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Die Rolle der katholischen Kirche in der Entwicklungshilfe in Argentinien

AutorHeike Wempen-Dany
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783743108226
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Als am 13.03.2013 der weiße Rauch über der Sixtinischen Kirche Habemus Papam verkündet, wird der argentinischen Jesuit Jorge Mario Bergolio als nächster Papst der Welt präsentiert. Seit dem 22.11.2015 ist der Unternehmer Mauricio Macri argentinischer Präsident. Sein Wahlprogramm verspricht eine Abkehr vom Peronismus und eine Fokussierung auf die Wirtschaftspolitik. Vor 15 Jahren entstand diese Magisterarbeit zum Thema katholische Kirche - Entwicklungspolitik - Argentinien. Nach wie vor sind die Erkenntnisse aus den vergangenen Jahren immer noch aktuell.

Heike Wempen-Dany (Jahrgang 1976) ist studierte Politologin und erlangte mit dieser Arbeit ihren Magistertitel. Die Autorin beschäftigt sich nach wie vor mit der Entwicklung von Menschen und arbeitet u.a. als Coach.

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Leseprobe

3 Kirche in der Entwicklungshilfe


Der zweite Themenkomplex befasst sich mit dem Verhältnis der katholischen Kirche zur Entwicklungshilfe. Ziel ist es generell aufzuzeigen, wie die katholische Kirche zur Entwicklungshilfe steht und wie sie selbst ihre Rolle darin gestalten will. Kirche wird hier in drei Kategorien eingeteilt. Als Weltkirche gibt sie durch die katholische Soziallehre und verschiedene Sozialenzykliken den Rahmen vor, in welchem Entwicklungshilfe verstanden und ausgeübt wird. Die deutsche katholische Kirche setzt diese Vorgaben für sich um und erarbeitet auf Grund dieser Vorlage ihr eigenes Konzept. Die Kirchen Lateinamerikas können sich nicht dem Einfluss Roms entziehen. Viel bedeutender war allerdings die Entwicklung eines eigenen theologischen und sozialen Konzeptes über das Verhältnis der Kirche zu den Armen und den Konsequenzen für die Kirche daraus, der Theologie der Befreiung. Sie wurde speziell auf die Problematik dieser Länder ausgerichtet und nicht von außen nach Lateinamerika hereingetragen.

3.1 Die Weltkirche und ihre Position zur Entwicklungshilfe


Das frühe Engagement (von der Kolonialisierung der „Neuen Welt“ bis zum II. Vatikanum) der katholischen Kirche charakterisierte sich im theologisch und politisch ambitionierten Almosengeben und der Missionierung der nichtchristlichen Bevölkerung. Heute bieten die kirchlichen Konzepte zur Entwicklungshilfe auch Ansätze zur emanzipatorischen, partizipatorischen und solidarischen Bildung der Menschen, d.h. sie leistet einen Beitrag zur Mündigkeit der Bevölkerung und versucht sich auf die Seite der Benachteiligten zu stellen.

Die katholische Soziallehre und die neueren Sozialenzykliken machen den Anfang der Analyse, da in diesen die Ansätze bzw. Grundlagen der Entwicklungshilfe der katholischen Kirche zu finden sind.

Hier stellt sich die Frage nach dem Entwicklungsverständnis der katholischen Kirche. Daraus ergibt sich eine Konzeption der Entwicklungspolitik der katholischen Kirche.

Die pastorale Arbeit spielt in zweierlei Hinsicht in der kirchlichen Entwicklungshilfe eine Rolle. Zum Einen ist sich der pastorale Aspekt aus der Entwicklungshilfe nicht wegzudenken, denn „seelischer Beistand“ ist in christlich geprägten Entwicklungsländern wichtig und ermutigt zu Veränderungen. Zum anderen bildet er aber auch den Ausgangspunkt für die Theologie der Befreiung (3. Teilaspekt dieses Kapitels).

3.1.1 Entstehen der katholischen Entwicklungshilfe: Katholische Soziallehre und Sozialenzykliken


Die Entstehung der katholischen Entwicklungspolitik und -hilfe wird in Anlehnung an die Arbeit von Peter Langhorst86 in vier Phasen eingeteilt. Ausgehend von der kolonisatorischen Mission entsteht im Laufe der Zeit ein kirchliches Entwicklungsverständnis, welches darin mündet, dass sich die Kirche als treibende Kraft der menschlichen Entwicklung sieht (s. Abb. oben).

Die kolonisatorische Mission der eroberten Gebiete in Lateinamerika, Asien und Afrika nahm ihren Anfang im Jahre 1415 und ging 1478 über in eine Weltmission. Leitmotiv der Mission in der Phase der Kolonisation war die Akkulturation. Für die Ureinwohner bedeutete dies, dass sie zu „guten“ christlichen Spaniern erzogen werden und sich die iberische Kultur, d.h. auch die Religion, aneignen sollten.

Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Kolonialkirche dem Patronatsrecht unterstellt, welches sie in eine finanzielle und materielle Abhängigkeit drängte. Das Christentum war die moralische Unterstützung der Kolonialmächte. Erste moralische Bedenken machten sich in der Kirche breit.

Die Päpste dieser Zeit wie Gregor XVI (1830-1846) und Leo XIII (1878-1903) erhoben Einspruch gegen die minderwertige Behandlung der Indianer und der Schwarzen. Sie seien weder geistig noch sittlich unterentwickelt.87

Der Begriff der Entwicklung in dieser Vorphase wird mit Zivilisierung gleichgesetzt. Externe Vorstellungen für wirtschaftliche, politische und kulturelle Lebensformen werden auf die kolonisierten Gebiete übertragen. Die erste Phase beginnt 1931 und konzentriert sich zuerst auf die wirtschaftliche Entwicklung. In seiner Enzyklika „Quadragesimo anno“ (1931) spricht sich Pius XI. explizit für die Interessen der Entwicklungsländer aus.

Ausgangspunkt für Pius XI. ist die Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre, die deutlich machte, dass die Entwicklung der Wirtschaft der ehemaligen Kolonien der weltweiten Entwicklung zu Gute kommt. Die Weltwirtschaftkrise hatte die Verknüpfungen der Länder untereinander deutlich gemacht. Sollte eine weitere Krise mit solchen Ausmaßen für die Zukunft verhindert werden, musste deshalb die wirtschaftliche Entwicklung der Entwicklungsländer mitberücksichtigt werden.

In diesem Zusammenhang erwacht eine neue Laienbewegung, die actio catolica. Die christlichen Grundsätze sollen nicht nur verbreitet werden, sondern auch in die Tat umgesetzt werden. „Aus einer christlich-sozialen Gesellschaftsethik heraus verfolgt sie politische, soziale und ökonomische Zielsetzungen.“88 Die zweite Phase wird durch die Enzyklika „Populorum Progressio“ 1967 eingeleitet, welche neue Tendenzen mit sich bringt - von der Entwicklungspolitik zur Entwicklungszusammenarbeit. Paul VI. gelangt hier zu einem ganzheitlichen Entwicklungsverständnis. „Neben die überkommene ökonomische Komponente von Entwicklung stellt Paul VI. humanitär-ethische, kulturelle und soziale Entwicklungselemente und besonders die Erhaltung des Friedens in den Vordergrund.“89 Dieser „Integrale Humanismus“ geht zurück auf Jacques Maritain. Das höchste Ziel des Menschen ist die Ausrichtung auf Gott, auf das Transzendent- Absolute. Eine Entwicklung, die sich ausschließlich auf materielle Dinge bzw. das Diesseits beschränkt, kann eine innere Entwicklung des Menschen nicht entstehen lassen. Deshalb ist eine Entwicklung, die sich auch den transzendenten Aspekt berücksichtigt, für den Menschen notwendig.90 Paul VI. stellte fest, dass eine Entwicklung, die primär auf materielle Güter ausgerichtet ist, eine „moralische Unterentwicklung“ zur Folge hat.91

„Populorum progressio“ ist auf der Suche nach größerer Menschlichkeit, nach dem Humanum. Die menschliche Entwicklung der Enzyklika Pauls VI. schließt nicht nur wirtschaftliche, kulturelle und soziale Elemente ein, d.h. sie beschränkt sich nicht auf das Diesseits, sondern umfasst auch das Leben nach dem Tod und das Verhältnis zu Gott (Integraler Humanismus). Der Friede nimmt in der Konzeption Paul VI. eine wichtige Position ein, denn nur im Zustand des Friedens kann der Mensch sich entwickeln.

1971 verkündete Paul VI. eine weitere Enzyklika – „Octogesima adveniens“, die auf „Populorum progressio“ bezogen allerdings einen Rückschritt darstellte.92

Das II. Vatikanum fügte seinen Wirtschaftstheorien soziale, kulturelle und religiöse Aspekte hinzu und ging als Konzil des Übergangs in die Geschichte ein. Ziel ist auch hier die „volle menschliche Entfaltung“.93

Die Konferenzen in Medellín 1968 und Puebla 1979 beeinflussten Rom zunächst positiv. Die Kirchen der Dritten Welt erhielten eine gewisse Bedeutung und vor allen Dingen Gehör. Werz allerdings sieht das verstärkte Eingehen auf die Dritte-Welt in den Sozialenzykliken als Reaktion auf die Konkurrenz durch die Befreiungstheologie.94

Im Apostolischen Schreiben „Evangelii nuntiandi“ 1975 wurde der Begriff der Evangelisierung eingeführt. Mission und Entwicklungshilfe konnten somit verbunden werden.95 Die Kirche, auf ein amtskirchliches Dokument gestützt, konnte Hilfe leisten und gleichzeitig das Wort Gottes zu verkünden. Der Einsatz für soziale Gerechtigkeit erhält auch innerhalb der katholischen Kirche einen neuen Akzent. Evangelisierung beschränkt sich nicht mehr allein auf die Ausbreitung des Christentums, sondern soll sich gemäß des apostolischen Schreibens mit Gerechtigkeit, Befreiung, Entwicklung und Frieden beschäftigen.96

Johannes Paul II. setzte die Idee des Integralen Humanismus von Paul IV. fort und prägte einen „christologischen Humanismus“. Dem Menschen müsste gezeigt werden, dass er als Person für seine eigene Entwicklung verantwortlich ist.

Die Enzyklika „Sollicitudo rei socialis“ leitet 1987 die vierte Phase ein. Solidarität avanciert zum Motto der kirchlichen Entwicklungspolitik in dieser Zeit. Grund der Enzyklika Johannes Paul II. war das Scheitern der Entwicklungsmodelle der Modernisierungs- und Dependenztheorien in der Welt. Auch die Soziallehre musste mit Blick auf die Dritte Welt weiter entwickelt werden.

Johannes Paul II. stellt einen „differenzierten und multidimensionalen sozialen Entwicklungsbegriff vor.“97 Nur durch universale Solidarität kann Entwicklungshilfe geleistet werden. Das bedeutet, dass die Industrieländer mit den Ländern der Dritten Welt zusammenarbeiten müssen, um zu einer Entwicklung der ganzen Welt zu kommen. Die katholische...

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