenfall im Heim geführt hat. Peter und der Prof vereiteln den Plan Fillas und Steins, den Heimleiter mit heimlich geschossenen Fotos zu erpressen und überzeugen Lena davon, vor Gericht gegen Skånseth und seine Kameraden auszusagen. Währenddessen stirbt Steins Schwester Nina an einer Überdosis Heroin. Der Heimleiter und seine Kumpanen werden vermutlich zu Haftstrafen verurteilt. Filla darf zurück zu seiner Mutter und Lena beginnt eine Entziehungskur.
Der Krimi Endstation Hauptbahnhof ist der zweite Band der Krimireihe Peter und der Prof. Der Krimi ist in sechzehn Kapitel aufgeteilt, die nicht nummeriert, sondern jeweils mit einer Überschrift gekennzeichnet sind. Er beginnt mit einer Vorgeschichte, die die Funktion einer Einführung in die Lebenswelt der Protagonisten besitzt. Besonders über die Situation von Peter und seiner Familie erfährt der Leser in den ersten beiden Kapiteln viel. Innerhalb dieser beiden Kapitel wird eine neue Figur eingeführt. Es handelt sich um das Mädchen Lena, welches im weiteren Verlauf der Erzählung noch eine wichtige Rolle spielen soll. Der eigentliche Fall ergibt sich gegen Ende des zweiten Kapitels. Dort erfährt Peter aus einem Zeitungsartikel, den er vom Prof erhalten hat, dass es in einem Jungenwohnheim zu Vandalismus gekommen ist. Ein gemeinsamer Freund der beiden und ein weiterer Junge waren daran beteiligt und nun sind die Jugendlichen, deren Namen Filla und Stein lauten, auf der Flucht. Das Verbrechen liegt demzufolge vor dem Erzähleinsatz. Die eigentliche Detektion beginnt ab Kapitel drei und schließt sich unmittelbar an die Vorgeschichte an. Motiviert wird die Detektion dadurch, dass der Prof die Hintergründe für Fillas Verhalten aufklären möchte, da er meint, die Polizei wäre lediglich an einer Verhaftung interessiert (vgl. Ambjørnsen 1989: 22). Den eigentlichen Fall, die flüchtigen Vandalen zu finden, lösen Peter und der Prof schnell, aber als das Duo die Gründe für die Zerstörungswut Fillas und Steins erfahren, führt dies zu einer Erweiterung des Ursprungsfalles. Die Detektion endet mit dem Auffinden von Filla und Stein, da es im Folgenden um die Überführung der bereits bekannten Täter geht. Den Höhepunkt erreicht die Erzählung mit der Befreiung Lenas aus den Händen eines ‚Freiers’. Nach dieser Klimax erfährt der Leser, dass den Täter fünf bis sechs Jahre Haft drohen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Täter verhaftet und angeklagt werden, auch wenn die eigentliche Überführung und ein Gerichtsprozess durch den Text nicht belegbar sind. Den Abschluss des Krimis bildet das Kapitel ‚Am Ende des Tunnels gibt es immer ein Licht’. Lenas Abreise aus Oslo in eine Wohngemeinschaft auf dem Land, wo sie einen Drogenentzug beginnen kann, stellt einen hoffnungsvollen Ausblick dar.
Folgt man den bereits im theoretischen Teil vorgestellten Bauformen der Kriminalliteratur, ergibt sich für Endstation Hauptbahnhof folgender Aufbau:
Das von Marsch erstellte und von Hasubek für den Kinder- und Jugendkriminalroman erweiterte Schema erweist sich als praktikabel. Eine Besonderheit dieses Krimis ist die Tatsache, dass die Überführung der Täter nicht explizit beschrieben wird. Hasubeks Theorie eines oftmals breit angelegten Schlusses findet sich in dem vorliegenden Jugendkrimi nicht bestätigt.
Bedenkt man, dass in Endstation Hauptbahnhof Probleme wie Drogenabhängigkeit, Beschaffungsprostitution und Beschaffungskriminalität aufgegriffen werden, verwundert es nicht, dass am Ende des Krimis keine vollständige Auflösung der Probleme erfolgt. Die Wiederherstellung einer ‚heilen Welt’ verbietet sich auf Grund der Komplexität der Themen. Die Detektive vermögen derlei schwerwiegende gesellschaftliche Probleme nicht zu lösen, aber sie verzweifeln auch nicht daran. Die Hoffnung, dass wenigstens ein Einzelschicksal zum Besseren gewendet werden kann, spiegelt sich in der Entziehungskur Lenas wider und auch die Überschrift des letzten Kapitels -„Am Ende des Tunnels gibt es immer ein Licht“- weist darauf hin. Der Fall entwickelt sich für Peter in gewisser Weise zu einem Initiationsritus in die Welt der Erwachsenen. „Hatte das Gefühl, zum allerersten Mal einen wirklichen Blick auf die Welt der Erwachsenen geworfen zu haben. Und ich haßte, was ich gesehen hatte“ (ebd.: 130). Diese Aussage Peters verdeutlicht die These, dass es sich um einen Einführungssritus handelt und auch Peters Mutter sagt etwas, dass diese These stützt. „Ich hatte ja gehofft, dass du auf eine weniger scheußliche Weise erwachsen werden könntest“ (ebd.: 142).
Es handelt sich bei Endstation Hauptbahnhof um einen gesellschaftskritischen Krimi, weshalb es auch nicht verwundert, dass am Ende die von Lange erwähnte „Offenheit einer Problemsituation“ (Lange 2002: 537) steht. Dadurch lässt sich erklären, warum die Bestrafung und Verhaftung der Täter offen bleibt, ebenso wie die Frage, ob Lena den Drogenentzug erfolgreich übersteht. Das offene Ende lädt den Rezipienten ein, sich selbst Gedanken über eine mögliche Fortsetzung zu machen. Es wird ein Denkprozess angeleitet, der über das Ende der Erzählung hinausgeht.
Die Erzählinstanz in dem vorliegenden Buch ist der fünfzehnjährige Peter Pettersen. Er ist eine Figur, die der Autor Ingvar Ambjørnsen geschaffen hat. Bei Peter Pettersen handelt es sich um einen Ich-Erzähler, der gleichzeitig eine...