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Die soziale Mächtigkeit als Voraussetzung für den Koalitionsbegriff einer Gewerkschaft: Eine kritische Stellungnahme zur einschlägigen Rechtsprechung und Literatur

AutorBoris Nefedow
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl49 Seiten
ISBN9783955497620
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Die 'Beschäftigung mit dem Arbeitskampfrecht lässt gelegentlich an den Versuch denken, sich in einem Urwald zurechtzufinden'. Schwerpunkt dieses Buches ist zwar nicht das Arbeitskampfrecht, dennoch trifft diese Metapher des ehemaligen Bundesarbeitsgerichtspräsidenten Wißmann zu. Denn kaum ein anderes Thema im Arbeitsrecht ist so umstritten und vielseitig diskutiert wie das des Erfordernisses der sozialen Mächtigkeit für den Gewerkschaftsbegriff. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Gesetzgeber mit einer Entscheidung im Sinne der marginal überwiegenden Literaturauffassung auf sich warten lässt. Brisanz erlangt die seit einem halbem Jahrhundert bestehende Thematik durch die sich im Umbruch befindende Gewerkschaftslandschaft. Bedingt wird dies einerseits durch die Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit bei Tarifpluralität im Jahre 2010. Demnach können in einem Betrieb für ein und dieselbe Regelungsmaterie auf verschiedene Arbeitsverhältnisse verschiedene Tarifverträge Anwendung finden. Die damit verbundene Stärkung kleinerer Spartengewerkschaften begünstigt die Bildung neuer derselben. Die Mitglieder dieser Spartengewerkschaften sehen ihre Interessen in einer für sie zugeschnittenen Vereinigung besser vertreten. Andererseits geht der Trend weg von den großen Gewerkschaften hin zu den kleine'. Schließlich tragen die zunehmende Bedeutung von Firmentarifverträgen auch mit kleineren Gewerkschaften und die sinkenden Mitgliederzahlen in Gewerkschaften der Aktualität Rechnung. Ungeachtet der näheren Klärung des Begriffs der sozialen Mächtigkeit ergibt sich schon aus dem Wortlaut, dass diesem Erfordernis für große Gewerkschaften keinerlei Bedeutung und damit praktische Auswirkungen zukam. So mutiert der anfangs noch eher rechtstheoretisch geführte Meinungsstreit zu einem für die Arbeitswelt relevanten Konflikt. Ziel dieses Buches ist es, den seit langem vor allem im Bereich des Tarifrechts geführten und durch die Rechtsprechung vom einheitlichen Gewerkschaftsbegriff auf weitere Bereiche erstreckten Streit im Sinne des Art. 9 III GG aufzulösen. Dabei wird vor allem auch danach gefragt, inwiefern eine soziale Mächtigkeit überhaupt erforderlich ist und was darunter zu verstehen ist. Schließlich werden im Schrifttum vorzufindende, auf den Bereich des Tarifrechts fokussierende alternative Lösungsansätze zur sozialen Mächtigkeit unter dem Gesichtspunkt der Effektivität und Zweckmäßigkeit überprüft.

Boris Nefedow, Jahrgang 1986, schloss im Jahre 2006 eine Ausbildung zum Industriekaufmann ab. Um die dort erworbenen Kenntnisse theoretisch zu untermauern, absolvierte der Autor neben dem im Jahre 2008 begonnenen Studium der Rechtswissenschaften eine wirt

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel III, Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff: Wie ganz zu Beginn festgestellt, findet sich der Gewerkschaftsbegriff nicht auf verfassungsrechtlicher Ebene, dafür aber in vielen einfachgesetzlichen Regelungen, wie im BetrVG, ArbGG, MitbestG, und PersVG. Was eine Gewerkschaft ausmacht, ist aber niemals im Sinne einer Legaldefinition oder bezüglich seiner Merkmale kodifiziert worden. Auch der Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18.05.1990 kann entgegen einer Mindermeinung nicht als verbindliche, gesetzliche Auslegungsregel herangezogen werden. Denn dieser sah keine Änderung des bundesdeutschen Rechts vor, sondern lediglich die Anpassung des Rechts der ehemaligen DDR an die Verhältnisse der BRD, welcher schließlich auch nach dem Beitritt der DDR jegliche Gesetzeskraft verlor. Über jahrelange Rechtsprechung haben sich aber unstreitige Kriterien herauskristallisiert. So muss eine Gewerkschaft neben den typischen Eigenschaften einer Koalition i.S.v. Art. 9 III GG immer auch tariffähig sein. Hierzu zählt laut Rechtsprechung die Tarifwilligkeit, die Anerkennung des geltenden Tarif- und Schlichtungsrecht und eben die soziale Mächtigkeit. Umstritten ist dabei vor allem, ob letzteres Merkmal zwingend für den Gewerkschaftsbegriff ist. Der BAG bejaht dies wie gesehen nicht nur, sondern geht einen Schritt weiter. Überall dort, wo der Gewerkschaftsbegriff in einer Norm erwähnt wird, sind die oben genannten Voraussetzungen zu erfüllen, um daraus Rechte und Pflichten begründen zu können. Hierzuführte es im Jahre 1956 folgendes aus: 'Der Gewerkschaftsbegriff in der arbeitsrechtlichen Gesetzgebung ist ein einheitlicher. Er findet seinen Ausgangspunkt im TVG, das die Gewerkschaften als tariffähig erklärt. Um dieser Tariffähigkeit willen bestehen die weiteren besonderen Regelungen der Rechtsstellung der Gewerkschaften auf dem Gebiete des kollektiven Arbeitsrechts.' Das BVerfG hat auch nie eindeutig für oder gegen eine Einheitlichkeit des Gewerkschaftsbegriffs Stellung bezogen. Es führte lediglich aus, dass der Begriff im Tarifrecht möglicherweise anders als in anderen arbeitsrechtlichen Gesetzen auszulegen sei. Inwiefern die Auffassung des BAG zutreffend sein könnte, soll eine Auslegung nach den klassischen juristischen Methoden ergeben. 1., Auslegung des Wortlauts: Rechtlich ist es durchaus möglich, demselben Begriff in verschiedenen Vorschriften die gleiche Bedeutung zugunsten einer einheitlichen Rechtsordnung zukommen zu lassen. Gegenteiliges ist insofern aber auch nicht ungewöhnlich. So kann nach der Relativität der Rechtsbegriffe ein Ausdruck in unterschiedlichen juristischen Kontexten nur dann als identisch aufgefasst werden, wenn überhaupt ein vergleichbarer Regelungsbereich vorliegt. Entscheidend ist folglich, welche Bedeutung die jeweilige Norm dem Gewerkschaftsbegriff nach seinem Sinn und Zweck beimessen will, und ob dieser mit der geforderten Tariffähigkeit konform geht. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung die Tariffähigkeit um die soziale Mächtigkeit erweitert hat, sodass auch diese hier relevante Verschärfung mit den anderen Normzwecken kongruent wäre.116 Damit darf ungeachtet einer näheren Untersuchung der jeweiligen Normen ein pauschaler einheitlicher Gewerkschaftsbegriff entgegen des BAG und einiger Vertreter in der Literatur117 nicht angenommen werden. 2., Historische Auslegung: Während früher die These vom einheitlichen Gewerkschaftsbegriff noch durchaus zutreffend erschien, trifft dies in der heutigen Zeit nicht mehr zu. Zur Zeit der Weimarer Republik fand das erst später entwickelte Erfordernis einer sozialen Mächtigkeit bei den Merkmalen einer Gewerkschaft keine Berücksichtigung.119 Ferner kommt hinzu, dass das BAG die Einheitlichkeitsrechtsprechung noch vor Entwicklung der sozialen Mächtigkeit vornahm. Der heute existierende Gewerkschaftsbegriff kann sich nur im Wege einer richterlichen Fortentwicklung geändert haben. Eine solche Weiterentwicklung gilt aber nicht zwingend für alle Gesetze. Dies könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn sich der spätere oder jetzige Gesetzgeber für eine Änderung des Gewerkschaftsbegriffs auf allen einfachgesetzlichen Regelungen ausgesprochen hätte. Die Begründung des BAG, der Gesetzgeber von 1990 hätte sich in dem oben genannten Staatsvertrag für eine Einheitlichkeit ausgesprochen, vermag nicht zu überzeugen. Denn die die dortige Definition bezieht sich nur auf die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft und nicht auch auf die übrigen gewerkschaftlichen Befugnisse. Somit verbleibt nur die Möglichkeit, dass der damalige Gesetzgeber mittels einer dynamischen Verweisung an den jeweiligen im Tarifvertragsrecht gültigen Gewerkschaftsbegriff anknüpfen wollte. Hierfür ist aber nichts ersichtlich. Somit bleibt festzustellen, dass der Gesetzgeber zu keinem Zeitpunkt die Rechtsprechung des BAG zur Einheitlichkeit und Verschärfung des Gewerkschaftsbegriffs ausdrücklich billigte. Schließlich kommt nur noch eine Billigung der Rechtsprechung durch den Gesetzgeber durch Schweigen in Betracht. Diese Rechtspraxis ist nicht nur von obersten Bundesgerichten, sondern auch vom BVerfG als legitim angesehen worden. Hierbei ist jedoch besondere Zurückhaltung geboten, da eine gesetzliche Übernahme oft Jahrzehnte überdauern und ein Gesetzesguss aus taktischen Gründen nicht gewollt sein könnte. Eine solche Annahme ist nur gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber vom Problem der Mächtigkeit Kenntnis genommen hätte und Umstände ersichtlich wären, die seine Untätigkeit als Zustimmung erscheinen lassen. Die Kenntnis des Gesetzgebers könnte man durchaus im Zuge des oben erwähnten Staatsvertrags bejahen. Letztlich fehlt es aber dennoch an einem beredten Schweigen der Legislative.
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