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Die schrulligen Habsburger

Marotten und Allüren eines Kaiserhauses

AutorKonrad Kramar, Petra Stuiber
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783492964708
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Die Habsburger waren ein überaus bedeutendes Herrschergeschlecht. Doch verbargen sich hinter der glanzvollen Fassade oft Menschen mit den seltsamsten Leidenschaften und Vorlieben. Kaiser Leopold I. zum Beispiel wählte seine Beamten nach ihren Gesangeskünsten aus, Karl V. aß sich zu Tode, Kaiserin Sisi hingegen hungerte sich beinahe ins Jenseits. Dieses Buch erzählt von Habsburgern, deren Neigungen und Talente nicht ins dynastische Konzept passten - von ihren Schicksalen, ihren Stärken und Schwächen, ihren Marotten und Allüren.

Konrad Kramar, geboren 1966 in Wien, studierte Pharmazie in seinem Geburtsort. Ab 1984 arbeitete er als freier Mitarbeiter unter anderem bei den Zeitungen Standard und Presse. Seit 1992 ist er Redakteur des Kurier im Ressort Kultur und Medien.

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Leseprobe

MAXIMILIAN I.


Ein Showstar und sein Heldenleben


Auf Rettung war nicht mehr zu hoffen, zu hoch hatte sich der wagemutige Jäger verstiegen, zu steil und glatt war der Fels. Schon hatte man das Allerheiligste aus dem Tabernakelschrein einer nahe gelegenen Kirche geholt, um Seiner Majestät sozusagen per Fernmeldung einen letzten christlichen Segen in die Martinswand bei Innsbruck hinaufzuschicken. Unten am Fuße des Berges hatte sich der gesamte Hofstaat Maximilians versammelt und starrte gebannt hinauf, wo der Kaiser unbewegt und scheinbar hilflos seinem Ende entgegensah.

Das kleine, unscheinbare Männchen, das sich über die Felszacken hantelte, blieb vorerst unbemerkt. Plötzlich aber streckte sich Maximilian von oben eine Hand entgegen. Er ergriff sie und halb kletternd, halb gezogen konnte er sich unter dem Jubel der Zuschauer aus seiner Lage befreien.

Heute noch, ein halbes Jahrtausend später, zeigt man in Innsbruck den Fremden gerne die Wand, in der sich der Habsburger bei der Gamsjagd verstiegen hatte. Bis heute widersprechen sich die Legenden, wer nun der wunderbare Erretter des Kaisers gewesen wäre. Oskar Zyps, ein tüchtiger Jäger aus der Gegend, ein unbekannter Zirler Bauernbub oder – und diese Version der Geschichte ließ Maximilian selbst eifrigst verbreiten – der Herrgott persönlich oder zumindest einer seiner Engel.

Als tollkühnes Abenteuer eines Naturburschen, mit einem Wunder als Draufgabe, so hat die Legende von der Martinswand den Kaiser um viele Jahrhunderte überlebt. Noch in der Romantik machte man Balladen aus der dramatischen Anekdote.

Doch sie ist, wie das ganze Leben des populären Habsburgers, eine gute Inszenierung. Die Martinswand bestieg des »Heiligen Römischen Reiches oberster Erzjägermeister«, wie er sich selbst gerne nannte, vor allem des Showeffekts wegen. Wenn man nämlich die malerischen Felsen mit dem Gamsspieß durchkletterte, konnten Herren und vor allem Damen des Hofes von den Fenstern des nahe gelegenen Schloss Martinsbühel zuschauen wie bei einem Tennismatch. Kaiserliche Kraxeleien erste Reihe fußfrei, sozusagen. Maximilian selbst wusste die Martinswand ganz gezielt für seine Zwecke einzusetzen. Hier, schrieb er in eines seiner Notizbücher, könne er »den Gembs vor so vielen schönen Frauen fällen ohne allen Grauen«. Maximilian war eben ein Showstar. Er pflegte sein Image, ja man kann behaupten, es wäre diesem Mann nichts wichtiger gewesen als Ruhm, Ehre und eine quasi unverderbliche Erinnerung als größter Herrscher der bekannten Welt.

»Gedechtnus« hieß das in der Sprache der anbrechenden Renaissance. Allein dieses »Gedechtnus« zählte für den Habsburger. »Wer sich im Leben kein Gedechtnus macht, der hat nach seinem Tod kein Gedechtnus, und demselben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen«, diktierte er für seinen autobiografischen Ritterroman »Weißkunig«. Übrigens nur eines von zahlreichen Werken, die nichts anderem als der Selbstdarstellung des Kaisers dienten.

Für den einfachen Mann des 16. Jahrhunderts jedenfalls war Maximilian ein Held. Wo der rastlose Herrscher auch unterwegs war, überall schüttelte er Hände, herzte Kinder und mischte sich unters Volk, wie das heute noch allzu leutselige Bürgermeister gerne tun. Wobei er zwar inkognito auftrat, aber doch so, dass jeder wusste, wer da gerade den einfachen Bürgersmann mimte. Ihm voraus eilte ein ganzes Schatzkästchen von abenteuerlichen Geschichten und Legenden. In München hätte er einer Löwin mit Gewalt den Mund geöffnet und ihr die Zunge herausgezogen. Das Tier war angeblich so beeindruckt, dass es ihm die Hand abschleckte. Man erzählte sich, er habe eine wütende Bärin mit seiner Faust erwürgt und hätte beim Karneval in Münster ganz oben auf den Zinnen der Stadtmauer getanzt.

Maximilians Lebensbilanz ist die eines Tausendsassas, der so viele Dinge gleichzeitig tat, dass er fast nichts fertig stellte. Er hatte unglaubliche Pläne, träumte von Kreuzzügen, von neuer Macht und Glanz für den römisch-deutschen Kaiser, von Weltherrschaft und sogar dem Papststuhl in Rom. Er wollte schlicht der Größte sein – und er wollte vor allem, dass die ganze Welt davon erfuhr.

Maximilian ließ sein strategisch geplantes Image hinaustragen bis in die hintersten Winkel seines Reiches. Die Druckerkunst, deren wahre Bedeutung er rasch erkannt hatte, wurde sein wichtigstes Propagandainstrument. Und wie ein moderner Werbefachmann wusste er um die gemeinsame Wirkung von Text und Bildern. Er ließ Flugblätter drucken, auf denen er in Kriegszeiten die Gräueltaten des Gegners anprangerte. Sein Porträt, in riesiger Auflage auf Papier gedruckt, hing bald in jeder gutbürgerlichen Stube gleich neben dem Herrgottswinkel. Schaupfennige, die zwar wenig wert waren, aber dafür das Bild des Kaisers trugen, wurden bei zahlreichen Anlässen großzügig unters Volk verteilt. Auf großen Münzen zeigte er sich mit einer Unzahl an Wappen und Titeln und ging so als mächtigster Mann Europas von Hand zu Hand.

Im ganzen Land sang man Lieder über den Kaiser Max, seine Heldentaten, seine Großzügigkeit und natürlich über sein Glück bei den Frauen. Allesamt Geschichten, die seine Propagandisten gezielt verbreitet hatten. Und die ließen keine Gelegenheit aus, um den einfachen Leuten das Bild ihres heldenhaften Herrschers bis in die Hütte hinein zu tragen. Als 1492 ein Meteorit in der Nähe der Kleinstadt Enisheim niederging, wurden rasch Gedichte und Lieder in Umlauf gebracht, die den Himmelsbrocken als Zeichen für einen Sieg Maximilians über Frankreich deuteten.

»Die streitbare Regierung und das künftige Gedechtnus sind mehr wert denn das Geld«: So lautete sein Motto für ein Leben voll Kriegen, Schulden und Leidenschaften jeder Art – Frauen, Malerei, Musik, Turniere und Feste.

Es war seine Mutter Eleonore, die schon im Kleinkind die Träume von einem Heldenleben geweckt hatte. Sie, die leidenschaftliche Portugiesin, war ja an der Seite von Maximilians Vater Friedrich regelrecht vertrocknet. Einsam und frustriert saß sie in der zugigen Wiener Neustädter Burg und hatte nur noch ein Ziel: Ihr Sohn durfte kein solch menschenscheuer Sparefroh, nicht so ein feiger Duckmäuser werden wie sein Vater. Nächtelang erzählte sie ihm alte Heldensagen der Portugiesen und der Habsburger und ließ ihn viel lieber tanzen und mit Pfeil und Bogen spielen, als ihn zu den Schulaufgaben zu setzen, wie es Friedrich gerne gehabt hätte. Es war der einzige Erfolg im Leben der unglücklichen Kaiserin. Als sie starb, war Maximilian gerade zehn Jahre alt und trotzdem bereits ein kleiner Held, der besser focht und ritt, als er Latein konnte. Zwar interessierte er sich für alles, hatte aber nicht die Geduld, sich tatsächlich zu vertiefen. Er blieb so sein Leben lang: ein glänzender Turnierkämpfer und ein hundsmiserabler Lateiner. So holprig waren seine Diktate, dass alle Ansätze, daraus eine lateinische Autobiografie zu machen, scheiterten.

Im Alter von siebzehn Jahren bereits fiel die für das Leben Maximilians mit Sicherheit wichtigste Entscheidung. Er wurde nach Burgund verheiratet. Jahrelang hatte sein Vater mit zäher Geduld diese Heirat mit Maria, der Tochter Karls des Kühnen, vorbereitet. Sie war ohne Zweifel die attraktivste Partie Europas. Das Herzogtum, das etwa die Gebiete des heutigen Belgien und der Niederlande umfasste, war ungemein reich. Handelsrouten zu Wasser und zu Land führten durch seine Provinzen, seine Tuchmacher exportierten ihre Ware in die ganze Welt. Für den verarmten Habsburgerherrscher, der kleinkrämerisch und geizig auf seinem Schatz hockte und nicht wusste, wie er sein Land gegen alle übermächtigen Gegner verteidigen sollte, ein Traum.

Und Karl wusste diesen Traum auch zu präsentieren. Als Friedrich zum ersten Mal mit Maximilian nach Burgund reiste, traute er seinen Augen nicht. Eine solche prachtvolle Hofhaltung hatte er noch nie gesehen. Während der gesamte Hausschatz der Burgunder da vor den Augen der beiden armseligen Österreicher durch die Straßen von Trient geführt wurde, begannen die Verhandlungen. Denn Friedrich, so arm und politisch machtlos er auch war, hatte doch etwas zu bieten, was Karl für sein Leben gerne gehabt hätte: die römisch-deutsche Kaiserwürde. Er wollte der Nachfolger des Habsburgers werden und bot ihm dafür seine Tochter.

Die Verhandlungen verliefen vorerst im Sand. Friedrich und Max fuhren nach Hause, der Burgunder begann wieder einen seiner zahlreichen Kriege zu führen. Diesmal gegen die Schweiz. Doch er hatte sich übernommen. Noch während seine Leiche irgendwo bei Nancy in einem Teich lag, brachen in Burgund die Aufstände los. Karl hatte wohl ein bisschen zu viel Geld aus seinen Untertanen ausgepresst. Der französische König Ludwig XI., die Spinne genannt, nützte die Gelegenheit,...

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