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Die Seele fühlt von Anfang an

Wie pränatale Erfahrungen unsere Beziehungsfähigkeit prägen. Mit einem Vorwort von Ludwig Janus

AutorBettina Alberti
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641149772
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Vorgeburtliche Erfahrungen: ein Schlüssel zur Psyche
Faszinierende Erkenntnisse: Vom Moment der Zeugung an speichert das Körpergedächtnis des ungeborenen Kindes vorgeburtliche Erfahrungen - z.B. positive Gefühle von Geborgenheit, Sicherheit und Verbundenheit. Doch in diesem allerersten Lebensraum können auch Empfindungen von Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit entstehen. Störende Einflüsse oder traumatisierende Ereignisse hinterlassen oft lebenslang tiefe Spuren.

Die Psychotherapeutin Bettina Alberti beleuchtet den Zusammenhang zwischen vorgeburtlichen Erfahrungen und späterer seelischer Entwicklung, besonders in Bezug auf unsere Beziehungsfähigkeit. Tief greifende Probleme im Jugend- und Erwachsenenalter erscheinen so in neuem Licht. Durch die Überwindung von pränatalen Traumatisierungen bieten sich ungeahnte Wege aus Lebenskrisen.

Bettina Alberti, geboren 1960, ist Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin und tiefenpsychologisch orientierte Körpertherapeutin in eigener Praxis in Lübeck. Sie ist außerdem in der Fortbildung und als Supervisorin tätig. Ihr besonderes Interesse gilt der Bedeutung von Kontakt und Bindung für die psychische Entwicklung des Menschen unter der Berücksichtigung traumatischer Erfahrungen.

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Leseprobe

Pränatale Psychologie –
eine Erweiterung der Sichtweise
vom Menschsein


Die Seele fühlt von Anfang an – es mutet erstaunlich an, die vorgeburtliche Lebenszeit schon als Zeit seelischen Erlebens anzusehen. Wenn wir uns fragen, wo und wann eigentlich unser seelisches Leben beginnt, wäre es ebenso erstaunlich, dieses mit »Erst nach der Geburt« zu beantworten. Wann entsteht die Seele?

Entwicklung des Organismus,
Entwicklung der Seele: Die Fähigkeiten
des vorgeburtlichen Kindes1


Ein Gefühl ist ein seelisches Geschehen. Gefühle haben immer eine Verbindung zu unserem körperlichen Erleben und sie sind im vegetativen System unseres Körpers verankert. Bei Angst zum Beispiel klopft uns das Herz laut und schnell. Vielleicht wird uns auch ganz kalt und der Magen rebelliert. Bei Ärger bekommen wir einen roten Kopf. Bei Freude wird uns warm und der Bauch kribbelt. Bei Trauer fließen Tränen, wenn wir es nicht verlernt haben zu weinen.

In der vorgeburtlichen Lebenszeit findet das seelische Leben auf eine eigene Weise statt und setzt sich in späterer Lebenszeit auf einem anderen Entwicklungsniveau fort. Es formt sich aus und wird vielfältiger. Bilder und Sprache kommen hinzu. Die Seele jedoch dem Menschen erst nach der Geburt zuzugestehen verkennt die Komplexität ihres Fühlens.

 

Es rührt an und erstaunt, dass das vorgeburtliche Kind von einer bestimmten Schwangerschaftswoche an bereits träumen kann. Das Träumen wurde von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse und des tiefenpsychologischen Denkens, als Funktion des Unbewussten betrachtet. Wir brauchen es zur Verarbeitung von Erlebtem. Wir verdauen darüber Spannungen, die dem Träumenden manchmal erst über eben diesen Traum bewusst werden. Hat das vorgeburtliche Kind schon ein Bewusstsein oder ein Unbewusstes? Und wann entwickelt sich dies? Wie und wann entsteht das so genannte kollektive Unbewusste, von Freuds Mitarbeiter C.G. Jung als Gefäß von archaischen Bildern beschrieben? Diese werden über Jahrhunderte, ja Jahrtausende hinweg innerhalb der Menschheitsgeschichte weitergegeben. Als Grundlage von Mythen und Religionen sind sie wiederzufinden.

 

Es rührt ebenso an und erstaunt, dass vorgeburtliche Zwillinge, bei Ultraschallaufnahmen beobachtet, im Mutterleib miteinander kommunizieren. Sie scheinen zu spielen und suchen den Kontakt zueinander. Erleben sie Freude und Kummer miteinander, erleben sie eine Beziehung? Die italienische Medizinerin Alessandra Piontelli1 berichtet in einer Zwillingsstudie von dem Zwillingspärchen Alicia und Luca, das sie bei Ultraschallaufnahmen beobachtete. Der körperlich aktivere Luca bewegte sich immer wieder zu seiner ruhigeren Schwester hin und berührte sie mit den Händen durch die trennende Eihülle hindurch. Es folgte eine Phase von streichelnden Bewegungen, Wange an Wange. Alicia reagierte jedes Mal auf diese Berührung. Im Alter von einem Jahr spielten die Zwillinge viel miteinander und ein Lieblingsspiel bestand darin, sich hinter einem Vorhang zu verstecken, der an die ehemalige Eihülle erinnerte. Unter Lachen und Krähen streckten sie ihre Köpfe darunter hervor, um sich gegenseitig zu streicheln.

 

Frühgeborene – sogar schon in der 25. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommene Babys – reagieren auf Kontakt, körperliche Nähe und Wärme der Mutter. Sie können ihren Gesichtsausdruck verändern, bei Entspannung lächeln und bei Stress oder Unruhe Angst und Schrecken ausdrücken. Sie können sich der Mutter mitteilen. Schaut man frühgeborene Kinder an, zweifelt niemand mehr, dass sie eine fühlende Seele haben.

 

? Erfahrungen bleiben in uns lebendig

 

Wofür ist diese erweiterte Sichtweise des Menschseins für uns als Erwachsene von Bedeutung?

Im tiefenpsychologischen Denken gehen wir davon aus, dass alle Lebenserfahrungen eines Menschen behalten werden und in ihm wirken können. Erfahrungen mit uns selbst, mit unserer Umwelt und mit uns wichtigen Menschen schwingen wie ein Hintergrund in uns. Letztlich sind wir immer alles, was wir schon gelebt und erfahren haben. Wir waren einmal ein Säugling und ein Kleinkind. Wir waren ein Schulkind und jugendlich. Wir sind oder waren ein junger oder reifer Erwachsener. Vielleicht sind wir schon eine alte Frau oder ein alter Mann, je nachdem, in welchem Lebensabschnitt wir uns gerade befinden. Erfahrungen und Fertigkeiten eines jeden Lebensalters stehen uns zur Verfügung. Prägungen sind als bedeutungsvoller Hintergrund in uns vorhanden. Dies ist mal mehr und mal weniger bewusst, mal mehr und mal weniger direkt verfügbar.

So mag zum Beispiel die Fähigkeit, frei zu spielen, in einem jungen Vater wieder auftauchen, wenn sein Sohn die ersten Bauklötze in die Hand nimmt und auf ihn zuläuft. Das einstige Kind in ihm wird wach und er kann dabei die Freude am Spiel wiederentdecken.

Vielleicht tragen wir ein ehemals verlassenes Kind in uns, dessen Angst und Hoffnung gefühlt wird, wenn wir uns das erste Mal verlieben oder in einer Liebesbeziehung verlassen werden. In den Liebeskummer mischt sich dann die ganze Verzweiflung des Kindes, das wir einst waren.

Und der rebellische Jugendliche in uns mag bei einem Bewerbungsgespräch wachwerden, wenn Anzug und Krawatte erwartet sind. Wie von Teufels Hand landet dann womöglich der Kaffee auf der Hose, der Krawattenknoten will nicht sitzen, der Autoschlüssel ist verlegt.

 

Die pränatale Lebenszeit ist der Beginn unserer Entwicklung. Sie bildet mit ihrer Erfahrung den Urgrund unseres Daseins und kann diesen Urgrund in Lebenssituationen jeden späteren Alters widerspiegeln. Hier gemachte Erfahrungen können im Erwachsenen wieder wachgerufen werden.

Erfahrung ist ein Erleben, an dem die sich entwickelnde Seele und der sich entwickelnde Körper beteiligt sind. Sie wird dem vorgeburtlichen Kind über sein körperlich-seelisches Empfinden vermittelt.

 

? Schon so viele Fähigkeiten – ein kleiner Mensch entsteht

 

Das vorgeburtliche Kind entwickelt viel früher als bisher gedacht Fähigkeiten der Sinneswahrnehmung. Wenn es gerade zwei Millimeter groß ist, um den 20. Tag herum, funktioniert schon sein kleines Gehirn. Um die gleiche Zeit etwa entsteht das winzige Herz aus zwei Blutgefäßen, das dann beginnt, Blut durch den Körper zu pumpen. Besonders das Gehirn wird dabei gut versorgt, damit sich die Zellen dort schnell vermehren können. Schon ab der siebten Lebenswoche können Nachrichten zwischen feinen Nervenfasern übermittelt werden, denn es gibt bereits erste Kontaktstellen. So entsteht das wundersame Netzwerk unseres Gehirns. Die entstehenden Verschaltungen werden sofort benutzt. Das vorgeburtliche Kind bekommt auf diese Weise Informationen aus der mütterlichen Welt und über sich selbst: über seine Körperlage zum Beispiel oder über Druck auf seinen kleinen Körper. Mit der gleichzeitigen Entwicklung der Sinnesorgane ist damit die Voraussetzung für Wahrnehmung und Erfahrung geschaffen.

Nach acht Wochen beginnt sich der Geruchs- und Geschmackssinn zu bilden. Das vorgeburtliche Kind kann das Fruchtwasser probieren und trinkt davon ab der zwölften Woche  – es kann schon schlucken, sogar einen Schluckauf bekommen. Der Gleichgewichtssinn und das Gehör entwickeln sich. Hören ist unsere früheste Möglichkeit, auch die Außenwelt wahrzunehmen, zum Beispiel die Stimmen der Mutter und des Vaters.

Der Körper kann dann auch überall Berührung empfinden. Sie findet reichlich statt, denn das vorgeburtliche Kind ist dann schon ein Meister der Bewegung. Der Gebärmutterraum ist in dieser Zeit groß genug, dass es im Fruchtwasser Drehungen, Purzelbäume, Streckungen und Beugungen machen kann. Es kann seine Lage verändern, es wird berührt, wenn die Mutter sich bewegt. Es kann zu einer Hand, die über den Bauch streicht, sich hinbewegen und diese Berührung schon fühlen.

Auf diese Weise bekommt seine Haut immer wieder von neuem Signale, die ans Gehirn weitergeleitet werden. Diese Stimulation braucht wiederum das Gehirn, um sich gut weiterzuentwickeln. Dies ist auch für die Zeit nach der Geburt von Bedeutung. Kinder brauchen viel Körperkontakt. Werden sie gestreichelt und sanft berührt und können sie durchs Getragenwerden Kontakt über ihre Haut erleben, entwickeln sie leichter ein harmonisches Nervensystem als Kinder, die diese Möglichkeit nicht haben. In Kursen für Babymassage, die viele Mütter heutzutage besuchen, macht man sich dieses Wissen zunutze. Babys und ihre Mütter genießen dies oft in vollen Zügen.

In der vorgeburtlichen Lebenszeit arbeiten schon viele unserer Sinne. Die körperlichen Anlagen sind nach acht Wochen bei einer Größe von etwa drei Zentimetern alle ausgebildet. In der folgenden Zeit reifen sie aus. Durch die entstehende Möglichkeit der Bewegung kann auf Sinneseindrücke reagiert werden. Bei Ultraschalluntersuchungen kann man beobachten, wie der Kopf gedreht wird bei einer Berührung. Die Stirn kann sich bei Missempfinden schon in Falten legen und die Augenbrauen können sich heben. Ab der zwölften Woche kann das vorgeburtliche Kind bei Berührung die Oberlippe kräuseln, was wie ein Lächeln wirkt. Dies ist der Beginn des Saugreflexes. Relativ bald beginnt es dann, zunächst unwillkürlich, dann auch gesteuert, am Daumen zu lutschen.

Von Bedeutung für eine eventuell belastete vorgeburtliche Lebenszeit ist folgende Fähigkeit: Ab dem vierten Monat verfügt das vorgeburtliche Kind über ein geschlossenes eigenes Kreislaufsystem. Das Herz pumpt etwa 30 Liter Blut pro Tag durch den...

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