A Geschichtliche Zusammenhänge
Um die Romantik besser verstehen zu können, sollte man auch die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in dieser Zeit zur Kenntnis nehmen. Sie ist geprägt durch Auswirkungen der Französischen Revolution, durch gesellschaftliche Veränderungen, durch die Prinzipien der Aufklärung und gegen Ende auch durch industriellen Fortschritt. Themen und Tendenzen der Romantik lassen sich teilweise aus historischen Umständen ableiten. So wird beispielsweise die Französische Revolution zum politischen oder sozialen Thema oder die Entfremdung des Menschen von der Natur, wie sie als Folge der Industrialisierung erlebt wird, beeinflusst das Leben der Figuren in den Stücken.
Geistig folgte die Romantik auf die Epoche der Aufklärung, also dem Zeitalter der Vernunft. Hier wurde das selbstbestimmte, kritische Subjekt hochgehalten, das sich seines eigenen Verstandes bedienen sollte.[1] Die Französische Revolution brach 1789 aus und hatte ab etwa 1804 Auswirkungen auf Deutschland. Deutschland war zu dieser Zeit in etwa 300 Territorialstaaten zerteilt. In den 90er Jahren nahm der Einfluss Napoleons in Frankreich zu. 1791 verbündeten sich Preußen und Österreich gegen Frankreich und führten mehrere Kriege, die jedoch erfolglos blieben. Napoleon kam acht Jahre später an die Spitze Frankreichs und ließ sich einige Zeit danach selbst zum Kaiser krönen. Die kommenden Jahre waren geprägt durch die so genannten Napoleonischen Kriege. 1806 schlossen sich verschiedene Fürstentümer zum Rheinbund zusammen.[2] Im Oktober erlitt die preußische Armee eine Niederlage bei der Schlacht von Jena und Auerstedt; das napoleonische Heer besetzte Berlin. Beim Frieden von Tilsit im darauf folgenden Jahr musste Preußen einen großen Teil seines Territoriums abtreten.[3] 1813, bei der Völkerschlacht bei Leipzig, hatte Napoleon seine erste entscheidende Niederlage hinzunehmen. Deutschland wurde befreit und der Rheinbund aufgelöst. Die deutsche Bevölkerung entwickelte ein bisher ungekanntes nationales Selbstbewusstsein.[4] 1815 kam es dann zur endgültigen Niederlage Napoleons bei der Schlacht in Waterloo, die mit einer militärischen Niederlage Frankreichs gleichzusetzen war.[5] Beim Wiener Kongress fand ab 1814 unter der Leitung Metternichs die Neuordnung Europas statt. Der Kongress dauerte ganze neun Monate. Ziel war es, den Frieden zu sichern und ein Machtgleichgewicht zwischen den Staaten herzustellen.[6] Es begann das Zeitalter der Restauration, das 1830 durch den so genannten Vormärz abgelöst wurde. Das alte politische System sollte wieder hergestellt werden.[7] Trotzdem blieben viele der von Napoleon herbeigeführten Veränderungen erhalten. Deutschland hatte sich mit 39 Mitgliedsstaaten zum Deutschen Bund geformt, in dem Preußen die Führungsposition einnahm. Das deutsche Volk wünschte sich eine Vereinigung der verschiedenen Teilstaaten, dem jedoch nicht nachgekommen wurde. Der Wiener Kongress hatte es sich weiterhin zum Ziel gemacht, den Adel erneut zur Führungsschicht zu erheben und die Fürsten wieder an die Macht zu bringen. Von einer demokratischen Entwicklung konnte in dieser Zeit keine Rede sein. Die Einführung der Heiligen Allianz durch deutsche Fürsten legitimierte deren Macht durch Gottesgnadentum. Weiterhin wurde die Meinungsfreiheit eingeschränkt und gegen liberale und demokratische Gruppen vorgegangen. 1817 trafen sich auf dem Wartburgfest verschiedene national gesinnte Burschenschaften, die den herrschenden Kräften ein Dorn im Auge waren und bekämpft wurden. Die Karlsbader Beschlüsse 1819 erweiterten die Möglichkeiten der Regierung gegen antifeudale und demokratisch orientierte Gruppierungen vorzugehen, zu denen auch die Burschenschaften gehörten.[8] Professoren, mit kritischer Haltung zur Regierung, konnten entlassen werden und durften dann nicht mehr an einer Universität lehren. Trat ein Student einer Studentenverbindung bei, wurde ihm das Recht zu studieren entzogen. Durch eine strenge Zensur wurde die Pressefreiheit beschnitten. Zudem rief man eine Behörde ins Leben, die sich um die Aufdeckung solcher Entwicklungen kümmern sollte.[9] In dieser Zeit verlor die Ständeordnung immer mehr an tatsächlicher Bedeutung. Wichtig wurde Besitz und persönlicher Erfolg, die wiederum zu politischer Macht führten. Am stärksten betroffen war das Bürgertum, es nahm sozial und kulturell eine Führungsrolle ein.[10] Am Ende dieser Entwicklung stand die moderne bürgerliche Gesellschaft. Frühere Herrschaftsträger, meist Adel und Geistliche, verloren an politischer Macht, die mehr und mehr dem Staat zukam. Die neue Unterscheidung war jetzt Staat-Gesellschaft. In der Gesellschaft hatten alle Angehörigen des Staates die gleichen Rechte. Reguliert wurde das Verhältnis zwischen Einzelnen und die Stellung Einzelner in der Gesellschaft nun durch ökonomische Maßstäbe.[11] Das bürgerliche Leben war nicht zuletzt durch verschiedene intellektuelle Gruppierungen geprägt. Für die Romantik war besonders eine Gruppierung um Dorothea Schlegel, der Frau von Friedrich Schlegel, zentral.[12]
Das Ende des 18. Jahrhunderts war für Europa eine Zeit vieler Erkenntnisse. In den verschiedensten wissenschaftlichen Bereichen wurden große Fortschritte gemacht, die wie Zündholz für die Phantasie der Romantiker waren.[13] Genannt seien hier die Erfindung des Dampfschiffs, Photographie, die Entdeckung des Sauerstoffs und damit die Nutzung von Naturkräften und die Entdeckung von Elektrizität. Die enorme Weiterentwicklung der Verkehrs- und Nachrichtentechnik leitete die Globalisierung ein.[14] Die Phase dieser Entdeckungen und Entwicklungen bezeichnet man als industrielle Revolution. Zentral war hier die Einführung von Produktionsweisen, Antriebs- und Arbeitsmaschinen. Die Arbeit für den einzelnen veränderte sich durch eine immer stärkere Arbeitsteilung. Hiermit gingen aus sozialer Sicht Veränderungen des gesellschaftlichen Umgangs, der Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung, des Konsumverhaltens, der Werte und der Erwartungen mit ein. Wirtschaftlich führte es zu einer Erhöhung des Einkommens, zum Aufbau der Industrie und zu einer Beschleunigung der Produktion in Handwerk und Landwirtschaft. Auch in die Infrastruktur wurde investiert, die eine wesentlich bedeutendere Rolle als vorher einnahm. Der Ausgangspunkt der industriellen Revolution war um die Mitte des 18. Jahrhunderts in England. In Deutschland konnte man erst ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einer solchen Entwicklung sprechen, womit es anderen europäischen Ländern hinterher hinkte. Zu lange war Deutschland in Teilstaaten unterteilt, die unabhängige Politik und Wirtschaft betrieben. 1934 gründeten diese Teilstaaten den Zollverein, der unter preußischer Führung die Teilgebiete wirtschaftlich näher brachte. Der Fortschritt Englands führte dazu, dass 1815, zum Ende der napoleonischen Kriege und mit der Aufhebung von Handelssperren, englische Produkte den deutschen Markt überschwemmten.[15]
Mit der industriellen Revolution begann man Kapital anzuhäufen und in die Technisierung von Arbeitsabläufen zu investieren. Mehr und mehr wanderten die Menschen in die Städte, um dort in der Industrie Arbeit zu finden. Neue Maschinen ersetzten einen Teil der menschlichen Arbeit dort und auch in der Landwirtschaft und steigerten damit die Produktion. Das Leben wurde insgesamt hektischer und undurchsichtiger. Die moderne bürgerliche Gesellschaft war nicht mehr geordnet durch ein Ständeprinzip, sondern durch die Individuen selbst, deren persönliche Leistung zur Messlatte ihrer Stellung in der Gesellschaft wurde. Die Stände vermischten sich und die Konkurrenz und damit der Druck auf den Einzelnen nahmen zu. Die Zukunft wurde immer unsicherer. Der Lebensweg war nicht mehr vorrausagbar, sondern konnte vom Menschen selbst gestaltet werden. Unter Künstlern entwickelte sich schnell eine Abneigung gegen diese Entwicklungen. Gerade in dieser Zeit wendeten sie sich verstärkt alten Sagen, Liedern und dem Mittelalter zu, da sie sich nach der Vergangenheit sehnten. Unter großen Schriftstellern, stellt Fischer fest, hat es nie jemanden gegeben, der den Fortschritten durch die industrielle Revolution positiv gegenüberstand. Da Geld und Macht leitende Motive waren, wurde das künstlerische Werk zum Produkt, das durch seinen Geldwert Bedeutung erhielt. Der Künstler wurde zum Produzenten, der seine „Ware“ verkaufen musste.[16] Hierdurch und durch die neuen Arbeitsweisen entfremdete sich der Mensch von seiner Arbeit und der Natur. Befürchtet wurde eine Entpoetisierung des Lebens. Nach romantischen Maßstäben, sollte der Mensch eins sein mit der Natur und sich selbst.[17] Aus dieser Haltung heraus lässt sich erklären, warum in der Romantik auch viele gesellschaftskritische Elemente zu finden sind. Der Adel hatte es leichter, sich gegen die Entwicklungen zu äußern, da er weniger als das Bürgertum von der Industrialisierung betroffen war.[18] So waren die meisten Romantiker eher konservativ bzw. restaurativ gesinnt; sie orientierten sich an der Vergangenheit. In ihren Werken führten sie die Ständeklausel wieder ein, indem sie den Adel zu Helden machten.[19] Bürgerliches und liberales Bewusstsein entwickelte sich unter den Romantikern nur bei den Brüdern Grimm. Als Folge kann auch die Beschäftigung vieler Romantiker mit fremdsprachiger und älterer Literatur gesehen...